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Bundestag stimmt über Neuregelung der Suizidbeihilfe ab - BR24

"Geschäftsmäßig": Für das Bundesverfassungsgericht hat das nichts mit Geld zu tun. Es geht vielmehr darum, dass etwas "auf Wiederholung angelegt" ist. Mit der Begründung haben die Karlsruher Richter das Verbot der so genannten "geschäftsmäßigen Sterbehilfe" gekippt. Nach dem Urteil von 2020 verletzt Paragraph 217 im Strafgesetzbuch das individuelle Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben.

Seither ist diese Form der Sterbehilfe zwar wieder möglich, befindet sich aber durch Bestimmungen im Betäubungsmittelgesetz in einem rechtlichen Graubereich. Das will der Bundestag nun ändern und am Donnerstag über zwei jeweils parteiübergreifend entstandene Gesetzentwürfe abstimmen. Zur Debatte steht der Entwurf einer Gruppe von Abgeordneten um die Grünen-Politikerin Renate Künast; den anderen Entwurf hat der SPD-Politiker Lars Castellucci gemeinsam mit Bundestagskolleginnen unter anderem von der CDU erarbeitet.

"Castellucci-Entwurf": grundsätzliches Verbot mit Ausnahmen

Der Gesetzentwurf unter Federführung von Castellucci verortet organisierte Suizidbeihilfe weiter im Strafrecht und bleibt beim grundsätzlichen Verbot. Verstöße sollen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden.

In Ausnahmefällen soll Sterbehilfe aber erlaubt sein: dann nämlich, wenn sich Sterbewillige von einem Facharzt für Psychiatrie oder Psychotherapie mindestens zweimal im Abstand von drei Monaten untersuchen lassen und mindestens eine weitere Beratung durch einen Arzt oder eine Beratungsstelle bekommen. Zwischen der letzten Beratung und der möglichen Selbsttötung soll zudem eine Frist von mindestens zwei Wochen liegen.

Kompromiss-Entwurf von Grünen und FDP geht weiter

Der Gesetzentwurf von Renate Künast – bereits ein Kompromissvorschlag zusammen mit Katrin Helling-Plahr (FDP) – will demgegenüber ausdrücklich ermöglichen, dass Menschen selbstbestimmt sterben und dabei Hilfe erhalten können. Der Vorschlag ist getragen von dem Einwand, dass eine Regelung im Strafrecht einer Kriminalisierung des Suizidwunsches gleichkomme.

Sterbewillige Erwachsene, die aus freiem Willen ihr Leben beenden möchten, sollen daher von einem Arzt ein entsprechendes Medikament verschrieben bekommen dürfen, verbunden mit vorangegangener Aufklärung auch über mögliche Risiken. Auch dieser Entwurf koppelt die Medikamentengabe an eine vorangegangene Beratung in einer Fachstelle. In besonderen Härtefällen soll der Arzt jedoch davon absehen dürfen, sich die Beratung bescheinigen zu lassen. Ein zweiter, unabhängiger Arzt muss dann zur gleichen Einschätzung kommen. An den Ländern wäre es dann, für ein ausreichendes Netz an Beratungsstellen zu sorgen.

Katholische Kirche kritisiert liberaleren Entwurf

Im Vorfeld der Bundestagsdebatte haben sich auch die Kirchen zu Wort gemeldet. Für die Deutsche Bischofskonferenz mahnte deren Vorsitzender, Bischof Georg Bätzing, an, ein mögliches Gesetz müsse "der Tendenz entgegenwirken, dass sich der assistierte Suizid als selbstverständliche Form der Lebensbeendigung durchsetzt".

Die Kirche halte fest an einem "dem Leben zugewandten Gesamtklima und einer Kultur gegenseitiger Fürsorge und Zuwendung". Anders als der Vorschlag der Abgeordneten um Lars Castelluci trage der Entwurf von Renate Künast und Katrin Helling-Pahr den von den Bischöfen gebotenen Anforderungen "nicht hinreichend Rechnung".

Evangelische Kirche: Suizidprävention ausbauen

Ohne auf die eingebrachten Gesetzesvorschläge konkret einzugehen, betont die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), gleichermaßen für den Schutz des Lebens und für die Selbstbestimmung des Individuums einzutreten. Auch Letzteres sei "ein Teil des von Gott gewollten und geschützten Lebens". "Deshalb sind alle rechtlichen Regulierungen auf das Ziel auszurichten, die Freiheit und Verantwortung des Individuums zu stärken und zu schützen."

Zugleich warnt die EKD in einer Stellungnahme vor der - angesichts einer gesetzlichen Regelung sich einschleichenden - "gesellschaftlichen Normalität", "sich das Leben zu nehmen oder anderen dabei zu helfen". Weder Personen noch Institutionen dürften zur Suizidbeihilfe verpflichtet werden. An erster Stelle gefordert seien substanzielle Verbesserungen bei der Suizidprävention und der palliativen Begleitung von Schwerkranken oder Sterbenden.

Abgeordnete wollen zusätzliches Suizidpräventionsgesetz

Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, haben nun die beiden Abgeordnetengruppen kurz vor der Abstimmung am Donnerstag im Bundestag einen gemeinsamen Antrag für ein Suizidpräventionsgesetz vorgelegt. Darin fordern sie die Bundesregierung dazu auf, ein Gesetz zu erarbeiten, das Suizide möglichst verhindern soll, indem Hilfsangebote ausgebaut werden. Laut epd werben sie etwa für einen deutschlandweiten Präventionsdienst, der rund um die Uhr für Menschen mit Suizidgedanken oder deren Angehörige online und telefonisch erreichbar ist.

Zentralrat der Juden: Suizid religiös betrachtet "problematisch"

Auf BR-Anfrage äußerte sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. Ihm zufolge ist ein Suizid für Juden "aus religiöser Perspektive problematisch, auch wenn sich durch die medizinischen Erkenntnisse über psychische Erkrankungen hier bereits das Bild gewandelt hat". Der assistierte Suizid sei demgegenüber aber noch einmal "eine andere Kategorie".

"Ich lehne ihn unter Berücksichtigung einer Ausschöpfung palliativer Maßnahmen nicht gänzlich und kategorisch ab, tue mich mit dem Gedanken aber sehr schwer. Für einen gewerbsmäßigen assistierten Suizid habe ich grundsätzlich kein Verständnis", teilte Schuster mit.

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