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Taufe der »Mein Schiff 7" in Kiel: Pack das Methanol in den Tank – irgendwann - DER SPIEGEL

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Fernab vom Trubel der Kieler Woche verharrt die »Mein Schiff 7« am Samstagnachmittag still mitten in der Kieler Förde. »Verwöhnen«, »Freiheit«, »Wohlfühlen« verheißen die weißen geschwungenen Schriftzüge auf dem tiefblauen Rumpf, wie ein gigantisches schwimmendes Werbeplakat. Nur noch ein paar Stunden, dann wird der 316 Meter lange Neuzugang der TUI-Cruises-Flotte im Hafen getauft; nur ein paar weitere Stunden, und dann legt das Kreuzfahrtschiff mit Platz für knapp 3000 Passagiere zu seiner ersten offiziellen Fahrt ab, gen Norwegen.

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Taufe in Kiel: Rundgang über die "Mein Schiff 7"

Foto: Daniel Bockwoldt / dpa

An Bord ist die Urlaubsstimmung schon ausgebrochen. Unter der schleswig-holsteinischen Sonne, die heute erst gegen 22 Uhr untergeht, wird an Deck schon mal ein Männershirt ausgezogen, am 25-Meter-Außenpool im Bikini geduscht. Auf den Klapptischen der Strandkörbe auf Deck 14 stehen Weißweinschorle, in der Hoheluft Bar wird Aperol geschlürft, im Buffetrestaurant Anckelmannsplatz hat die Crew an Pasta- und Pommes-Stationen gut zu tun. Aufgekratzt ist die Laune bei der Crew und deren Gästen: Wird die Tauffeier gut gehen? Wie wird das Fest?

Wer schon mal an Bord von einem Schiff der TUI-Cruises-Flotte war, findet sich sofort zurecht: weiß, wo die Sauna liegt und der sogenannte Bar- und Restaurantbereich »Diamant« mit seiner Glasfassade über zwei Decks, und steuert von der Rezeption auf kurzem Weg zur Shoppingmeile »Neuer Wall«.

»›Mein Schiff 1‹ bis ›7‹ haben den gleichen Grundriss, drei davon sind ein bisschen länger«, sagt Reederei-Chefin Wybcke Meier in dem kleinen Theater Schaubühne, »da ist vieles, was die Gäste schon kennen.« Zwölf Restaurants und Bistros, 17 Bars und Lounges, zwei Theater, 2400 Quadratmeter Spa- und Fitnessanlagen sind es hier.

Diamant

Diamant

Foto: René Supper / TUI Cruises

Es gibt zwar Neuheiten zu entdecken: etwa das asiatische Restaurant Hideki, für das die Crew Rezepte beigesteuert hat, oder das Café Central, bei dem sich das Küchenpersonal aus Österreich ausleben kann. Aber viel Entwicklung liegt im Detail: Immer schlichter, aufgeräumter, eleganter soll das Innendesign von Neubau zu Neubau wirken, das in weiten Teilen in ruhigen Blau- und Beigetönen gehalten ist.

Immer mehr Suiten werden in den Grundriss gebastelt. Denn seit Corona wollen sich die Kunden etwas leisten, heißt es, diese Luxuskabinen seien mit am schnellsten ausgebucht. Die Kreuzfahrt ist nach der Pandemie-Buchungsdelle wieder auf Kurs, sagt Meier, im vergangenen Jahr waren wieder knapp drei Millionen Deutsche auf hoher See unterwegs.

Tanks für Methanol sind eingebaut, Rohre verlegt

Doch die spannendste Neuheit liegt hinter den Werbebotschaften auf dem Rumpf, tief unter Spezialitätenrestaurants, Balkonkabinen und Hospital im Maschinenraum: Die »Mein Schiff 7« soll als eins der ersten Kreuzfahrtschiffe in Zukunft Methanol als Treibstoff nutzen können, das sauber zu Kohlendioxid und Wasser verbrennt. Wird der Alkohol aus erneuerbaren Energien gewonnen, wäre ein nahezu klimaneutraler Schiffsbetrieb möglich.

Die Tanks für Methanol warten schon im Rumpf, die Rohre sind gelegt. Doch während bereits einige Containerschiffe mit Zweitaktmotoren mit Methanol unterwegs sind, sagt Meier, seien die dafür nötigen Komponenten für die Viertaktmotoren der »Mein Schiff«-Flotte noch in der Entwicklung.

Innenpool: Gut geschützt gegen nördliche Unwetter und südliche Hitze

Innenpool: Gut geschützt gegen nördliche Unwetter und südliche Hitze

Foto: René Supper / TUI Cruises

Die Chefin von TUI Cruises rechnet damit, dass die Bauwerft Meyer Werft Turku die neue Technologie Anfang 2026 einbauen wird. Solange wird die »Mein Schiff 7« als Erste der Flotte ausschließlich mit schwefelarmem Marinediesel statt mit Schweröl betrieben und rund um die Uhr Stickstoffkatalysatoren im Einsatz haben.

