Nach rund neun Monaten Haft ist der Gründer und Organisator der Querdenken-Bewegung, Michael Ballweg, unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Zur Begründung teilte das Oberlandesgericht Stuttgart am Dienstag mit, dass sich die Fluchtgefahr verringert habe – durch das Verhältnis der langen Dauer der U-Haft zu dem erwartenden Strafurteil. Der Zweck der Untersuchungshaft könne nun durch mildere Mittel erreicht werden. Ballweg steht unter Betrugsverdacht.
Der 48-Jährige muss als Auflage eine unwiderrufliche Ladungsvollmacht zweier im Inland ansässiger und zustellungsbevollmächtigter Personen erbringen. Das bedeutet, er muss die Adressen von zwei Personen mitteilen, über die er zuverlässig erreicht und auch zum Prozess geladen werden kann. Ballweg saß seit Ende Juni 2022 in Untersuchungshaft.
Vorwürfe heruntergestuft
Die Staatsanwaltschaft hatte erst kürzlich wegen versuchten Betrugs und Geldwäsche Anklage gegen Ballweg vor dem Landgericht Stuttgart erhoben. Ihm wird laut Anklage vorgeworfen, spätestens seit Mai 2020 durch öffentliche Aufrufe von mehreren tausend Personen finanzielle Zuwendungen für die Organisation „Querdenken 711“ im Umfang von mehr als einer Million Euro eingeworben zu haben. Er soll die Spender über die Verwendung der Gelder getäuscht haben. Außerdem darüber, dass er an der Anerkennung der Gemeinnützigkeit von „Querdenken 711“ durch das Finanzamt in Form eines Vereins oder einer Stiftung arbeite. Es geht laut Anwalt um versuchten Betrug in 9450 Fällen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll Ballweg über 500.000 Euro für eigene Zwecke genutzt haben. Die Herunterstufung der Vorwürfe von Betrug auf versuchten Betrug wird wie folgt begründet: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die von ihm für private Zwecke genutzten Gelder von denjenigen Unterstützern stammten, die zumindest auch mit einer entsprechenden Handhabung einverstanden gewesen seien.
Ballwegs Anwälte hatten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft immer wieder zurückgewiesen und die Entlassung des 48-Jährigen aus der Untersuchungshaft gefordert. Über die Zulassung der Anklage hat die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts noch nicht entschieden.
Die „Querdenken“-Bewegung hatte sich im Zuge der Corona-Pandemie von Stuttgart aus in vielen deutschen Städten formiert. Die Anhänger demonstrierten immer wieder öffentlich gegen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Dabei gab es auch Angriffe auf Polizisten und Medienvertreter. Der Verfassungsschutz beobachtet die Szene wegen verfassungsfeindlicher Ansichten, Verschwörungsideologien und antisemitischer Tendenzen.
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