Seit gut einer Woche läuft die ukrainische Gegenoffensive im Kampf gegen Russland. Die Ukraine verkündet Geländegewinne in den Oblasten Donezk und Saporischschja, Präsident Wolodymyr Selenskyj wertet die Meldungen von den Fronten als „allgemein positiv“. Russland meldet seinerseits Erfolge wie erbeutete oder zerstörte Militärgeräte westlicher Produktion.
„Schwierige Offensive – Putins Stärke unterschätzt?“, fragte Maybrit Illner in ihrer ZDF-Talksendung die Politiker Lars Klingbeil (SPD) und Roderich Kiesewetter (CDU), die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff, die ZDF-Reporterin Alica Jung, den Bundeswehr-Oberst André Wüstner sowie den früheren Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger.
„Die ukrainische Armee ist bisher erfolgreich“, zeigte sich Lars Klingbeil zuversichtlich. Der SPD-Vorsitzende lobte vor allem die Motivation der Ukrainer. Zugleich schränkte er aber auch ein, dass sich die „Wahrheit über den militärischen Erfolg nicht in Echtzeit verfolgen“ ließe.
„Wir kommen jetzt in eine brutale Phase“, erläuterte André Wüstner, der Chef des Deutschen Bundeswehrverbands ist. Er lobte die „brutale, gute Kampfmoral“, welche die Ukraine den quantitativ überlegenen russischen Streitkräften entgegensetze. Der Oberst warnte vor der „russischen Propaganda“ im parallel stattfindenden „Informationskrieg gegenüber dem Westen“. Aus Moskau sei ausschließlich „Desinformation“ zu hören, bestätigte Wolfgang Ischinger.
Weitgehende Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern über die weitere Unterstützung der Ukraine. Die Waffenverluste auf ukrainischer Seite müssten rasch ersetzt werden, forderte Kiesewetter. Dazu müsse die europäische Industrie ihre „Produktionslinien anwerfen“. Noch weitaus fordernder trat Wüstner auf. Deutschland müsse über neue Munitionsfabriken nachdenken. Es bestehe eine große Herausforderung durch die zu langsame Produktion, was ihn „persönlich am meisten ärgert“. Im Gegensatz dazu sei Russland bereits in der Kriegswirtschaft und baue in Zusammenarbeit mit dem Iran Drohnenfabriken. „Wir brauchen in Europa auch mehr Kapazitäten.“
„Da kriege ich Puls“, echauffiert sich der Bundeswehr-Oberst
Harsche Kritik äußerte Wüstner an der unzureichenden Umsetzung der von Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigten „Zeitenwende“. Der Verteidigungsetat müsse „massiv steigen“, forderte der Oberst des Heeres. Mit Boris Pistorius habe erstmals in der Geschichte dieses Landes ein Verteidigungsminister öffentlich zugegeben, dass Deutschland derzeit nicht verteidigungsbereit sei. „Da kriege ich Puls“, echauffierte sich Wüstner.
Pistorius habe vorgerechnet, dass ihm zehn Milliarden Euro in seinem Haushalt fehlen, werde in Verhandlungen aber mit zwei Milliarden Euro abgespeist. An Klingbeil appellierte Wüstner ganz direkt, den Verteidigungsminister zu unterstützen. Andernfalls werde „diese Zeitenwende verhungern“.
In der Debatte über westliche Kampfflugzeuge für die Ukraine und die deutsche Rolle dabei äußerte sich Ischinger ablehnend: Deutschland könne und werde sich nicht an der „Flugzeug-Koalition“ beteiligen. Alternativ schlug er die Lieferung von Marschflugkörpern vor. Großbritannien und Frankreich verfügten über „hocheffektive“ Storm Shadows, Deutschland über das System Taurus. Die Bundesregierung solle „sehr ernsthaft“ prüfen, gemeinsam mit den europäischen Nachbarn solche Systeme zu liefern. Mit Blick auf die kommenden US-Präsidentschaftswahlen erfülle dies auch einen strategischen Zweck. So könne sich die Bundesrepublik präventiv gegen jene positionieren, die „uns für faule Trittbrettfahrer halten“.
Wiederaufbau wird immense Ressourcen erfordern
Vergleichsweise pessimistisch zeigte sich die Gesprächsrunde über die Dauer des Konflikts. CDU-Außenpolitikexperte Roderich Kiesewetter bezeichnete den Krieg als „Marathonlauf“. Er erkenne keine Anzeichen dafür, dass „Putin die Luft ausgeht“, bestätigte Ischinger. Russland helfe dabei, im Westen die „irrige Vorstellung“ zu verbreiten, dass der Krieg in wenigen Wochen beendet sei.
„Statistisch betrachtet“ bestehe eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Konflikt noch Jahre dauern werde, gab Nicole Deitelhoff zu bedenken. Der folgende Wiederaufbau und eine „glaubwürdige Abschreckung“ Russlands werde zudem „immense Ressourcen“ erfordern und den Westen „Jahre und Jahrzehnte“ beschäftigen.
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