Wenn es so läuft, wie Gernot Schmidt möchte, dann bekommt er bald Besuch aus Moskau. Von Wladimir Putin. Denn Schmidt hat ihn eingeladen. Er hat in der vergangenen Woche einen Brief an die „sehr geehrte Exzellenz Präsident Herr Wladimir Putin“ geschrieben und angefragt, ob der nicht zum 50. Jubiläum der Gedenkstätte „Seelower Höhen“ an der Oder kommen möchte, dem Ort einer der letzten großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs.
Gernot Schmidt ist Landrat des Kreises Märkisch-Oderland in Ostbrandenburg. Und er ist Sozialdemokrat. Auf die Frage, ob er einer jener „Russland-Versteher“ sei, von denen es in seiner Partei einige gibt, sagt er: „Ja, ich verstehe die Völker des Ostens, auch die Ukrainer, ich bin in diesem Kulturkreis zu Hause. Ich bin Preuße und damit ein Stück weit Osteuropäer.“
Gerhard Schröder (SPD) hat das nie von sich behauptet. Aber auch der Altkanzler pflegt ein enges Verhältnis zur Russland, eine Freundschaft zu Putin, und er hat einflussreiche Posten in russischen Energiekonzernen. Schmidt wie Schröder stehen für jene Sozialdemokraten, die sehr viel Verständnis für Russland haben und die auch angesichts der russischen Drohungen Richtung Ukraine und akuter Kriegsgefahr nicht von ihrer Linie abrücken.
Sie sind ein entscheidender Grund dafür, warum die SPD unter dem Generalverdacht kritikloser Nähe zu Russland steht und sich Bundeskanzler Olaf Scholz bei jeder politischen Initiative zur Eindämmung der aktuellen Krise den Vorwurf anhören muss, er nehme zu viel Rücksicht auf die Interessen der russischen Regierung – und auf die der „Russland-Versteher“ in der eigenen Partei.
Längst nicht alle Sozialdemokraten gehören zu diesem Kreis. Es gibt eine ganze Reihe von Genossen, auch im Bundestag, die finden das Auftreten des Altkanzlers „nicht gerade hilfreich“. In Teilen der Basis sei der Unmut über Schröder und seine Posten im Dienste Russlands groß, berichtet ein einflussreiches Mitglied der SPD-Fraktion im Bundestag.
Aber wer so denkt, äußert sich nicht offen.
Schröder und sein „Privatleben“
Den Ton geben Sozialdemokraten wie Fraktionschef Rolf Mützenich an, der auch angesichts der zunehmend aggressiven Ansagen aus Moskau unverdrossen auf „Gespräche mit Russland“ setzt. Oder Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die weiterhin auf eine „rasche Inbetriebnahme“ der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 hofft.
Zu Schröders Job als Lobbyist für russisches Gas sagte Mützenich zuletzt, der Altkanzler habe „das Recht auf ein Privatleben“. Dabei hatte der 77-Jährige zuvor Empörung ausgelöst, weil er nicht nur privat unterwegs ist, sondern sich immer wieder politisch äußert. Zu den Bitten der Ukraine um Waffenlieferungen hatte Schröder per Podcast erklärt, er hoffe sehr, das die Regierung in Kiew endlich das „Säbelrasseln“ einstelle.
Was wiederum SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zu der Klarstellung veranlasste, Schröder müsse auch nach Äußerungen wie diesen nicht um seine Parteimitgliedschaft fürchten. „Das deutsche Parteienrecht, und übrigens auch das Statut der SPD, sehen keine Parteiausschlüsse für heftige Meinungsverschiedenheiten, Provokationen oder geschäftliche Interessen vor“, so Kühnert zur „Rheinischen Post“. Aber irgendwie muss das Thema Parteiausschluss für den Altkanzler ja ins Spiel gekommen sein.
Der Kanzler und die Parteispitze sind zwar zunehmend genervt vom Gebaren des Altkanzlers. Scholz hatte ihn zuletzt abgekanzelt und sich Ratschläge von Schröder verbeten, die Partei selbst hatte ihn aufgefordert, sich mit öffentlichen Äußerungen im Ukraine-Konflikt zurückzuhalten. Mehr kann die SPD nicht tun, um Schröder zu bremsen, das wissen die Genossen.
Wie ein Jurist den Fall Schröder bewertet
„Ein Parteiausschlussverfahren ist dann gerechtfertigt, wenn gegen die allgemeinen Grundsätze einer Partei verstoßen und ihr dabei schwerer Schaden zugefügt wurde. Das sehe ich im Fall von Gerhard Schröder derzeit nicht“, sagt der Staatsrechtler Jörn Ipsen auf WELT-Anfrage.
„Weder seine Mandate bei russischen Energieunternehmen noch seine Äußerungen zu den aktuellen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine würden ein Ausschlussverfahren rechtfertigen“, meint Ipsen, der bis 2013 Präsident des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs war. „Gerhard Schröder ist kein aktiver Politiker mehr, was er nun tut, fällt in den Bereich der freien Berufswahl.“
Dass sich ein Altkanzler in den Dienst eines Staates stelle, der aggressiv auftrete, sei eine Frage des Anstands. „Aber juristisch kann man dagegen nicht vorgehen“, sagt der Staatsrechtler. Der Fall läge anders, wenn es tatsächlich zu einem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine käme und Schröder ein solches Vorgehen rechtfertigen würde. „Das könnte zu einem erfolgreichen Parteiausschlussverfahren führen. Aber sein Zitat vom angeblichen Säbelrasseln der Ukraine, wenn es denn so gefallen ist, reicht dafür bei Weitem nicht“, so Ipsen.
Die SPD muss also mit dem „Privatleben“ Schröders leben. Und zur Einladung von Landrat Schmidt an Präsident Putin sagt der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil: „Die, die bundesweit Verantwortung der SPD haben, Bundeskanzler Scholz oder Fraktionschef Mützenich, haben sich unmissverständlich und klar positioniert“ – zur Causa Putin und der Frage, wer im aktuellen Konflikt der Aggressor sei. Und anders als Schröder reklamiert der Landrat für sich, auf Friedensmission unterwegs zu sein.
„Eine Einladung an Russlands Präsident Putin auszusprechen, war richtig, gerade angesichts der gespannten Situation. Es geht jetzt darum, ein Zeichen der Versöhnung zu senden, verbal abzurüsten“, sagt Schmidt. Er billige längst nicht alles, was Putin tue. „Aber natürlich kann man meine Einladung falsch verstehen. Ich bekomme auch Hassmails deswegen, aber 80 Prozent der Reaktionen sind positiv.“ Und dann kommen Schmidt aber doch Bedenken: „Vielleicht schicken wir auch noch eine Einladung an den Präsidenten der Ukraine.“
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