Neben den Asylbewerbern mit Bleibeperspektive sollen nach dem Willen der Union künftig auch erwerbsfähige Bezieher von Bürgergeld zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden, wenn sie nach sechs Monaten noch keinen eigenen Arbeitsplatz gefunden haben. Eine entsprechende Initiative hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann für das kommende Frühjahr, also vor den Wahlkämpfen des Jahres 2024, angekündigt. Energischen Widerspruch gibt es allerdings bereits jetzt – vor allem von den Grünen. Deren Koalitionspartner FDP signalisiert hingegen Unterstützung.
Linnemanns Plan sieht vor, dass Empfänger von Bürgergeld, die sechs Monate nach der ersten Zahlung noch keinen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, „einer gemeinnützigen Tätigkeit nachgehen“ müssten. „Wer dem nicht nachkommt, dem muss die Stütze deutlich gekürzt werden“, so der Christdemokrat in der „Bild am Sonntag“. Er begründete seinen Vorstoß mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Angesichts zahlreicher offener Stellen und geringer werdender Vermittlungserfolge der Arbeitsagenturen müsse jeder arbeitsfähige Sozialleistungsempfänger einen Job annehmen. „Und wer keine Arbeit findet, muss eine gemeinnützige Tätigkeit übernehmen.“
Eine Haltung, die auch der Präsident des Deutschen Landkreistages, Linnemanns Parteifreund Reinhold Sager, teilt. Nach seiner Einschätzung würde sowohl die von der Ministerpräsidentenkonferenz am vergangenen Freitag vorgeschlagene Arbeitspflicht für Asylbewerber mit Bleibeperspektive als auch eine entsprechende Verpflichtung erwerbsfähiger Bürgergeldbezieher dem Zusammenhalt der Gesellschaft nutzen. Allerdings sei es für die Kommunen „mühsam und aufwendig“, gemeinnützige Arbeitsverpflichtungen zu organisieren.
„Wir sind in den vergangenen Jahren zu weit weggekommen vom Fördern und Fordern“, so Sager zu WELT, „dies wieder zu ändern, wäre auch im Interesse all derjenigen, die täglich auch für relativ geringe Löhne ihrer Arbeit nachgehen“.
„Großer bürokratischer Aufwand vor Ort“
In der Ampel-Koalition gehen die Meinungen über den Vorstoß auseinander. Während die FDP Zustimmung signalisiert, lehnen SPD und Grüne insbesondere eine Verpflichtung zu gemeinnützigen Tätigkeiten ab. Andreas Audretsch, Vize-Fraktionschef der Grünen, verwies zur Begründung auf den „großen bürokratischen Aufwand vor Ort“, der mit einer solchen Verpflichtung verbunden sei. Um diese anzuordnen, was laut Sozialgesetzgebung bereits jetzt möglich sei, müssten zum Beispiel Kommunen zunächst nachweisen, dass mit diesen Tätigkeiten keine regulär bezahlten Jobs verdrängt würden.
„Beispiel Pflege von Parks – dafür gibt es Unternehmen, die zahlen echte Löhne“, so Audretsch. Es wäre absurd, diese Unternehmen nun vom Markt zu verdrängen, weil Herr Linnemann gerade einen populistischen Punkt landen will.“ Der arbeitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, bezeichnete Linnemanns Vorstoß als „Ladenhüter, der bei genauerem Hinsehen keines der Probleme löst“.
Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, verwies indes darauf, dass „gemeinnützige Arbeit für den Arbeitsmarkt wertvolle Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln“ könne. Dies sei auch „leitender Gedanke“ der sogenannten Ein-Euro-Jobs gewesen, „die leider unter CDU-Regierungen immer mehr in den Hintergrund getreten sind“. Für die FDP sei wichtig, dass Solidarität nicht zur Einbahnstraße werde. „Deshalb werden wir auch weiterhin das Prinzip von Mitwirkungspflichten und Sanktionen verteidigen.“ Aus- und Weiterbildung müssten aber Vorrang vor gemeinnütziger Beschäftigung haben.
Unterstützung für Linnemanns Vorstoß signalisierte auch die AfD-Fraktion. Deren arbeits- und sozialpolitischer Sprecher René Springer verwies darauf, dass sich seine Partei seit einem Jahr für eine „aktivierende Grundsicherung“ einsetze. Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte solle es nach einer Karenzzeit von sechs Monaten eine verpflichtende Bürgerarbeit im gemeinnützigen Bereich geben. „Wer sich der Pflicht zur Bürgerarbeit entzieht, soll statt Geldleistungen nur noch Sachleistungen erhalten. Bei Totalverweigerern werden die Sozialleistungen komplett gestrichen.“
Bürgergeld erhalten erwerbsfähige Menschen zwischen 15 und 67 Jahren, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen bestreiten können. Es beträgt derzeit 502 Euro für Alleinstehende und 902 Euro für Paare. Ab Januar 2024 erhöhen sich die Sätze auf 563 beziehungsweise 1012 Euro. Aktuell beziehen rund vier Millionen erwerbsfähige Menschen Bürgergeld.
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