Wenn CSU-Politiker die Heroen der Parteigeschichte aufrufen, um die Zuhörer die triste Gegenwart vergessen zu lassen, dann sind nur zwei immer mit dabei: Franz Josef Strauß natürlich, die politische Urgewalt. Und, mehr noch als Theo Waigel, der örtlich zu weit weg agierte, und Alfons Goppel und Josef Müller, die zeitlich zu weit weg sind: Edmund Stoiber.
Sein Aufstieg war nicht vorbestimmt. Geboren im oberbayerischen Oberaudorf als jüngstes von drei Kindern eines Oberpfälzer Bürokaufmanns, zeigte Stoiber allerdings früh, dass er schnell im Kopf war – sein Jurastudium schloss er mit Prädikat ab – und dass er aus Sicht der CSU auf der richtigen Seite stand. Die Studentenproteste verarbeitete er in seiner Doktorarbeit zum Thema „Der Hausfriedensbruch im Lichte aktueller Probleme“.
Großes Einvernehmen mit Strauß
Stoiber war persönlicher Referent des ersten bayerischen Umweltministers Max Streibl. Entscheidend für ihn waren aber die Begegnung und das große Einvernehmen mit CSU-Chef Strauß, der ihn 1978 zum CSU-Generalsekretär machte. 1982 wurde Stoiber Leiter der Staatskanzlei, ebenfalls unter Strauß. Als er nach dessen Tod 1988 das Innenministerium übernahm, rückte er in die allererste Reihe der CSU-Politiker auf. 1993 folgte er Streibl als Ministerpräsident nach. Manche Wunden aus den damaligen Machtkämpfen sind bis heute nur notdürftig vernarbt.
Stoiber prägte eine Ära. Kaum dass Bayern industrielles Schwergewicht geworden war, machte er es zum Hightech- und Wissenschaftsstandort. Durch den Verkauf von Staatsbeteiligungen finanzierte er eine Zukunftsoffensive nach der anderen und, nebenbei bemerkt, auch die Erweiterung des Nationalparks Bayerischer Wald. Darüber hinaus gelang es ihm, eine neue Erzählung zu etablieren. Mit dem Slogan „Laptop und Lederhose“, der ursprünglich vom Bayern Roman Herzog stammt, wurde Bayern zur Benchmark für den Rest der Republik.
Selbst auf die Haushaltskonsolidierung vermochte Stoiber die Bayern in seinen besten Zeiten einzuschwören, als handele es sich um eine Finalteilnahme seines geliebten FC Bayern. Am Ende schoss er übers Ziel hinaus: mit seinem Sparkurs, auch mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums, die alle Beteiligten überforderte und letztlich rückabgewickelt wurde. Bei der Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts unterschätzte Stoiber bayerische Sentimentalitäten. Es wurde ausgerechnet von Markus Söder, seinem Zögling, wiederbelebt.
Stoiber war wohl der letzte CSU-Vorsitzende, der den Mythos und den sagenhaften Erfolg der Partei verkörperte. Er hatte immer bundespolitische Ansprüche, von den außenpolitischen zu schweigen. 2002 war er so stark (und Angela Merkel weitsichtig genug), dass die Union ihn zum Kanzlerkandidaten machte. Er verlor ganz knapp gegen Gerhard Schröder, blieb in Bayern und holte dort 2003 den größten Triumph einer deutschen Partei: eine Zweidrittelmehrheit. Er hätte danach Bundespräsident und Präsident der EU-Kommission werden können.
Er, der frühere EU-Skeptiker, lehnte ab, weil er in der deutschen Politik noch etwas reißen wollte. Als Merkel 2005 die Wahl gewann, beanspruchte er einen zentralen Platz in ihrem Kabinett, konnte sich aber nicht recht entscheiden, welchen genau und ob er überhaupt wollen sollte. Hier zeigte sich der Zauderer Stoiber. Es war der Anfang seines Abstiegs und der der CSU. In Kreuth 2007 eskalierte die Nachfolgedebatte, Stoiber musste seinen Rückzug ankündigen.
Er ist freilich kein Typ, der sich in den Schmollwinkel zurückziehen würde. Ausgerechnet er, der zu Akten ein geradezu libidinöses Verhältnis hat, ließ sich von der EU in die Pflicht nehmen und arbeite sieben Jahre leidenschaftlich an ihrer Entbürokratisierung. Stoiber kann von der Politik nicht lassen. In der CSU sind die meisten froh darüber statt genervt; für Söder ist Stoiber bis heute ein wichtiger Ratgeber.
Der Vater von zwei Töchtern und einem Sohn hat es geschafft, durch Stehvermögen und Humor seine Unzulänglichkeiten in Stärke umzumünzen. Obwohl er zwar ein feuriger, aber kein begnadeter Redner ist, wurden manche seiner Einlassungen etwa zum Transrapid zum Kult. Auf dem jüngsten CSU-Parteitag war die Stimmung am ausgelassensten, als der Kabarettist Wolfgang Krebs auf der Bühne Edmund Stoiber imitierte. Dieser saß im Publikum und amüsierte sich prächtig. Am Dienstag wird er 80 Jahre alt.
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