Die Debatte über die geplante Novelle des Gebäudeenergiegesetzes ist derzeit nicht nur von inhaltlichen Differenzen innerhalb der Bundesregierung geprägt, sondern auch von der Affäre um den mittlerweile in den einstweiligen Ruhestand versetzten Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen. Denn der enge Vertraute von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gilt als Architekt des geplanten Heizungsgesetzes, musste aber im Zuge einer Affäre um persönliche Verflechtungen seinen Posten aufgeben. Nachfolger soll der hessische Wirtschaftsstaatssekretär und Ökonom Philipp Nimmermann werden.
Inwiefern die Vorwürfe der Vetternwirtschaft, aber auch die Differenzen zwischen den Koalitionspartnern das Vorhaben der Wärmewende ausbremsen könnten, diesem Thema stellten sich die Gäste in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ am Montagabend unter der Fragestellung: „Grüner Filz bei Habeck: Ist die Energiewende in Gefahr?“
Es diskutierten Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sowie Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ebenfalls eingeladen waren der „Spiegel“-Journalist Markus Feldenkirchen und der Chefredakteur des Verbraucher-Ratgebers „Finanztip“, Hermann-Josef Tenhagen.
Den Zuschauern bot sich eine Debatte, die sich wiederholt in Wortgefechten einzelner Gäste verlor. Zunächst nutzte CDU-Politikerin Julia Klöckner die Sendung, um gegen das geplante Gesetz auszuteilen. Aus Klöckners Sicht haben die Grünen „ein grünes Netzwerk“ geschaffen, das „so dogmatisch ist, dass selbst Wissenschaftler keine Chance mehr haben, Berechnungen hineinzubringen“.
„Die Leute sind massiv verunsichert“
Das Gebäudeenergiegesetz ist nach Einschätzung Klöckners zudem nicht ausreichend technologieoffen. Die CDU-Politikerin sprach sich etwa für den Einsatz von Biomasse und Pellets aus, die im derzeitigen Entwurf aber„quasi verboten sind“. Ihre Kritik richtete die Bundestagsabgeordnete auch an die Ampel-Koalition allgemein: „Sie haben sich Fortschrittskoalition genannt – wenn ich so eine Fortschrittskoalition sehe, dann wünsche ich mir die alte zurück“, so Klöckner.
Sich selbst positionierte Klöckner als „Anwältin der vielen Bürgerinnen und Bürger, die Angst haben, dass ihr Eigentum weniger wert sein wird. Was ist denn passiert da draußen in Deutschland? Die Leute sind massiv verunsichert.“ Die Verunsicherung, die das Gesetz bei den Bürgern verursacht habe, bringe nur einer Partei was, so Klöckner, „und das ist die AfD“.
Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt verwehrte sich gegen diese Vorwürfe. So habe die CDU selbst dazu beigetragen, dass man immer noch von fossilen Energien abhängig sei. Darauf wiederum reagierte Klöckner unwirsch: „Ach, Frau Göring-Eckardt, kommen Sie doch mal aus der alten Leier raus!“
Dabei zeigte sich Göring-Eckardt sogar stellenweise einsichtig. Sie räumte ein, dass bei der Kommunikation über das Gesetz Fehler gemacht worden seien. „Die Leute brauchen jetzt Klarheit.“ Das geplante Gesetz sei jedoch sehr wohl technologieoffen, so Göring-Eckardt weiter – und fügte hinzu: „Ja, Frau Klöckner, bevor Sie jetzt wieder Schnappatmung kriegen – es steht drin.“ 65 Prozent erneuerbare Energien geben nicht explizit vor, „wie das technologisch erreicht werden kann“, präzisierte die Grünen-Politikerin.
Auch gegen Kritik vonseiten des liberalen Koalitionspartners verwehrte sich Göring-Eckardt. Viele Änderungen, die die FDP fordere, seien bereits im Gesetzentwurf festgehalten worden. „Wenn man so ein großes Projekt stemmen will und muss und soll, das dreimal verabredet hat – im Koalitionsvertrag, in der Koalitionsrunde und im Kabinett – dann kann und muss der Wirtschaftsminister davon ausgehen, dass das jetzt auch so kommt.“
„Es braucht ein neues Gebäudeenergiegesetz“
Der FDP-Politiker Christian Dürr bekräftigte dagegen die Forderungen der FDP nach einer Überarbeitung des Gesetzes. Dürr kündigte an, dass man das Gesetz im parlamentarischen Verfahren anpassen werde. So sprach sich Dürr etwa entschieden gegen eine soziale Staffelung der Förderungsgelder aus, die die Grünen und die SPD befürworten, und betonte abermals: „Es braucht ein neues Gebäudeenergiegesetz.“
Mit der derzeitigen Fassung falle die Finanzierung den privaten Haushalten auf die Füße, da sie ihre Häuser umbauen müssten. „Die Heizung muss zum Haus passen und nicht umgekehrt“, sagte Dürr. Im Rahmen der Technologieoffenheit könne das Gasnetz etwa mit grünem Wasserstoff betrieben werden, schlug der FDP-Politiker vor.
„Technisch geht das, aber das herzustellen in diesen Mengen ist nirgendwo am Horizont“, entgegnete der Tenhagen. Auch Feldenkirchen widersprach: „Es kommt mir ein bisschen so vor, als würden Sie Klimapolitik machen, indem sie sagen: ‚Ja, das können wir uns überlegen. Aber was ist, wenn in zehn Jahren die honiggelbe Klimafee kommt und die hext uns das Klima wieder zwei Grad runter? Dann brauchen wir das alles nicht‘.“
Feldenkirchens Kritik richtete sich jedoch nicht nur an die FDP: „Schuld an der späten und deshalb drängenden Wärmewende sind hier alle am Tisch“, sagte der Journalist. Dazu zähle die Union, aber auch der Journalismus, der nicht ausreichend auf den Klimaschutz aufmerksam gemacht habe. Der „Oppositionspartner FDP“ habe zudem scheinbar „eine diebische Freude daran, den Klimaschutz auf die lange Bank zu schieben“, so Feldenkirchen weiter.
Trotz aller Kritik am Gebäudeenergiegesetz zeigte sich die Grünen-Politikerin Göring-Eckardt optimistisch, dass das Gesetz, das derzeit im parlamentarischen Verfahren geprüft werde, bis zur Sommerpause fertig werde – „auch wenn es ein paar Nachtschichten kostet“. Daran ändere die Graichen-Affäre auch erst mal nichts, so Göring-Eckart.
Es ergebe nun „wenig Sinn, sich jetzt noch im Nachgang weiter damit zu beschäftigen“, befand Göring-Eckart. Schließlich sei nun ein neuer Staatssekretär eingestellt worden – „und das Wirtschaftsministerium schaut wie im Moment kein anderes, dass die Transparenzregeln eingehalten werden“, beteuerte die Grünen-Politikerin.
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