Klimaschutzaktivisten, die durch Straßenblockaden Staus verursachen, hatten bislang in Österreich strafrechtlich wenig zu befürchten. Anders als in Deutschland, wo schon mehrere Gerichte sogenannte Klimakleber zu teils beträchtlichen Strafen wegen Nötigung verurteilt haben, wird dort der Nötigungsparagraf enger ausgelegt.
Umso mehr Aufsehen hat es erregt, als am Montag bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft Wien gegen die Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Das Verfahren werde gegen mehrere Mitglieder geführt, bestätigte eine Sprecherin. Die Organisation selbst sowie mehrere andere österreichische Umweltschutzverbände kritisierten scharf eine angebliche „Kriminalisierung friedlicher Proteste“. Beifall kam hingegen von der christdemokratischen Partei ÖVP und der rechten FPÖ.
Dass die Strafverfolgungsbehörden eine neue rechtliche Bewertung prüfen, hängt damit zusammen, dass Aktivisten eine neue Technik angewendet haben, die ihnen bereits den strafrechtlichen Vorwurf der schweren Sachbeschädigung eingetragen hat. In den vergangenen zwei Wochen hatten sich einige Personen nicht nur wie bisher mit Klebstoff an den Straßen fixiert, die sie als Ausdruck ihres Protestes gegen den Ausstoß von Klimagasen blockieren wollten. Diese Klebstoffe sind in der Regel rückstandslos zu beseitigen. Sondern sie hatten eine Mischung aus Sand und Schnellkleber verwendet, um sich gleichsam „festzubetonieren“. Um die Blockierer zu entfernen, ohne die Personen zu verletzen, wurden sie aus der Straße unter Einsatz von schwerem Gerät „herausgemeißelt“. Das geschah unter anderem während des Berufsverkehrs auf der Südautobahn bei Wien sowie auf der vielbefahrenen Ringstraße im Zentrum der österreichischen Hauptstadt vor dem Parlament.
„Klima-Shakira“ im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
„Die Proteste haben damit ein neues Level erreicht“, so lautet die von der Sprecherin wiedergegebene vorläufige Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft. Autobahnen und Verkehrsknotenpunkte seien schwer beschädigt worden. Das seien Teile der kritischen Infrastruktur. Die Staatsanwaltschaft verwies darauf, dass die Definition einer kriminellen Vereinigung nach dem österreichischen Strafgesetzbuch unter anderem auf die Begehung von "nicht geringfügigen Sachbeschädigungen" abstellt. Die einzelnen Aktivisten wurden zudem wegen schwerer Sachbeschädigung angezeigt.
Gegen wie viele Personen ermittelt wird, wurde nicht mitgeteilt. Die Austria Presseagentur zitierte die Organisation „Letzte Generation“ mit der Angabe, es seien bisher 23 Personen. Nach der Aktion vor dem Parlament hatte die Staatsanwaltschaft bereits Untersuchungshaft wegen schwerer Sachbeschädigung gegen eine Aktivistin verhängt. Die in Österreich lebende Deutsche hatte schon zuvor einige Bekanntheit erlangt und wurde auf dem Boulevard wegen ihrer Haartracht als „Klima-Shakira“ bezeichnet. Die „Letzte Generation“ hatte das Vorgehen kritisiert und angegeben, man hätte sie auch mit Aceton von der Fahrbahn lösen können, ohne diese zu beschädigen. Das Wiener Landesgericht wies den Antrag auf Untersuchungshaft ab, weil es „gelindere Mittel“ gebe, um die mögliche Strafverfolgung der Deutschen sicherzustellen.
Mehrere Umweltschutzorganisationen teilten mit, sie verurteilten „die Kriminalisierung von friedlichem Protest aufs Schärfste und sehen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft auf Basis der vorliegenden Informationen als überschießend und unverhältnismäßig“ an. Sie verwiesen darauf, dass Versammlungsfreiheit und die Möglichkeit zu Protest ein Grundrecht der Demokratie seien. Die „Letzte Generation“ kündigte an, „die Aktionen fortzusetzen, bis die Regierung mit der Umsetzung der Empfehlungen des Klimarates beginnt“.
Die Regierungspartei ÖVP und die oppositionelle FPÖ begrüßten hingegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Der ÖVP-Vorsitzende und Bundeskanzler Karl Nehammer bekundete, er finde es „richtig und wichtig, dass hier die Rechtsstaatlichkeit tatsächlich ein starkes Zeichen setzt". Die Form des Protestes erweise dem "wichtigen Anliegen des Klimaschutzes" keinen Dienst. Nun werde mit allen rechtsstaatlichen Konsequenzen gegen "jene vorgegangen, die sich über alles hinwegsetzen, die glauben, für sie gelten keine Regeln, und zehntausende Menschen belastet haben".
Der FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker bezeichnete das Ermittlungsverfahren „als längt überfällig". Gleichzeitig machte er Druck auf die ÖVP und insbesondere Innenminister Gerhard Karner, nicht länger Rücksicht auf den grünen Koalitionspartner zu nehmen und hart durchzugreifen. Die ÖVP habe in den Grünen „den politischen Arm der ‚Klimaterroristen‘ auf die Regierungsbank gehievt“, befand Hafenecker.
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