Der Bundestag soll bereits am Freitag die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition beschließen. SPD, Grüne und FDP hatten sich erst am Wochenende auf weitreichende Änderungen an dem Gesetzentwurf geeinigt. Nach Angaben der Bundestags-Pressestelle vom Dienstag wurde die Abstimmung nun für Freitagmorgen auf die Tagesordnung gesetzt.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach sich dafür aus, die Pläne vom Verfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen zu lassen. Die Pläne beträfen ausdrücklich die Opposition im Bundestag, „die Ampel schnitzt sich also ein Wahlrecht“, kritisierte Dobrindt am Dienstag in Berlin.
Man teile zwar das Ziel der Verkleinerung des Bundestags. Das Mittel der Ampel dazu sei aber „schlichtweg respektlos und unfair und muss deswegen aus unserer Sicht vom Verfassungsgericht überprüft werden“, sagte Dobrindt. Zugleich bleibe die Union aber gesprächsbereit.
Im Ergebnis entstehe mit dem Vorgehen der Ampel ein Schaden für die demokratische Kultur und die Zusammenarbeit der Parteien im Bundestag, kritisierte Dobrindt. Zudem werde dies erheblich zur Politikverdrossenheit beitragen. Es sei nicht erklärbar, dass man zu einer Wahl aufrufe, der Gewinner aber am Ende nicht in den Bundestag einziehe.
Ein Streichen der Grundmandatsklausel sei eine Gefährdung des Bundesstaatsprinzips und eine Missachtung des Föderalismusprinzips, das sich im Grundgesetz wiederfinde. Die Grundmandatsklausel sei „essenzieller Bestandteil eines föderalen Prinzips“, ohne die die CSU den Plänen nicht zustimmen werde.
Die Ampel-Pläne sehen eine Verkleinerung des Bundestags von 736 auf dauerhaft 630 Abgeordnete nach der nächsten Wahl 2025 vor. Neben den Überhang- und Ausgleichsmandaten wird die sogenannte Grundmandatsklausel gestrichen, nach der Parteien auch dann in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen können, wenn sie weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten. Sie müssen dafür mindestens drei Direktmandate über die Erststimmen gewinnen.
Davon profitiert in der aktuellen Legislaturperiode die Linkspartei, die nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erhielt und dennoch im Bundestag vertreten ist. Auch die CSU, die nur in Bayern antritt und bei der vergangenen Bundestagswahl einen Zweistimmenanteil von 5,2 Prozent erreichte, könnte auf die Klausel angewiesen sein, wenn sie bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhält.
Bartsch: „Brutaler Angriff auf die Linke“
Der Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete die geplante Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition als „brutalen Angriff auf die Linke“ und kündigte eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an. „Man will damit linke Kritik an der Ampel, insbesondere Rot-Grün wollen das, verhindern“, sagte Bartsch am Dienstag den Sendern RTL/ntv.
Die Grundmandatsklausel sei vor drei Wochen noch im Gesetzentwurf enthalten gewesen, plötzlich sei sie gestrichen worden, sagte Bartsch. Das sei ein brutaler Angriff, dagegen werde man sich wehren. „Ich sage ganz klar: Da werden wir auch das Bundesverfassungsgericht bemühen.“ Man werde alles versuchen, dass dieses Gesetz so nicht Realität werde – letztlich sei das ein Angriff auf die Demokratie.
Mützenich fürchtet Klagen gegen Grundmandatsklausel
FDP-Fraktionschef Christian Dürr wehrte gegen die scharfe Kritik vor allem aus der Union. Der überarbeitete Gesetzentwurf der Koalition sehe eine Begrenzung auf 630 Abgeordnete statt wie zuvor 598 vor – das sei ein „deutlicher Schritt in Richtung Union“, sagte Dürr. Er würde sich wünschen, „dass auch die Union sich bewegt. Immer nur Nein sagen, ist keine Option beim Wahlrecht.“
Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verteidigte die Pläne der Ampel. In einem Brief an die sozialdemokratischen Abgeordneten im Bundestag wirft er der Union vor, eine Reform des Wahlrechts in den vergangenen Legislaturperioden blockiert zu haben.
„Heute haben wir die Möglichkeit, den entscheidenden Schritt zu machen, ohne von den Interessen einer Partei aufgehalten zu werden, die nur in einem Bundesland zur Wahl steht“, heißt es in dem Schreiben weiter – eine Ansage in Richtung CSU. Parteichef Markus Söder hatte bereits damit gedroht, die Reform vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anzufechten.
Mützenich begründete die Streichung der Grundmandatsklausel mit möglichen Klagen dagegen. „Die öffentliche Anhörung hat gezeigt, dass die Grundmandatsklausel heute schon ein Element ist, das weder verfassungs- noch wahlrechtlich begründbar ist“, schreibt er an die SPD-Abgeordneten. „Sie stellt einen Systembruch dar, da sie den falschen Eindruck einer Personenwahl vermittelt, obwohl die Bundestagswahl eine Verhältniswahl ist. Im neuen Wahlsystem fällt dies noch schwerer ins Gewicht und kann als Einfallstor für eine erfolgreiche Klage gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht dienen.“
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