Erdogan darf für weitere fünf Jahre die Türkei regieren. Glücklich über das Ergebnis zeigen sich vor allem Russlands Präsident Putin und Ungarns Orban.
Ankara - Weniger als vier Stunden, nachdem die Wahllokale geschlossen waren, hat sich Präsident Recep Tayyip Erdogan zum Sieger der Stichwahl erklärt. Fast genauso schnell folgten Reaktionen aus dem In- und Ausland - zunächst vor allem Kritik von Erdogan-Gegner an den Führern des Oppositionsbündnisses Sechsertisch. „Wo ist Aksener, wo ist Davutoglu, wo ist Babacan, wo ist Uysal, wo ist Kilicdaroglu“, fragt der Journalist Baris Pehlivan auf Halk TV.
Türkei-Wahl war eine AKP-Kampagne
Die deutsch-türkische Journalistin Süheyla Kaplan wundert das Ergebnis nicht. „Im Grunde genommen würde kein Diktator eine Wahl organisieren, die er verlieren würde. Diese Wahlen haben nicht in einer normalen Wahlatmosphäre stattgefunden. Es war keine Wahl, sondern eine AKP-Kampagne, die den gesamten Staatsapparat in ihre Gewalt gebracht hat und eine rücksichtslose, schmutzige Kampagne gegen die Opposition über alle Medienkanäle führte“, so Kaplan im Gespräch mit unserer Redaktion.
„Der Vorsitzende der Oppositionspartei kämpfte ehrenhaft gegen die gesamte Kampagne und gegen die AKP, die den Staat übernommen hatte. Bei diesen Wahlen gewann Erdoğan um Haaresbreite mit den Stimmen der Auslandstürken. Erdoğan-Wähler, die mit Rabia-Zeichen zur Wahl gingen, obwohl sie in einem demokratischen Land leben, haben dem islamistischen, faschistischen Ein-Mann-Regime in der Türkei erneut ihre Zustimmung gegeben“, empört sich Kaplan.
Türkei-Wahl fand nicht unter fairen Bedingungen statt
Auch der deutsch-türkische Journalist Mehmet Tanli kritisiert im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA vor allem die ungleichen Verhältnisse bei der Türkei-Wahl. „Genau wie bei der ersten Runden fanden die Wahlen nicht unter fairen Bedingungen statt. Erdogan kontrolliert die Medien – auch die Privaten“, sagt Tanli. Zudem sei die Religionsbehörde aufseiten Erdogans und seiner AKP. „Erdogan konnte immer wieder in Moscheen Wahlkampfreden halten, was seinem Gegner Kemal Kilicdaroglu (CHP) verwehrt blieb. Es herrscht in dem Land ein islamistisch-nationalistisches Klima, das Erdogan für sich zu nutzen weiß.“
Kilicdaroglu ist kurdischer Alevite und werde deswegen von Islamisten und Nationalisten immer wieder kritisiert. Tanli glaubt, dass die ohnehin marode Wirtschaft noch weiter leiden werde und die Lager sich noch weiter verhärten. Unter den Bedingungen würde Erdogan das Land nicht weitere fünf Jahre regieren können. „Ich denke, dass es in zwei Jahren vorgezogene Wahlen geben wird“, so Tanli.
Nach Türkei-Wahl weitere Entfernung vom Westen zu befürchten
Auch die im kanadischen Exil lebende türkische Journalistin Arzu Yildiz geht von einer Verschlechterung der Situation in der Türkei aus. „Am Montag werden die Menschen in einer noch ärmeren Türkei aufwachen. Meiner Ansicht nach wurde ein neues Reich gegründet. Am 28. Mai wurde der Laizismus und die Republik abgeschafft. Wenn Erdogan jetzt auch noch das Kailfat einführt, dann ist die Sache komplett“, so Yildiz. Die Türkei sei jetzt näher an Iran und Afghanistan gerückt und habe sich von Europa entfernt.
Türkei-Wahl geprägt von Ungleichheiten, Unterdrückung und Lügen
Der inhaftierte ehemalige Co-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas zeigte sich enttäuscht über das Wahlergebnis und geht von Manipulation aus. „In Wirklichkeit war das keine Wahl, sondern eine große Operation. Der Wahlprozess war von großen geprägt“, lässt Demirtas über Twitter melden. Die gesamte Wahl sei manipuliert gewesen.
Putin und Orban glücklich über Wahlausgang
Glücklich über den Wahlausgang zeigt sich dagegen der russische Präsident Wladimir Putin, der Erdogan mit warmen Worte gratulierte: „Der Wahlsieg war gesetzmäßiges Resultat Ihrer selbstlosen Arbeit auf dem Posten des Staatschefs der Türkischen Republik“. Erdogans Triumph demonstriere die Unterstützung des türkischen Volkes für den Kurs „nationaler Souveränität und unabhängiger Außenpolitik.“
„Glückwunsch an Präsident Erdogan zu seinem unangefochtenen Wahlsieg! Herzlichen Glückwunsch, Herr Präsident“, ließ Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban auf Twitter mitteilen. Erdogan pflegt zu beiden Politikern, die für ihr Vorgehen gegen Pressefreiheit und Menschenrechte berüchtigt sind, gute Beziehungen.
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