Umweltkatastrophe in Brandenburg - Was mit den toten Fischen aus der Oder passiert und was bisher noch bekannt ist
In der Oder treiben tausende tote Fische. Die Umweltschäden sind massiv, die Folgen nicht absehbar. Wasserproben haben einen ungewöhnlich hohen Salzgehalt ergeben. Doch das ist wohl nicht die einzige Ursache. Was bisher bekannt ist - und was nicht.
Was ist passiert?
Seit Anfang der vergangenen Woche sind in der Oder viele tausend Fische gestorben. Zwischenzeitig waren beide Ufer des Flusses zwischen Eisenhüttenstadt und Schwedt mit Fischkadavern gesäumt. Im Landkreis Märkisch-Oderland wurden allein am Wochenende rund 30 Tonnen tote Fische eingesammelt.
Aller Wahrscheinlichkeit nach sind neben den Fischen auch etwa Muscheln, Krebse und im Wasser lebende Insektenlarven durch die in Oder vermuteten Giftstoffe gestorben. Darauf wies der Naturschutzverein NABU hin.
Derzeit erscheint es wahrscheinlich, dass Anfang der vergangenen Woche eine Giftwelle durch die Oder geflossen ist. In dieser Zeit stieg der Pegel des Flusses kurzzeitig an. Weil nirgendwo an der Oder besonders viel Regen fiel, dürften Veränderungen an polnischen Staustufen am Oberlauf der Oder mit dem plötzlichen Pegelanstieg zu tun haben.
Was sind die Ursachen?
Vieles ist noch ungeklärt. Behördliche Labore in Brandenburg und Polen haben Wasserproben genommen. Deren Analyse hat bisher Folgendes ergeben: Der PH-Wert ist ungewöhnlich hoch. Außerdem befinden sich in der Oder außerordentlich viel Quecksilber, Salz und Sauerstoff. Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) sagte dazu: "Die sehr hohe Salzfracht und der sehr hohe PH-Wert können toxisch wirken und das Fischsterben miterklären." Man könne jedoch nicht erklären, wie es zu den hohen Werten komme.
Vieles deutet auf einen Chemie-Unfall am polnischen Oberlauf des Flusses hin. So kam es laut polnischen Medien schon Ende Juli zu einem Unfall in einer Papierfabrik in Oława, südlich von Breslau. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte am Freitag, riesige Mengen Chemie seien in voller Kenntnis der Risiken in den Fluss gekippt worden. Inzwischen hat die polnische Polizei umgerechnet 210.000 Euro als Belohnung für Hinweise auf die Täter ausgesetzt.
Der Brandenburgische Umweltminister Vogel und die polnische Umweltministerin Anna Moskwa schlossen aus, dass die Fische an Quecksilber gestorben seien. "Quecksilber reichert sich langsam an und wurde nicht in dieser Dimension in die Oder eingebracht, dass es sofort schockartig diese Todesfälle ausgelöst haben könnte", sagte Vogel am Montag. Schon am Freitag hatte Vogel betont, dass der niedrige Pegelstand und die Hitze den Fischen generell zusetzten. Die Labore untersuchen das Wasser auf viele weitere Giftstoffe. Diese Untersuchungen dürften laut Vogel noch mehrere Tage dauern.
Wie lange braucht die Natur, um sich zu erholen?
Brandenburgs Umweltminister Vogel geht davon aus, dass die Oder auf Jahre geschädigt ist. Endgültig lässt sich allerdings auch diese Frage derzeit nicht beantworten. So ist etwa noch offen, inwieweit Vögel betroffen sind, die Fischkadaver essen. Auch zu Folgen für Pflanzen, Muscheln, Krebse sind bisher keine Experteneinschätzungen bekannt. Wahrscheinlich ist, dass das in der Oder vermutete Gift seine tödliche Wirkung auf die Natur erst verliert, wenn es in die Ostsee fließt.
Anzeichen der Erholung gibt es allerdings schon jetzt. "Es sind schon wieder kleine lebendige Fische im Uferbereich zu sehen, während die Kadaver schon älter sind", sagt Fischer Peter Schneider aus Frankfurt (Oder) dem rbb. Laut Umweltminister Vogel lässt das darauf schließen, dass die Giftwelle inzwischen durch die Oder durchgeflossen ist.
