Stand: 17.04.2023 04:46 Uhr
Die deutschen AKW sind aus, doch Ministerpräsident Söder will Isar 2 in Landesverantwortung weiterbetreiben. Viel Kritik bekommt er dafür - auch vom Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung. Söder erhält aber auch Unterstützung.
Mit seiner Forderung an den Bund, rechtliche Voraussetzungen für einen möglichen Weiterbetrieb des am Wochenende abgeschalteten Atomkraftwerk Isar 2 in Landesverantwortung zu schaffen, ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auf breite Ablehnung gestoßen. Politiker die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP sowie Vertreter der Linkspartei wiesen den Vorstoß des CSU-Chefs ebenso zurück wie der Präsident des Bundesamts für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE). Unterstützung kam lediglich von der CDU.
"Es ist geradezu bedrückend, wie ein Ministerpräsident genehmigungs- und verfassungsrechtliche Fragen und Aspekte der nuklearen Sicherheit so leichtfertig ignoriert", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke der "Süddeutschen Zeitung". "Die Zuständigkeit für die Atomkraft liegt nach dem Grundgesetz beim Bund. Deshalb können die Länder die Überwachung der Atomkraftwerke lediglich in Bundesauftrag vornehmen." Die Grünen-Politikerin ergänzte: "Selbst wenn man den Reaktor, wie Herr Söder es offensichtlich will, wieder ans Netz bringen möchte, reicht es dazu nicht, ihm eine neue Laufzeit rechtlich einzuräumen. Es bedürfte quasi einer Neugenehmigung des Reaktors."
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machte in der "Rheinischen Post" zwar deutlich, dass die FDP Sympathie für einen längeren AKW-Betrieb habe. Er sagte in Richtung Söder allerdings auch: "Bis ein Gesetz zur Föderalisierung der Stromerzeugung aus Kernenergie beschlossen wäre, hätte er seine Meinung vermutlich wieder geändert." Als bayerischer Umweltminister habe Söder den Atomausstieg noch vorangetrieben. FDP-Vize Johannes Vogel äußerte sich ähnlich. "Markus Söder wechselt seine Positionen ja wie Unterhosen", sagte Vogel in der ARD-Sendung Anne Will.
"Mit Zickzack-Kurs macht man sich unglaubwürdig"
Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte, dass Söder nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima noch mit Rücktritt gedroht habe, wenn die Koalition an der Atomkraft festhalte. "Jetzt fordert er das Gegenteil. Mit so einem Zickzack-Kurs macht man sich unglaubwürdig", sagte sie der "Rheinischen Post".
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kritisierte Söders Idee: "Wer die Zuständigkeit für den Betrieb von AKW in Landeshoheit überleiten will, der muss dann auch alleine die Endlagerung in seinem Bundesland absichern" schrieb Ramelow bei Twitter.
Auch das Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) hatte gestern die bayerische Forderung kritisiert, abgeschaltete Atomkraftwerke in Landesverantwortung weiterzubetreiben. Söders Forderungen unterstrichen, "wie wichtig es ist, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liegt", sagte Präsident Wolfram König der Nachrichtenagentur dpa. "Bundestag und alle Bundesländer einschließlich Bayern haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht." Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.
Söder für AKW-Weiterbetrieb in Länderregie
Die letzten drei verbliebenen deutschen AKW waren am späten Samstagabend abgeschaltet worden, darunter Isar 2 in Bayern. Söder erneuerte in der "Bild am Sonntag" seien Forderung, das Atomgesetz noch einmal zu ändern und den Ländern die Zuständigkeit zu geben, damit der Meiler in eigener Regie weiterbetreiben kann. "Solange die Krise nicht beendet und der Übergang zu den Erneuerbaren nicht gelungen ist, müssen wir bis zum Ende des Jahrzehnts jede Form von Energie nutzen", sagte Söder. Bayern wolle zudem als Vorreiter in die Forschung zur Kernfusion einsteigen. Söder sprach sich für den Bau eines eigenen Forschungsreaktors aus - "gerne in Zusammenarbeit mit anderen Ländern".
Unterstützung erhielt er für seinen Vorstoß lediglich von der CDU. Unionsfraktionsvize Jens Spahn schrieb auf Twitter, es brauche jetzt pragmatische Lösungen. "Wenn Bayern bereit ist, die politische und fachliche Verantwortung für den Weiterbetrieb zu übernehmen, sollte der Bund dies ermöglichen", betonte er. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, sagte der "Rheinischen Post", die Kernenergie aufzugeben, sei eine Fehlentscheidung. "Es ist deshalb richtig und Ausdruck seiner Verantwortung als Ministerpräsident, wenn Markus Söder alle Möglichkeiten in Betracht zieht, um diesen groben Fehler doch noch abzuwenden."
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