
Stand: 26.03.2022 19:08 Uhr
Fast ein Vierteljahrhundert war die CDU stärkste Kraft im Saarland. Nun könnte es einen Führungswechsel geben. Ob danach die dritte GroKo in Folge regiert - nur mit vertauschten Rollen - hängt auch von den kleinen Parteien ab.
Auch wenn es sie gab - die großen Veranstaltungen auf den großen Plätzen mit den großen Köpfen: Insgesamt war es ein eher gedämpfter Landtagswahlkampf. Das lag auch an Corona. Aber vor allem am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der die Wochen vor der Wahl für die Saar-Parteien zu einer permanenten Gratwanderung gemacht hat. Wie viel Parteipolitik, wie viel Wahlkampf ist überhaupt möglich, wenn in Europa Bomben fallen? Zumal der Krieg auch den thematischen Fokus des Wahlkampfs zumindest in Teilen verschoben hat - weg vom Saarland, hin zu Fragen nach Krieg und Frieden. Oder den gestiegenen Energie- und Benzinpreisen.
Für den Amtsinhaber geht es um alles
Hier hat vor allem einer Schlagzeilen gemacht: Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Tobias Hans. Sein Selfie-Video mit zerzausten Haaren vor einer Tankstelle, in dem Hans die Spritpreise "nur noch irre" nennt und mit einem ungeschickt formulierten Satz Geringverdienenden vermeintlich unterstellt, keine "fleißigen Leute" zu sein, ging viral. Es hagelte bundesweit Kritik und Häme.
Dabei hatte Hans thematisch durchaus einen Punkt gemacht - insgesamt aber wirkte dieses Wahlkampfmanöver wenig durchdacht, fast schon fahrig. Damit steht es gewissermaßen beispielhaft für den Wahlkampf der Saar-CDU. Ein Wahlkampf, der inhaltlich wenig klare Linien hat und unorganisiert wirkte. Und in dem es immer wieder grobe Schnitzer gab.
Hinzu kommt, dass Hans - der sich smart, modern, zukunftsorientiert gibt - damit offenbar nur schwer zu den Wählerinnen und Wählern durchdringen kann. In einem Industrieland ist die Umstellung auf eine klimafreundlichere, digitalere und diversifiziertere Wirtschaft zwar nötig. Aber dass Smart-Hubs und ein "Saar-Tech-Cycle" die Wunderwaffe für einen erfolgreichen Strukturwandel sind: Das ist im größtenteils ländlich geprägten Saarland schwer zu vermitteln.
Die Vize möchte nicht mehr Vize sein
Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger dagegen scheint ihrem Ziel, das "Vize" aus ihrer Jobbezeichnung zu streichen, so nah wie nie zuvor. In den vergangenen Wochen betonte die SPD-Spitzenkandidatin - die im Saarland auch Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr ist - bei jeder Gelegenheit, dass es bei der Landtagswahl darum gehe, wer das Land in den nächsten fünf Jahren führt. Wer Jobs halten und neue schaffen kann. Dass sie das sei, habe sie in den vergangenen Jahren ausreichend unter Beweis gestellt.
Neben der Tatsache, dass ihre Fachkompetenz in Sachen Auto und Stahl von Arbeitgebern und Gewerkschaften gleichermaßen geschätzt wird, dürfte Rehlinger im Wahlkampf vor allem von ihrer persönlichen Beliebtheit profitieren. Die Rechtsanwältin und ehemalige Leichtathletin gilt als zupackend, bodenständig und herzlich.
Und dennoch entsteht der Eindruck, dass Rehlinger Ministerpräsidentin werden könnte, wie Olaf Scholz Bundeskanzler wurde: Indem sie einfach keine Fehler macht. Indem sie eine mehr als solide Kandidatin mit einem Programm ist, das über weite Strecken zusammenträgt, was ohnehin schon erreicht wurde - und an den richtigen Stellen Akzente setzt.
Doch auch für Rehlinger geht es um viel: Es ist ihr zweiter Anlauf für die Staatskanzlei. Mit dem aktuellen Höhenflug der Saar-SPD ist für sie also auch ein hoher Erwartungsdruck verbunden.
Zwischen Abgesang und Aufbruch
Für die kleineren Parteien macht diese Zuspitzung auf das Duell um die Staatskanzlei den Wahlkampf nicht gerade leichter. Nach den jüngsten Umfragen von Infratest dimap wäre nur die AfD sicher im Landtag vertreten. Eine Partei, in der eine Gruppe von Mitgliedern es fertig gebracht hat, die eigene Landesliste zurückzuziehen - nur um einen unliebsamen Spitzenkandidaten zu verhindern.
Auch Linkspartei und Grüne haben in den vergangenen Monaten eher gegen sich selbst als den politischen Gegner gekämpft. Während die Grünen im Wahlkampf zumindest nach außen geschlossen auftreten, scheinen die parteiinternen Streitigkeiten aber alles andere als überwunden. Am Freitag erklärte Ralph Rouget, der im vergangenen Sommer fünf Tage lang Landeschef war, seinen Austritt aus der Partei - nicht ohne noch einmal heftige Vorwürfe gegen die aktuell Kandidierenden zu erheben. Zuletzt hatte Rouget zumindest öffentlich keine Rolle mehr gespielt.
Stil und Zeitpunkt erinnerten doch sehr an einen anderen prominenten Parteiaustritt der jüngsten Vergangenheit: den von Linken-Mitbegründer Oskar Lafontaine. Einen Tag nach seiner letzten Rede im Saar-Landtag kehrte Lafontaine einmal mehr seiner Partei den Rücken - leiser, als man es von ihm gewohnt war. Aber doch mit scharfen Vorwürfen und einiger Bitterkeit. Der Linken ist der jahrelange Machtkampf zwischen Lafontaine und Landeschef Thomas Lutze an die Substanz gegangen. Die Linkspartei könnte nun nach 13 Jahren aus dem Landtag fliegen.
Und die FDP? Wie für die Grünen ist das Saarland auch für die Liberalen kein einfaches Pflaster. Nach dem Jamaika-Aus vor zehn Jahren hat sich die Partei aber gefangen und kämpft sich langsam zurück aus ihrer Position am Rand der politischen Bedeutungslosigkeit. Ob es am Ende reicht für den Wiedereinzug in den Landtag, ist fraglich.
Ein Drei-Parteien-Parlament?
Der Zustand der Parteienlandschaft im Saarland lässt eine Neuauflage der GroKo im Saarland fast schon alternativlos erscheinen. Hans wirbt seit Monaten offensiv dafür, das Bündnis weiterzuführen - wenig überraschend angesichts der Tatsache, dass das für die CDU die einzige Chance wäre, in Regierungsverantwortung zu bleiben. Rehlinger dagegen bekundet zwar ihre Sympathie für Große Koalitionen, schließt aber andere Bündnisse nicht aus. Ihre Bedingung: Stabilität.
Ob die aus Rehlingers Sicht auch mit einer CDU zu haben wäre, die sich - je nach Wahlergebnis - neu sortieren muss, ist fraglich. Doch auch bei den Grünen könnte der parteiinterne Streit nach der Wahl wieder aufbrechen.
Überhaupt dürfte die Frage entscheidend sein, ob es überhaupt eine kleinere Partei in den Landtag schafft. Am ehesten wohl die AfD. Und so könnte sich nach der Wahl die ohnehin mehr als komfortable Mehrheit der Saar-GroKo geradezu zementieren, eventuell mit der AfD als einziger Oppositionspartei im Landtag. Die Landtagswahl könnte also auch zu einer Herausforderung für den Parlamentarismus an der Saar werden.
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