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Erster AfD-Landrat gewählt: Parteien geben sich gegenseitig die Schuld für Sesselmann-Sieg - Tagesspiegel

Am Abend bevor im Landkreis Sonneberg in Thüringen der erste Landrat der AfD gewählt wird, twittert der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD): „Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit sind unsere Werte. Dafür treten wir ein. Dafür kämpfen wir. Gerade jetzt.“

Doch in Sonneberg hat selbst der Zusammenschluss aller demokratischen Parteien nicht gereicht, um den AfD-Landtagsabgeordneten Robert Sesselmann als Landrat zu verhindern. Am Sonntagabend hat er die Stichwahl gegen den CDU-Mann Jürgen Köpper deutlich gewonnen, 52,8 Prozent der Stimmen konnte er auf sich vereinen, bei einer Wahlbeteiligung von 58,2 Prozent.

„Das Ergebnis bestürzt mich“, sagte die Bundestagsvizepräsidentin und Thüringerin, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), dem Tagesspiegel, „ich bin zugleich allen dankbar, die weiter für ein offenes und demokratisches Sonneberg kämpfen“.

Grüne geben Union die Schuld, Union gibt Ampel die Schuld

Der Thüringer Landesverband der AfD gilt seit zwei Jahren laut Verfassungsschutz als „erwiesen“ rechtsextrem, Landeschef Björn Höcke darf man laut Gerichtsurteil unter Umständen „Faschist“ nennen, weil die Bezeichnung „auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage“ beruhe.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bezeichnete den AfD-Wahlerfolg als Signal der Unzufriedenheit. Die Sonneberger hätten für sich entschieden, „ein Signal an die ganze Republik zu senden, dass ihnen viele Dinge nicht gefallen“, sagte Ramelow am Sonntagabend im ZDF.

Es sei eine demokratische Wahl gewesen. Er habe das zur Kenntnis zu nehmen, sagte Ramelow. „Ich glaube, wir müssen den Geist der deutschen Einheit neu definieren, dass wir die Ostdeutschen mitnehmen und nicht das Gefühl auslösen, dass über sie gelacht wird oder über sie nur geredet wird“, fuhr er fort.

Göring-Eckardt sieht einen Teil der Verantwortung für das Ergebnis bei der CDU. „Wenn Teile der Union einen Kulturkampf ausrufen, muss man sich nicht wundern, wenn dieser Kampf von rechts angenommen wird. Aus meiner Sicht sollten wir für eine gemeinsame demokratische Kultur kämpfen“, mahnte sie. Sie erwarte von der Union in Thüringen, dass sie „nicht weiter der AfD hinterherläuft“. „Denn dann muss man sich nicht wundern, dass das Original gewählt wird“.

Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt: Will „gemeinsame demokratische Kultur“
Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt: Will „gemeinsame demokratische Kultur“
© dpa/Wolfgang Kumm

Sonneberg ist ein kleiner Landkreis, etwa 56.800 Menschen leben hier, davon sind rund 48.000 wahlberechtigt. Die AfD hatte dennoch vor allem mit bundespolitischen Themen Wahlkampf gemacht, sie plakatierte zum Beispiel „Raus aus dem Euro“, „Landschaft statt Windparks“, oder „Diesel retten!“. Eine strategische Entscheidung, sagte Sesselmann, lokale Themen würden weniger Menschen interessieren.

Der Generalsekretär der CDU, Mario Czaja, machte auf Twitter die Politik der Ampel-Koalition für das Ergebnis verantwortlich. „Am Ende war der Wahlkampf vor Ort deutlich von bundespolitischen Themen überlagert, für die die Bundesregierung in der Verantwortung steht“, schrieb er.

Göring-Eckardt mahnt vor Überhöhung der AfD - FDP warnt vor Standortnachteilen

Seit einigen Monaten erlebt die AfD in Umfragen bundesweit einen Höhenflug. Zuletzt lag sie gleichauf mit der SPD bei 20 Prozent der Stimmen. Laut einer Umfrage der „Bild am Sonntag“ beunruhigten diese Umfrageergebnisse eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. Demnach gaben 61 Prozent der Befragten an, dass ihnen eine mögliche Regierungsbeteiligung der AfD Angst mache.

Trotz der Umfrageergebnisse und des Ergebnisses in Sonneberg warnte Göring-Eckardt davor, die AfD als erfolgreicher zu beschreiben als sie ist. „Das war ein Warnschuss. Gleichzeitig sollten wir nicht so tun, als gäbe es eine Mehrheit für die AfD in Thüringen, Ostdeutschland oder in Deutschland. Das wäre falsch“, sagte sie.

Die FDP befürchtet nun wirtschaftliche Konsequenzen für den Landkreis, der traditionell eine starke Industrie hat. „Es ist ein äußerst bitteres Wahlergebnis“, sagt auch der FDP-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, Torsten Herbst. Er befürchte einen „handfesten Standortnachteil für den Landkreis Sonneberg“. „Sowohl das Image als auch die Beziehungen zu politischen Entscheidungsträgern nehmen dadurch schweren Schaden“, sagte Herbst.

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