»Wenn das dann alles gut funktioniert«, so Meier, »dann ist das für uns eine Option, die Flotte von ›Mein Schiff 1 bis 6‹ umzurüsten.« Die Pandemie habe der Reederei, der Werft und Maschinenherstellern die nötige Zeit für die Entwicklung verschafft – immerhin wurde der siebte Neubau bereits 2018 bestellt und sollte ursprünglich 2023 ausgeliefert werden.

Ob es ebenfalls die Pandemie war und den Reedereien finanziell die Luft ausging – zurzeit ist die Vorreiterrolle deutschen Kreuzfahrtunternehmen bedroht, die sie in puncto Nachhaltigkeit in der Seefahrt für sich beanspruchte. Zwar hat Aida Cruises schon seit acht Jahren das sauberere, aber in der Klimawirkung schädlichere Flüssigerdgas LNG an Bord und testet Batterien und Brennstoffzellen, TUI Cruises rüstet sich für Methanol.

Aber beide Reedereien haben ihre angedeuteten und angekündigten Klimaziele in aller Stille nach hinten verschoben. Zurzeit beabsichtigen sie, zumindest die von der Internationalen Maritimen Organisation (IMO) festgelegte Frist für CO₂-neutrale Schifffahrt ab 2050 einzuhalten, statt dies wie geplant schon zehn Jahre früher zu erreichen.

Erstmals an Bord von TUI-Cruises-Schiffen: Die 26 neuen Einzelkabinen sind günstiger als Doppelkabinen zur Einzelbelegung

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Foto: René Supper / TUI Cruises

»Unverantwortlich und nicht akzeptabel«, kommentiert Sönke Diesener, Verkehrsreferent beim Naturschutzbund (Nabu), die Verzögerung. Selbst Deutschland oder der Containerriese Maersk wollten schneller sein und 2045 beziehungsweise 2040 klimaneutral wirtschaften. »Sie ist auch nicht vermittelbar, wenn man es den Zumutungen an Land gegenüberstellt – siehe Heizungsgesetz oder Pkw-Verbrenner-Aus.« Selbst bei Windunterstützung sei die Entwicklung bei Fähren und Handelsschiffe schon weiter. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hingegen hat TUI Cruises im Januar wegen »Greenwashing« verklagt. Der Umweltschutzverein meint, dass selbst 2050 eine klimaneutrale Kreuzfahrt nicht möglich sei, da etwa grünes Methanol noch nicht »ansatzweise« verfügbar sein werde.

»Wohlfühlen« am Nachthimmel

Wann die »Mein Schiff 7« tatsächlich grün erzeugtes Methanol in ihre Tanks pumpen kann, kann auch die Reederei nicht vorhersehen. »Eine Prognose wäre unseriös«, sagt Wybcke Meier an Bord des Täuflings. Zurzeit sei die Verfügbarkeit gering, »aber wir gehen stark davon aus, dass die Nachfrage steigt«, und damit die Produktion.

Auch der Nabu hält dies für möglich, »wenn zusammengearbeitet wird«, sagt Diesener, die ganze Branche, die Treibstoffhersteller und die Politik sei gefragt . »Es fehlt an der finanziellen Absicherung vieler Projekte, die Kreuzfahrtbranche könnte hier als Abnehmer zur Sicherung beitragen.« Ohne E- und Bio-Treibstoffe werde Klimaneutralität auf hoher See nicht funktionieren.

Taufe der »Mein Schiff 7«: Schreib »Freiheit« in den Himmel oder auch »Ahoi Kiel«

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Foto: TUI Cruises

Alternative Treibstoffe benötigen Wybcke Meier und ihr Team auch für ihre weiteren Expansionspläne – dann allerdings erstmals das Flüssiggas LNG. Nach der »Mein Schiff 7« und sieben nahezu gleichen Neubauten will TUI Cruises Anfang 2025 die neue, deutlich größere »Intuition«-Schiffsklasse an den Start bringen, knapp 4000 Passagiere und Passagierinnen sollen Platz finden.

Sogar die zuweilen verwirrende Durchnummerierung wird einem echten Namen weichen: Mit »Mein Schiff Relax« und ihr für 2026 geplantes Schwesterschiff ist die italienische Werft Fincantieri beauftragt. In den Tanks: E- oder Bio-Flüssiggas – sofern denn verfügbar. Es gebe nicht den einen Treibstoff, erklärt Meier ihre Strategie, »es ist immer ein Vielklang. Wir benötigen die Verfügbarkeit der verschiedenen Treibstoffe an den unterschiedlichsten Orten dieser Welt, an denen unsere Schiffe im Einsatz sind.«

Die Taufe im deutschen Norden an einem der längsten Tage des Jahres verlief im Übrigen wie geplant, zumindest vor den Kulissen. Von seiner Warteposition in der Förde schob sich die »Mein Schiff 7« zu seiner Partyposition im Hafen, die Taufpatin und Umweltoffizierin Fenia Kalachan ließ per Fernbedienung Schampus an den Rumpf zerplatzen. Und TUI Cruises schrieb, begleitet von Feuerwerk und ihrer Hymne, per Laser etwa die Worte »Sternstunden«, »Reiselust«, »Genuss« und »Wohlfühlen« in den Nachthimmel: wie ein gigantisches Werbeplakat in der Luft.

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