Die Zahl der antisemitisch motivierten Vorfälle in Deutschland ist mit 2480 Fällen im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Der Bundesverband Rias registrierte allerdings so viele Fälle extremer Gewalt wie nie zuvor.
Ein Höchststand an Gewalttaten und zugleich weniger antisemitisch motivierte Vorfälle: Das geht aus einem Bericht für 2022 hervor, den der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) in Berlin vorgestellt hat.
Rias dokumentierte für das vergangene Jahr 2480 Einzelfälle, nach 2738 im Jahr davor. Mehr als die Hälfte der erfassten Vorfälle - 53 Prozent - seien keinem politischen Hintergrund klar zuzuordnen. 13 Prozent hätten einen rechtsextremen Hintergrund.
Neun Vorfälle extremer Gewalt
2022 ereigneten sich demnach neun Vorfälle extremer Gewalt, die potenziell tödlich hätten enden können. Darunter waren versuchte Brandanschläge auf jüdische Gemeinden und Schüsse auf ein Rabbinerhaus.
Dies sei die höchste Anzahl derartiger Fälle seit Beginn der bundesweiten Erfassung 2017, erklärte die Meldestelle. Außerdem wurden 186 Sachbeschädigungen gezählt sowie 56 Angriffe auf Menschen, die als Juden angesehen wurden. Zudem wurden 1912 Fälle "verletzenden Verhaltens" wie Äußerungen und Beschmierungen gezählt.
Anders als in der Kriminalstatistik werden in dem Bericht auch nicht strafbare antisemitische Vorfälle erfasst. Vor einem Jahr hatte Rias für 2021 noch einen starken Anstieg gemeldet, der damals auf Aktionen bei Corona-Protesten und anti-israelischen Demonstrationen zurückgeführt worden war.
Rias befürchtet eine hohe Dunkelziffer
"Antisemitische Gewalttaten wirken verunsichernd auf jüdische Communities in ganz Deutschland", erklärte der Verband. "Antisemitismus ist prägend für den Alltag von Betroffenen in allen Lebensbereichen." Rias geht von einer großen Dunkelziffer antisemitischer Vorfälle aus, die nie gemeldet oder registriert werden.
Auch sei die Zahl der Vorfälle statistisch nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung und lasse nicht darauf schließen, wie viele Menschen in Deutschland insgesamt antisemitisch dächten oder handelten, hieß es. "Ziel des vorliegenden Berichts ist es vor allem, die alltägliche Dimension von Antisemitismus in Deutschland zu verdeutlichen."
Rias: Bekämpfung von Judenhass keine "Teilzeitaufgabe"
Der geschäftsführende Vorstand des Rias-Bundesverbands, Benjamin Steinitz, forderte bei der Vorstellung des Berichts, dass die Bundesländer mögliche Sicherheitsmängel in jüdischen Gemeinden umgehend beheben müssten. Auch müsse die Bekämpfung von Judenhass längerfristig finanziert sein und dürfe nicht als "Teilzeitaufgabe" angesehen werden. Antisemitismus im Alltag führe dazu, dass Jüdinnen und Juden sich nicht als solche zu erkennen geben wollten oder sich aus Sozialen Netzwerken wegen Online-Hasses zurückzögen.
Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, betonte, dass Judenfeindschaft nicht verschwinde, bloß weil bestimmte Gelegenheiten, ihn auszudrücken, nicht mehr im Fokus stünden. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, teilte über Rias mit: "Wissen, wie und wo Antisemitismus auftritt, ist immer der Ausgangspunkt allen Engagements gegen Antisemitismus." Auch er forderte eine finanzielle Absicherung.
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