Vermutlich zwei Jugendliche sind nach dem Konsum von "Blue Punisher"-Ecstasy-Pillen im Nordosten Deutschlands gestorben. In der Region steigt an diesem Wochenende das Musik- und Kulturfestival Fusion. Auch dort sind die Tabletten schon im Umlauf.
Es sind beunruhigende Nachrichten, die dieser Tage aus Mecklenburg-Vorpommern kommen. Eine 13-Jährige ist dort mutmaßlich nach dem Konsum von Ecstasy gestorben. Weitere Jugendliche kamen auf die Intensivstation (der stern berichtete). Und auch beim Tod einer 15-Jährigen im benachbarten Brandenburg wird von einer Überdosis als Ursache ausgegangen.
Die Polizei vermutet, dass die Jugendlichen blaue Pillen mit dem Namen "Blue Punisher" ("Blauer Bestrafer") konsumiert haben, die in der Region im Umlauf sind. In ihnen sei eine sehr hohe Dosis des Wirkstoffs MDMA enthalten. Bereits die Einnahme einer halben Tablette könne lebensbedrohlich sein, warnen die Behörden.
"Blue Punisher"-Pillen auf Fusion Festival sichergestellt
Ebenso beunruhigend ist das Horrorszenario, das Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Generalsekretär Daniel Peters an die Wand malt. Er befürchtet laut Nachrichtenagentur DPA, dass sich "eine Katastrophe größeren Ausmaßes anbahnen könnte".
Der Grund: In Lärz im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte findet seit Mittwoch das Fusion Festival statt. Rund 75.000 Musikfans werden bis Sonntag auf dem früheren Militärflugplatz erwartet. Dass etliche von ihnen dort auch synthetische Drogen wie Ecstasy zu sich nehmen, ist ein mehr als offenes Geheimnis.
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Kursiert dort nun auch "Blue Punisher", könnte es auf dem Fusion Festival eine Vielzahl von Menschen mit Überdosierungssymptomen geben, so die Befürchtung. Die Polizei vermutet, dass die hochdosierte Droge auch nach dem Tod der Jugendlichen weiterhin gehandelt und konsumiert werde. Es gebe erfahrungsgemäß ein großes Dunkelfeld, weil sich Besitzer nicht von sich aus meldeten.
Die Beamten kündigten wie in jedem Jahr Kontrollen bei der An- und Abfahrt zum Festivalgelände an – auch mit Blick auf möglichen Drogenkonsum der Besucher. Auf dem Gelände selbst wurde eine mobile Wache eingerichtet. Im vergangenen Jahr gab es bei 56 Menschen den Verdacht, dass sie unter dem Einfluss von Drogen Auto gefahren sind, sowie 80 Strafanzeigen wegen Drogenbesitzes.
In diesem Jahr konnte die Polizei bereits am ersten Festivaltag 60 "Blue Punisher"-Pillen und mehrere hundert weitere Ecstasy-Tabletten bei einem 29-jährigen mutmaßlichen Drogendealer sicherstellen, zudem mehr als 180 LSD-Trips und weiteres Rauschgift. Ein Besucher des Festivals hatte den Mann beim Versuch des Drogenhandels beobachtet. Weitere Zwischenfälle im Zusammenhang mit "Blue Punisher" auf der Fusion waren der Polizei bis zum Donnerstagmittag nicht bekannt, so eine Sprecherin im Gespräch mit dem stern. Sie warnte weiterhin ausdrücklich vor dem Einnehmen der Ecstasy-Pille. Ein Sprecher des Fusion-Veranstalters Kulturkosmos e.V. sagte, es werde auf dem Festival durch bebilderte Aushänge auf die Gefahren von "Blue Punisher" hingewiesen. "Wir hoffen außerdem, dass unsere Gäste auch durch die mediale Berichterstattung vor den hochdosierten Pillen gewarnt sind."
Der Drogenkonsum auf dem Festival wird sich nicht verhindern lassen, aber die Veranstalter haben nach eigener Auskunft Maßnahmen ergriffen, das Risiko der Einnahme der illegalen Substanzen zu verringern.
Unter anderem ist der Berliner Verein Eclipse e.V. mit Experten auf dem früheren Militärflugplatz präsent. Er setzt sich nach dem "Safer Use"-Prinzip für einen eigenverantwortlichen Umgang mit Rauschmitteln ein und informiert über Risiken und Nebenwirkungen des Konsums. Auf der Fusion stellt der Verein laut Veranstalter eine "psychedelische Ambulanz" zur Verfügung. Drogenkonsumenten in Krisensituationen können sich dort in geschützter Umgebung Unterstützung holen.
