Nach der Entlassung von Energie-Staatssekretär Patrick Graichen durch Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) fordert die Union eine umfassende Offenlegung der Compliance-Strukturen des Ministeriums. Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagt WELT: „Wir wollen vom Wirtschaftsministerium den Aufbau des hausinternen Compliance-Management-Systems, die Compliance-Grundsätze sowie sämtliche damit verbundenen Richtlinien sehen.“
Ferner wolle die Union Nachweise, wann und in welchen Abständen insbesondere Graichen und die Führungsebene des Ministeriums an obligatorischen Compliance-Unterweisungen teilgenommen hätten und welche Präventionen sowie Schulungen gegen Compliance-Verstöße das Haus durchführe. Außerdem fordert Klöckner eine Mitteilung der „angeblich geplanten Nachschärfungen. Je nach Kooperationswilligkeit von Herrn Minister Habeck werden wir dies gegebenenfalls auch aus den anderen Häusern anfordern.“
Johannes Fechner, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, dringt auf eine strengere Prüfung der Regeleinhaltung des Ministeriumspersonals. „In den Ministerien gibt es bereits umfangreiche Compliance-Regeln, deren Anwendung aber schärfer kontrolliert werden muss. Prüfen sollten wir, ob es bei einer Versetzung in den Ruhestand volles Ruhegeld gibt, wenn die Versetzung wegen grobem Fehlverhaltens erfolgte“, sagte Fechner. „Es war der richtige Schritt, dass Minister Habeck seinen Staatssekretär Graichen entlassen hat. Damit ist die Sache geklärt.“
Die mitregierenden Liberalen sehen das anders: Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagt: „Wichtig ist, dass alle Fragen jetzt zügig geklärt werden und jeder Zweifel ausgeräumt wird. Dem dient auch die nächste Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Nur durch das Herstellen voller Transparenz und die Neubesetzung der Staatssekretärsposition kann die wichtige Arbeit an den anstehenden Problemen und Herausforderungen für Wirtschaft und Klimaschutz schnell weitergehen.“
Der Liberale fordert: „Im Sinne von Transparenz und Integrität ist es richtig, dass Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte und Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften angeben müssen. Diese Auskunftspflicht sollte auf politische Spitzenbeamte wie Staatssekretäre ausgeweitet werden.“
Die Grünen-Fraktion will sich auf WELT-Anfrage nicht zu Konsequenzen aus dem Fall Graichen für die Regeleinhaltung im Wirtschaftsministerium äußern. In der Kritik steht inzwischen auch ein weiterer Staatssekretär Habecks, Udo Philipp (Grüne). Er hält privat Anteile von vier neu gegründeten Unternehmen, ist aber zugleich im Wirtschaftsministerium auch für die Start-up-Förderung zuständig. Das Wirtschaftsministerium erklärte am Donnerstag, bei seiner Arbeit als Staatssekretär sei Philipp mit diesen Firmen nicht befasst, „insbesondere nicht mit Entscheidungen, von denen sie finanziell profitieren würden“.
Die AfD verlangt, dass in den einstweiligen Ruhestand versetzte Regierungsbeamte wie Graichen künftig kein Ruhegehalt mehr bekommen sollten. Für Stephan Brandner, den rechtspolitischen Sprecher der Fraktion, ist es „nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum entlassene politische Beamte lebenslang alimentiert werden“. Ansonsten gelte ja auch: „Job weg, Geld weg.“
Anders als der Lobbyismus-Kontroll-Verein Transparency International, der im Falle der Affäre rund um Graichen und die Klimaschutzorganisation Agora keinen Bedarf für einen Untersuchungsausschuss sieht, fordert Brandner einen solchen: „Selbstverständlich muss das umfassend untersucht werden, weshalb wir einen entsprechenden Antrag bereits eingereicht haben.“
Schlüsselfigur für Habecks Energiewende-Plan
Der entlassene Graichen gilt als Architekt der Energie- und Wärmewende im grün geführten Wirtschaftsministerium. Minister Habeck hatte am Mittwoch den Rückzug seines Staatssekretärs angekündigt, nachdem dieser in zwei nachweisbaren Fällen Privates und Berufliches nicht ausreichend getrennt hatte. Den Ausschlag gab die Vorentscheidung Graichens zu Fördermitteln in Höhe von 600.000 Euro für den Berliner Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND); seine Schwester Verena sitzt im BUND-Landesvorstand.
„In der Gesamtschau hat sich Patrick Graichen damit zu angreifbar gemacht, um sein Amt noch erfolgreich ausüben zu können“, hatte Habeck erklärt. Deswegen sei er mit Graichen am Dienstagabend in einem persönlichen Gespräch darin übereingekommen, „dass wir die gemeinsame Arbeit nicht fortsetzen“.
Der Rauswurf erfolgt nun inmitten der finalen Verhandlungen über das umstrittene Gebäude-Energie-Gesetz. Ab kommendem Jahr sollen kaum noch Öl- und Gasheizungen eingebaut werden dürfen. Die nach Einkommen gestaffelten Wärmepumpen-Förderungen sind aber noch auszuhandeln, ebenso Ausnahmen und Übergangsregelungen für die teilweise viele Zehntausende Euro teuren Umbaumaßnahmen. Eine Ministerpräsidentin sagte kürzlich in einem vertraulichen Gespräch mit Journalisten, in ihrem Bundesland würden derzeit „die Leute wie die Verrückten Gas- und Ölheizungen einbauen“.
Graichen selbst erhält nach seinem Rauswurf weiterhin ein hohes Gehalt. Laut „Business Insider“ dürften für drei Monate seine bisherigen Bezüge von etwa 15.000 Euro Grundgehalt plus wahrscheinlichem Familienzuschlag und einer Zulage für den Dienst in einem Bundesministerium weitgehend unangetastet bleiben. Im Anschluss dürfte Graichen laut dem Magazin jeden Monat rund 11.000 Euro zustehen. Und zwar so lange, wie er im Amt war. Bei 17 Monaten Amtszeit mache das zusammen etwa 187.000 Euro, plus mindestens 45.000 Euro für die ersten drei Monate – also insgesamt 232.000 Euro.
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