Die Unionsfraktion will im Bundestag auch gegen die überarbeiteten Pläne der Ampel-Koalition für eine Wahlrechtsreform stimmen. "In jedem Fall werden wir den Gesetzesvorschlag ablehnen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei (CDU). Wenn das Gesetz vorliege, werde die Union "auf dieser Grundlage prüfen, ob wir eine abstrakte Normenkontrolle anstrengen werden", fügte er mit Blick auf eine mögliche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hinzu.

"Verfassungspolitisch ist es in jedem Fall abzulehnen", sagte er weiter. "Verfassungsrechtlich halten wir den Vorschlag für hochproblematisch", weil er dazu führe, dass gewonnene Direktmandate nicht zugeteilt würden. Dies werde insbesondere in städtischen Regionen und im Osten, "wo wir sehr stark umkämpfte Wahlkreise haben, dazu führen, dass es verwaiste Wahlkreise gibt und diese Regionen dann nicht direkt im Deutschen Bundestag vertreten sind".

Michael Kretschmer: "Axt an die Wurzeln der Demokratie"

Der stellvertretende CDU-Bundeschef und sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer attackierte die Ampel-Koalition. "Dieses Bündnis aus SPD, Grünen und FDP legt die Axt an die Wurzeln der Demokratie", sagte er. Der Vorschlag sei unfair und undemokratisch. Niemand werde verstehen, wenn ein Kandidat seinen Wahlkreis gewinne und dann am Einzug in den Bundestag gehindert werde. "Das wird die Politikverdrossenheit weiter stärken", sagte Kretschmer. Er hoffe, dass es Klagen geben werde, "damit die Richter feststellen können, ob das alles mit Recht und Gesetz vereinbar ist".

CDU-Schatzmeisterin Julia Klöckner sagte, CDU und CSU würden nun miteinander besprechen, ob man in Karlsruhe klagen werde. Wichtig sei, dass der Wählerwille im Parlament abgebildet werde.

Grünenfraktionschefin Britta Haßelmann verteidigte den Entwurf und bezeichnete die angestrebte Verkleinerung des Parlaments als "überfällig". Der Entwurf beende "das jahrelange Ringen um eine endgültige Reform des Wahlrechts", sagte sie und warb um die Zustimmung der Opposition. Mit der Reform setze die Koalition "den Grundcharakter unseres Wahlsystems, das Verhältniswahlrecht, konsequent um", sagte Haßelmann. "Es ist an der Zeit und lange überfällig, nach vielen Jahren der Auseinandersetzung endlich die Kraft zu finden, diese dringend nötige Reform an uns selbst vorzunehmen."

Überhangmandate sollen wegfallen

Wie am Wochenende bekanntgeworden war, haben sich die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP auf einen Reformvorschlag für das Wahlrecht verständigt. Dieser soll noch in dieser Woche den Bundestag passieren. Demnach soll die Zahl der Abgeordneten von derzeit 736 auf 630 sinken.

Kern des Vorschlags ist es, sogenannte Überhang- sowie Ausgleichsmandate abzuschaffen. Im momentanen deutschen Wahlsystem auf Bundesebene wird mit der Erststimme ein Wahlkreiskandidat direkt gewählt; die Zweitstimme entscheidet über den prozentualen Anteil an Sitzen im Bundestag, die der jeweiligen Partei zustehen. Gewinnt eine Partei über die Erststimme mehr Direktmandate, als ihr gemäß Zweitstimmenergebnis zustehen, bekommt sie Überhangmandate. Die übrigen Fraktionen erhalten hierfür wiederum Ausgleichsmandate.

Die geplante Reform sieht außerdem vor, die sogenannte Grundmandatsklausel zu streichen. Sie besagt, dass eine Partei auch dann in den Bundestag einziehen darf, wenn ihr Zweitstimmenergebnis unter der Fünfprozenthürde liegt, sie aber über die Erststimmen wenigstens drei Direktmandate errungen hat. Das betrifft aktuell die Linkspartei, die bei der Bundestagswahl 2021 auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen kam, aber bundesweit drei Wahlkreise via Erststimme gewann.

Ein erster Vorschlag der rot-grün-gelben Regierungskoalition hatte eine Reduzierung der Parlamentssitze auf 598 vorgesehen. Der neue Vorschlag sieht nun vor, dass zwar die Zahl der Wahlkreise unverändert bei 299 bleiben soll. Allerdings sollen künftig 331 Mandate über die Landeslisten vergeben – und nicht wie ursprünglich vorgesehen 299. Damit soll die Zahl der Abgeordneten, die einen Wahlkreis über die Erststimmen gewinnen und trotzdem nicht in den Bundestag kommen, möglichst klein gehalten werden.

Die Unionsfraktion hat in der Vergangenheit oft besonders stark von der bisherigen Systematik profitiert. Über eine Wahlrechtsreform diskutiert wird indes seit Jahren, weil die Mitgliederzahl des Bundestags immer weiter gewachsen ist. Ein Reformvorschlag der Union sieht unter anderem eine Reduzierung der Wahlkreise auf 270 vor.