Die Mohrenstraße darf umbenannt werden. Das Berliner Verwaltungsgericht wies am Donnerstag die Klagen von Anwohnern ab, die dies verhindern wollten. „Warum benötigt man überhaupt Straßennamen?“, begann Verwaltungsrichter Wilfried Peters am Donnerstag seine Erörterung zur Mohrenstraße. Sieben Anwohner, darunter der prominente Historiker Götz Aly, wollten die Umbenennung der Straße in Mitte per Klage verhindern. Ihr zentrales Argument: Das Bezirksamt habe sie nicht ausreichend an dem Verfahren beteiligt, die Kläger sprachen von „Willkür“. Das Gericht positionierte sich allerdings aufseiten des Bezirkes, dem der Richter ein „weites Ermessen“ zusprach.
Bei Straßennamen stünde das öffentliche Interesse im Mittelpunkt, argumentierte der Richter. Die Anliegen privater Personen seien dabei weniger relevant. Daher seien die Möglichkeiten des Verwaltungsgerichtes in dem Fall „nur begrenzt“. Zwar sprach er den Klägern zu, dass der Wunsch nach einer stärkeren Einbeziehung durchaus nachvollziehbar sei – rechtlich sah er jedoch nichts am Vorgehen des Bezirksamtes zu beanstanden.
Wilfried Peters positionierte sich auch inhaltlich. Dem Argument der Kläger, wonach der Begriff „Mohr“ nicht rassistisch, sondern vielmehr „wertschätzend“ gemeint sei, hielt der Richter entgegen: „Es ist nicht völlig abwegig zu sagen, dass die sprachliche Wahrnehmung sich geändert hat und der Begriff in einem wesentlichen Teil der Gesellschaft mindestens nicht mehr als zeitgemäß angesehen wird.“ Allerdings stehe die politisch-gesellschaftliche Debatte nicht im Fokus des Verfahrens, sagte Peters weiter.
Straßenumbenennungen haben immer etwas Totalitäres.
Götz Aly, Historiker
Zentral für ihn sei, dass „uns das Gespräch und die Mitwirkung in der Frage verweigert wurde, und zwar absichtlich“, sagte Götz Aly dem Tagesspiegel vor Prozessbeginn. Er und die anderen Kläger seien „nicht prinzipiell gegen Umbenennungen“, betonte er und lobte etwa das Verfahren zur Umbenennung der Neuköllner Wissmannstraße. „Da gab es einen öffentlichen Prozess, jeder konnte Vorschläge machen“, sagt Aly und ergänzt: „Das ist der Grund unserer Klage, dass man erstmal mit uns spricht – und dazu ist das Bezirksamt heute gezwungen.“ In seinem Fall sei wohl nicht einmal sein Widerspruch gegen die Umbenennung gelesen worden, sagte Aly.
Zudem gebe es aus seiner Sicht keinen Grund, die Straße umzubenennen: „Das ist kein diskriminierender Begriff“, sagte er. Vielmehr sei der Name damals „wertschätzend gemeint“ gewesen. „Das Wort ist heute nicht mehr gebräuchlich, es wurde nie als Schimpfwort verwendet“, so Aly.
Als „alte heterosexuelle weiße Männer“ betitelt
Er verglich die Mohrenstraße mit anderen Straßennamen wie der Jüden- und Französischen Straße, die ebenfalls nach Bevölkerungsgruppen benannt worden seien. Zudem sei die Debatte heuchlerisch: Über Straßennamen wie jenen der Bismarckallee würde nicht diskutiert. „Straßenumbenennungen haben immer etwas Totalitäres“, sagte Aly weiter und zog Parallelen zur NS-Zeit und zur DDR. „Man kann Straßen gelegentlich umbenennen, aber man sollte nicht inflationieren.“
In seiner Stellungnahme vor Gericht erklärte Aly, dass er und die anderen Kläger stets als „alte heterosexuelle weiße Männer“ betitelt und offenbar nicht ernst genommen würden. Ein weiterer Kläger sprach von einer „Cancel Culture“ und unterstellte dem Bezirksamt, die Initiativen für die Umbenennung finanziell unterstützt zu haben.
Im Bezirksamt wiederum sei man sich keines Fehlers bewusst, sagte der Bevollmächtigte. Für ihn sei die Umbenennung „ein Ausdruck repräsentativer Demokratie“: Die Bezirksverordnetenversammlung habe den Beschluss gefasst und sei zuvor „auch von den Anwohnern der Mohrenstraße gewählt worden“. Zudem habe es unter anderem eine digitale Infoveranstaltung und umfangreiche Informationen auf der Webseite gegeben.
Dass die Straße in Mitte zukünftig anders heißen soll, hatte das Bezirksamt im März 2021 so begründet: „Der Straßenname verkörpert die rassistische und diskriminierende Bedeutung des Begriffes ,Mohr‘ und steht daher im Zusammenhang mit kolonialistischen Ideologien und Sklaverei.“ Stattdessen soll Anton Wilhelm Amo, der erste Gelehrte afrikanischer Herkunft an einer preußischen Universität, geehrt werden. Bereits im August 2020 hatte die Bezirksverordnetenversammlung den Namenswechsel empfohlen.
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