Wie wird die Katastrophe vor Ort bekämpft?
Behörden und freiwillige Helfer sammeln seit Ende der vergangenen Woche auf beiden Seiten der Oder Kadaver ein. Sie werden, etwa in der PCK Raffinerie in Schwedt, verbrannt. Der Landkreis Märkisch-Oderland hat außerdem die Pumpen abgeschaltet, die normalerweise Wasser aus der Oder ins Oderbruch pumpen. Gregor Beyer vom Umweltamt des Landkreises sagte am Freitag, dass bei Proben kein Quecksilber und kein Trimethylbenzol, einer der anderen Verdachtsstoffe, im Oderbruch nachgewiesen worden sei.
Polnische Behörden haben außerdem Fischsperren aufgestellt, die die im Fluss treibenden Kadaver einfangen sollen. Außerdem hat Polen nahe Gryfino Eisbrecher auf der Oder im Einsatz. Diese sollen mit ihrem Wellenschlag die Fischkadaver aus den dichten Schilfgürteln herausschwemmen. Wenn der tote Fisch wieder in der Oder ist wird er mittels der ausgelegten Ölsperren, die als Fischsperren umfunktioniert wurden, aus dem Wasser gefischt.
Auch die deutsche Seite plant solche Sperren aufzustellen, damit die toten Fische nicht in die Ostsee gelangen und sie außerdem nicht von Vögeln gefressen werden. Ansonsten warten die Behörden auf genauere Laborergebnisse zu den Wasserproben. "Für weitere Maßnahmen ist es existentiell wichtig zu wissen, was genau passiert ist", sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montag.
Ist die Oder gefährlich für Menschen?
Auch hierzu gibt es noch keine endgültigen Antworten. Jedoch erscheint eine Gefahr für Menschen derzeit nicht wahrscheinlich. Etwa das Quecksilber schade Menschen erst, wenn man viel Wasser aus der Oder trinke, sagt Biologe Werner Kloas vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie. Aber auch Werner warnt: "Es ist derzeit nicht klar, welche anderen Substanzen darin verwickelt sind. Insofern ist jede Vorsichtsmaßnahme wichtig." Vor diesem Hintergrund warnen die Landkreise nahe der Oder nach wie vor dringend vor Kontakt mit Wasser der Oder. Frankfurt (Oder) hat dazu sogar ein Verbot erlassen.
Sollte Gift ins Grundwasser gelangt sein, könnte auch Trinkwasser kontaminiert sein. Umweltminister Vogel sagte dazu am Freitag: "Ich würde nicht soweit gehen, die Grundwasservorkommen in Gefahr zu sehen."
Haben polnische Behörden rechtzeitig gewarnt?
Laut der polnischen Regierung wussten Behörden vor Ort schon Ende Juli von toten Fischen in der Oder bei Breslau. Gemäß der Meldeketten der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder, der Polen und Deutschland angehören, hätten die Beamten daraufhin ihre deutschen Kollegen informieren müssen. Das taten sie aber nicht. "Ich bin verärgert darüber, dass Informationen nur kleckerweise oder überhaupt nicht gekommen sind", sagte Ministerpräsident Woidke dazu am Montag. Allerdings tappten auch viele polnische Behörden, etwa in Słubice gegenüber von Frankfurt (Oder), lange im Dunkeln. "Da hat eine untere Ebene versagt", sagte Umweltminister Vogel.
Laut Vogel sind Schadstoffe auch in die Alte Oder, einen Nebenarm der Oder bei Lebus, gelangt. Das hätte durch frühere Warnungen aus Polen verhindert werden können, weil der Zufluss aus der Oder in den Nebenarm dann zeitiger hätte abgesperrt werden können.
Bei einem Treffen am Sonntag vereinbarten deutsche und polnische Politiker eine schnellere Zusammenarbeit und gründeten eine Taskforce. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach dabei von "guten und gemeinsamen Schritten".
Sendebezug: Brandenburg Aktuell, 15.08.2022, 19:30 Uhr.
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