Gefährliche Nebenwirkungen von Ecstasy-Konsum
Informationen zum Drogenkonsum liefert auf dem Festival auch das Team von Notfallmediziner und "Fusion-Arzt" Gernot Rücker von der Uniklinik Rostock. Er ist seit mehr als zwei Jahrzehnten auf dem Festival im Einsatz und wird unterstützt von rund 400 Ärzten, Medizinstudierenden, Psychologinnen und Pflegekräften. Auch ehrenamtliche Sanitäter sind vor Ort. "Wir haben eine Drogenberatungsstelle, die Tag und Nacht im Einsatz ist. Bei der sind fast alle Pillen gelistet und ausgehängt, die im Umlauf sind. Wir können in Datenbanken nachschauen, haben aber auch ein leistungsfähiges Labor", sagte Rücker dem Norddeutschen Rundfunk. "Wenn wir merken, dass Pillen im Umlauf sind, die gefährlich sind, dann gibt es sofort eine Warnmeldung, die ausgehängt wird für alle."
Auch der Kulturkosmos-Sprecher verwies auf sogenanntes Drug Checking durch Chemikerinnen vor Ort. "Solche Test können leben retten", teilte er dem stern mit.
Drug Checking ist vor allem in der Schweiz schon länger etabliert. Konsumentinnen können ihre Drogen auf deren Zusammensetzung prüfen und das Risiko einschätzen lassen. Die Ecstasy-Variante "Blue Punisher" ist in der Datenbank des Drogeninformationszentrums Zürich seit Ende 2021 zu finden. Die Einrichtung warnt ausdrücklich vor "Blue Punisher", unter anderem wegen des "extrem hochdosierten" MDMA-Gehalts und unbekannter beigemengter Substanzen.
Auch in Deutschland ist "Blue Punisher" schon länger bekannt. Eine Umfrage der DPA bei den Sicherheitsbehörden ergab, dass seit 2021 bereits Tausende der blauen Pillen mit dem eingeprägten Totenkopf sichergestellt wurden. Dabei sei ein schwankender Wirkstoffgehalt festgestellt worden. Eventuell handele es sich bei den in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg kursierenden Tabletten um eine bestimmte Charge, die aus dem europäischen Ausland eingeführt worden sei, so die Polizei.
"Fusion-Arzt" Rücker und sein Team sind auch auf schwere Notfälle, auf Patienten mit einer Überdosis vorbereitet. "Wenn jemand Beschwerden hat, dann sind wir in der Lage, ihn sofort zu überwachen." Der Zeitfaktor sei bei der Behandlung entscheidend. Um sofort reagieren zu können, gebe es auf der Sanitätsstation des Festivals sieben sogenannte Überwachungsbetten. "Wenn wir merken, dass der Herzschlag steigt, der Blutdruck abfällt oder irgendwelche anderen Dinge passieren, kann sofort eingegriffen werden." Drogennotfälle seien auf der Fusion aber "relativ selten".
Schnellerer Herzschlag und abfallender Blutdruck sind nicht die einzigen Gefahren bei Konsum von Ecstasy, insbesondere der Variante "Blue Punisher". Eine einzige Pille könne bei einer jugendlichen Person zu einer sechsfachen Überdosis führen und tödlich sein, warnte Rücker im stern-Interview.
Die möglichen schweren Folgen einer Überdosierung sind bekannt. Der Konsum führt einerseits zu Höhenflügen, Kontaktfreudigkeit und Verlust des Zeitgefühls. Andererseits wird das körpereigene Warnsystem dabei ausgeschaltet. Es kann in der Folge zu extremem Wasserverlust, Organschäden oder Kreislaufzusammenbruch kommen, aber auch zu tödlichem Nierenversagen und Hirnblutungen. Auch Psychosen und Warnvorstellungen wurden beobachtet.
Im Fall der toten und vergifteten Mädchen aus Mecklenburg-Vorpommern ist indes Haftbefehl gegen einen 37-Jährigen mutmaßlichen Drogendealer erlassen worden. Gegen drei Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren wird weiter ermittelt. Auch im Fall der gestorbenen 15-Jährigen aus Brandenburg besteht ein Anfangsverdacht gegen einen Jugendlichen. Die Ermittlungen gehen weiter.
Hinweis der Redaktion: Die Statements des Fusion-Veranstaltervereins wurden nachträglich eingefügt.
Quellen: Pressemitteilungen Polizeiinspektion Neubrandenburg, Pressemitteilungen Polizeipräsidium Neubrandenburg , Drogeninformationszentrum Zürich, Norddeutscher Rundfunk, ARD-"Tagesthemen", Fusion Festival, Nachrichtenagentur DPA
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