Nach mehr als vier Tagen AfD-Parteitag hat man schon viele Varianten gehört, woran die EU Schuld ist: an Inflation und "Massenzuwanderung", an Zensur und "linksgrünem Totalitarismus". Es drängt sich umgekehrt die Frage auf: Woran ist die EU eigentlich nicht schuld? Das allerdings wollen die Kandidaten auf der AfD-Europawahlversammlung, wie der Parteitag in Magdeburg offiziell heißt, nicht thematisieren. Die Aspiranten auf einen aussichtsreichen Listenplatz für die Europawahl im Juni kommenden Jahres zeigen vielmehr, dass da immer noch was geht. Die EU ist hier "der Feind", ein "Monster, dem wir die Arme abschlagen müssen", EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsse in die "Zelle der Untersuchungshaft".
Die AfD stimmt an diesem Wochenende über ihre EU-Kandidaten ab, in der Verlängerung zum vergangenen Wochenende, als man in einem teils zähen Prozess die ersten 15 Listenplätze besetzt hatte. Gemessen an den bisherigen Umfragewerten um die 20 Prozent könnte die Partei mit etwa 20 Abgeordneten ins EU-Parlament einziehen - wenn sich diese Werte dann in Wahlergebnisse materialisieren.
Auskehren, abservieren, abrechnen
Bis Samstagnachmittag sind die ersten 20 Kandidaten gesetzt und es zeigt sich: Die bisherigen EU-Abgeordneten kehren die Delegierten weitgehend aus, von den elf im Jahr 2019 nach Straßburg gewählten AfD-Leuten schaffen es nur noch vier auf aussichtsreiche Listenplätze. Die damalige Truppe war noch unter Jörg Meuthen aufgestellt worden, der damalige Parteichef hatte einige seiner vergleichsweise gemäßigten Kandidaten untergebracht. Meuthen aber ist Anfang 2022 als Parteichef zurück- und aus der Partei ausgetreten, nun werden auch frühere Meuthen-Unterstützer wie der Abgeordnete Joachim Kuhs abserviert. Angeführt wird die Kandidatenliste von Maximilian Krah, einem Rechtsanwalt aus dem Landesverband Sachsen, der sich ausdrücklich gegen eine Mäßigung der in Teilen rechtsextremistischen Partei ausspricht.
Der Ablauf in Magdeburg gestaltet sich langwierig, allerdings deutlich geordneter als es auf früheren AfD-Parteitagen wie im sächsischen Riesa vergangenes Jahr der Fall war. Dort hatten sich die Delegierten auf offener Bühne zerstritten, die chaotische Versammlung war abgebrochen worden.
Einige AfD-Funktionäre, so ist in Magdeburg von Führungspersonen zu hören, haben daraus Konsequenzen gezogen und Vorabsprachen getroffen, um offene Auseinandersetzung und ein Niederstimmen von Kandidaten anderer Parteiströmungen zu vermeiden. "Wir haben in einem Netzwerk aus vor allem jungen Führungsleuten wie Münzenmaier, Hohloch und anderen die Listenaufstellung vorbereitet", sagte René Aust, AfD-Fraktionsvize im Thüringer Landtag, am Samstag der SZ. Sebastian Münzenmaier, 34, ist AfD-Fraktionsvize im Bundestag, Dennis Hohloch, 34, ist Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion in Brandenburg. Es gehe dieser Gruppe darum, "den Ablauf zu professionalisieren", sagte Aust. "Parteitage müssen Werbeveranstaltungen für uns sein."
Partei soll als bürgerlich dargestellt werden
Die Rechtsaußen-Partei ist dabei, die bisher oft heftigen internen Streitereien mit Hilfe interner Netzwerke einzudämmen. Die einst vom damaligen Parteichef Alexander Gauland vorgebrachte Entschuldigung vom "gärigen Haufen" AfD reicht offenbar nicht mehr, ein geordneter Ablauf auch von Parteiversammlungen soll nun dazu beitragen, die Partei als bürgerlich darzustellen und die guten Umfragewerte zu verfestigen. Dies fällt umso leichter, als die weit rechts stehenden früheren Flügel-Leute um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und seine Unterstützer sich auf dem Parteitag in Riesa durchgesetzt hatten.
Ganz geräuschlos läuft dies allerdings nicht ab. Die AfD-Europaabgeordnete Sylvia Limmer scheiterte mit ihrem Versuch, auf einen der vorderen Listenplätze zu kommen. "Mich haben auf Befehl die strammen Höcke-Kader kalt gestellt als Abrechnung dafür, dass ich mitgestimmt habe, Kalbitz aus der Partei zu werfen", rief sie den Delegierten zu. Die AfD-Mitgliedschaft des rechtsextremen damaligen Brandenburger AfD-Partei- und Fraktionschef Andreas Kalbitz war 2020 annulliert worden, weil er falsche Angaben beim Parteieintritt gemacht haben soll.
"Glückwunsch, Herr Höcke!", ätzte Limmer. Sie war bis zum Parteitag in Riesa Mitglied des AfD-Bundesvorstands gewesen. Nach dem Angriff auf Höcke zog sie Ihre Bewerbung für das Europaparlament zurück.
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