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Berliner Türken nach der Erdogan-Wahl: „Cem Özdemir ist mir unsympathisch“ - Berliner Zeitung

Der alte Präsident ist der neue: Erdogan hat die Wahl in der Türkei nochmals gewonnen. Unsere Reporter haben Türken in Berlin gefragt, wie sie das finden.

Emine Menelize (82) lebt mit ihrer Familie seit Jahrzehnten in Berlin und ist mit dem Wahlergebnis zufrieden.

Emine Menelize (82) lebt mit ihrer Familie seit Jahrzehnten in Berlin und ist mit dem Wahlergebnis zufrieden.Emanuele Contini/Berliner Zeitung

Zwar ist das Endergebnis knapp ausgefallen, aber Recep Tayyip Erdogan hat es erneut geschafft, er hat die Wahl gewonnen. Seine Regierung ist seit zwanzig Jahren an der Macht in der Türkei. Bei dieser Wahl bekam er 52,1 Prozent der Stimmen, sein politischer Gegner Kemal Kilicdaroglu 47,9 Prozent. Unter den Berliner Wählern führte Erdogan noch knapper: 51,46 Prozent gegenüber 48,54 Prozent für Kilicdaroglu.

Göksel A. (67) trinkt gerade einen türkischen Kaffee am Kottbusser Tor und schmunzelt leicht. Seit fünfzig Jahren lebt er in Deutschland und mag es hier auch, „ziemlich“. Dasselbe würde er aber nicht über den türkischen Präsidenten sagen: „Er ist ein Diktator, er hat die Polizei und das Militär unter Kontrolle.“ Er vermutet außerdem, Erdogan habe bei der Wahl geschummelt. Göksel hat für den Oppositionsleader Kilicdaroglu gestimmt, auch wenn er eigentlich kein Anhänger der Linken sei. „Ich musste gegen Erdogan stimmen.“

Wie frei ist die Türkei?

Doch Göksel A. ist eher die Ausnahme: Nur wenige Menschen zwischen Kreuzberg und Neukölln reden überhaupt über die türkische Politik. Manche haben kein Interesse an Politik, andere wollen anonym bleiben. Laut Göksel liegt es auch daran, dass in der Türkei soziale Medien von der Polizei kontrolliert werden. Sein Freund Fikrit M. (60) unterbricht: „Wenn man sich vernünftig verhält, hat man keine Probleme.“

Fikrit hat Erdogan gewählt, und das von Anfang an. „Ich bin mit ihm zufrieden“, sagt er. Er erinnert sich an die Zeit vor Erdogan und beschreibt die Türkei als ein in Armut gestürztes Land. Erdogan habe ein Leben für die 85 Millionen Einwohner geschaffen, das besser sei als das in Europa. Göksel lacht dazwischen, er ist damit nicht einverstanden. „Ich weiß noch, wie die Menschen gelebt haben, als Erdogan Anfang 2000 gekommen ist“, sagt Fikrit. „Man konnte keine Medikamente finden und es gab keine Krankenhäuser. Wir hatten nichts, jetzt haben wir alles.“

Zeyneb (18) und ihre Mutter sind mit ihrer kleinen Schwester im Kinderwagen unterwegs. Sie sagt, das sowohl sie als auch ihre Mutter für Erdogan gestimmt haben: „Na klar sind wir froh, das war doch eine gute Entscheidung!“ Ihrer Meinung nach waren die meisten Leute nur für Kilicdaroglu, weil sie nicht Erdogan unterstützen wollten. „Niemand hat doch wirklich daran gedacht, was passiert, wenn der andere Kandidat jetzt Präsident wird.“

Leben in der Türkei vor und nach Erdogan

Erdogan habe dazu beigetragen, dass Mädchen wie sie mit Kopftuch zur Schule gehen können. Er habe somit den in der Türkei lebenden Muslima etwas Freiheit verschafft. Vor Erdogan hätten viele ihrer Familienmitglieder gelitten, weil sie Moslems waren. „Es war traurig zu sehen, dass eine Familie nur wegen ihrer Religion so behandelt wird.“ Zu Cem Özdemir sagt sie nur: „Ich mag diesen Mann gar nicht, sehr unsympathisch.“

Der Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte nach den Wahlen auf Twitter die Entscheidung der deutschen Türken stark kritisiert: „Mich interessiert, was in Deutschland los ist, wo die Anhänger von Erdogan feiern, ohne für die Folgen ihrer Wahl einstehen zu müssen. Das müssen viele Menschen in der Türkei durch Armut und Unfreiheit“, schrieb er und bezeichnete das Land als „offenes Gefängnis“.

Emine Menelize macht eine kurze Verschnaufpause nach dem Einkaufen.

Emine Menelize macht eine kurze Verschnaufpause nach dem Einkaufen.Emanuele Contini/ Berliner Zeitung

Auf einer Bank in der Oranienstraße sitzt Emine Menelize, sie trägt ein blaues Kopftuch. Die 82-jährige Türkin hat nicht gewählt, sie sei jedoch glücklich über den Ausgang der Wahlen in der Türkei: „Diese andere Partei macht gar keine richtige Politik, warum sollte Erdogan nicht gewinnen?“ Emine sieht die Freiheit unter Erdogan nicht beschränkt. „Dieser Mann ist ganz ruhig, er kommt gut an!“

In einem Dönerladen am Moritzplatz will niemand über die Wahl sprechen: „Hier gibt’s Döner und keine Politik oder Religion“, sagt der Betreiber. Caner M. deckt gerade die Tische vor seinem Restaurant. „Einer schlimmer als der andere“, sagt er über die Präsidentschaftskandidaten in der Türkei. „Dort ist Politik einfach eine große Lüge, das interessiert mich nicht.“

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