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Innenminister: Keine Übereinstimmung beim Abschiebestopp nach Syrien - WELT

Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich nicht auf eine gemeinsame Linie zu dem bereits ausgelaufenen Abschiebestopp nach Syrien einigen können. Ein halbes Jahr nach dessen Auslaufen hat die Bundesregierung noch niemanden dorthin zurückgeschickt. Die Unions-Innenminister wie Baden-Württembergs Ressortchef Thomas Strobl (CDU) wollen mehr Abschiebungen ermöglichen.

Einen Beschluss konnten die Innenministerkonferenz, die am Freitag im badischen Rust zu Ende gegangen ist, aber bei anderen Themen festhalten. Konferenzvorsitzender Strobl gab bekannt, dass man entschlossener gegen Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen und Journalisten vorgehen wolle.

NRW-Innenminister Reul (CDU) fordert zwar, man möge Straftäter doch wenigstens in die Nachbarländer Syriens abschieben. Doch das SPD-geführte Auswärtige Amt stellt sich quer. Niedersachsens Innenminister Pistorius (SPD) erklärt, niemand habe etwas dagegen, „einen Gefährder abzuschieben, wenn es denn ginge“. Die AfD will künftig nur noch die einreisen lassen, die eine Erlaubnis haben, und Zurückweisungen bereits an der Grenze aussprechen.

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Gegen die Abschiebe- und Abschottungspolitik der Innenminister haben Aktivisten verschiedener Organisationen vor Ort demonstriert. Mehrere Dutzend junge Menschen hielten vor dem Europa-Park in Rust eine Kundgebung ab. „Die Menschen auf dem Mittelmeer dürfen nicht mehr ertrinken“, sagte Michaela Rüsse von der Seebrücke Freiburg. Sie sprach sich für Seenotrettung aus und für eine Evakuierung der Lager auf der griechischen Insel Lesbos. Zudem dürfe man keine Menschen in Krisengebiete abschieben, sondern müsse in sie investieren.

Härteres Vorgehen bei Antisemitismus und Angriff auf Journalisten

Strobl teilte mit, man werde bundesweit einheitliche Standards und Vorgaben erarbeiten, um antiisraelische Versammlungen an Synagogen zu beschränken und gegebenenfalls zu verbieten. Zudem müsse das Strafmaß bei antisemitischen Straftaten erhöht werden. Zur Herbstkonferenz der Innenminister wolle man den Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, einladen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll zudem mit den Antisemitismusbeauftragten Präventionsmaßnahmen weiterentwickeln.

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Thema der Konferenz waren auch die zunehmenden Angriffe auf Journalisten. „Die Innenministerin, die Innenminister und -senatoren sind sich einig, dass Gewalt und Einschüchterungsversuche gegen Journalistinnen und Journalisten in unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung keinen Platz haben“, heißt es in dem Beschluss der Konferenz.

Zur Wahrung der Pressefreiheit in Deutschland sei es wichtig, dass Medienvertreter ihre Arbeit frei von Einschüchterungsversuchen ausüben könnten. Ein Arbeitskreis soll bis zur nächsten Innenministerkonferenz im Herbst klären, ob dafür weitere Maßnahmen nötig sind. Der Beschluss geht auf eine Initiative Thüringens zurück.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) wies darauf hin, dass nach „fast jeder größeren ‚Querdenken‘-Demonstration“ im vergangenen Jahr von Übergriffen auf Journalisten berichtet wurde. „Wir müssen attestieren, dass sich die Zahl der Straftaten gegen Journalistinnen und Journalisten in 2020 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt hat“, erklärte Maier.

Rechtsextreme Chatinhalte von Beamten sollen strafrechtlich verfolgt werden

Die Innenminister der Länder haben sich nach dem Auftauchen rechtsextremer Chats bei der Polizei für eine Gesetzesänderung ausgesprochen. Sie plädierten sie dafür, dass Beamte auch dann strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie volksverhetzende Inhalte in geschlossenen Chatgruppen teilen.

Bisher war das Einstellen rechtsextremer Fotos oder Videos in WhatsApp-Gruppen von Polizisten nach Ansicht von Anwälten nicht zwangsläufig strafbar. „Die Rechtsprechung ist da nicht einhellig bei der Frage, ob ein Beitrag in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe überhaupt eine öffentliche Äußerung darstellt“, hatte der auf Verwaltungsrecht spezialisierte Anwalt Christoph Arnold betont, als im Herbst ein entsprechender Fall in NRW aufgedeckt wurde.

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Dort wird noch gegen 25 Beschuldigte ermittelt. In Frankfurt – wo vor wenigen Tagen rechtsextreme Chatgruppen publik wurden – wird gegen 19 aktive und einen ehemaligen Polizisten ermittelt. 18 davon waren aktive Beamte des Frankfurter Spezialeinsatzkommandos (SEK).

In ihrem Beschluss vom Freitag fordert die Innenministerkonferenz „eine konsequente Verfolgung“ solcher Fälle. Die mögliche Einführung eines neuen Straftatbestands solle die Justizministerkonferenz prüfen.

Reul, der das Thema bei der Konferenz mit eingebracht hatte, sagte am Freitag: „Bei 56.000 Polizistinnen und Polizisten in NRW und rund 250 Anschuldigungen kann von einer rechtsextremen Unterwanderung keine Rede sein.“ Dennoch sei jeder Fall einer zu viel – und müsse auch strafrechtlich verfolgt werden. „Der heutige Beschluss lässt keinen Zweifel daran, dass solche Äußerungen absolut inakzeptabel sind, egal ob sie in der Öffentlichkeit oder in privaten Chatgruppen passieren“, so Reul.

Gewalt gegen Frauen soll genauer erfasst werden

Die Überarbeitung der Verhaltensgrundsätze zwischen Polizei und Presse wurde noch nicht abgeschlossen. Maier sagte, der Verhaltenskodex müsse auf neuere Entwicklungen angepasst werden. Im Auftrag der Innenministerkonferenz soll ein Arbeitskreis bis Herbst die Ergebnisse einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Neufassung der „Verhaltensgrundsätze Presse/Rundfunk und Polizei“ vorlegen.

Die Überarbeitung der 1993 verfassten Verhaltensgrundsätze ist schon länger ein Thema. Unter dem Eindruck wiederkehrender Angriffe auf Journalisten bei Demos hatte der Presserat als freiwillige Selbstkontrolle der Presse bereits im Dezember einen eigenen Vorschlag für eine Novelle vorgelegt. Das Gremium fordert von der Polizei mehr Schutz für Berichterstatter auf Demonstrationen.

Im April wurde dann bekannt, dass auch eine Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz für eine Überarbeitung beauftragt wurde. Die bestehenden Grundsätze regeln Rechte und Pflichten beider Seiten, um ungehindertes Arbeiten zu ermöglichen.

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Die Innenminister wollen außerdem Gewalt gegen Frauen verstärkt bekämpfen. Diese Straftaten müssten „aus dem Dunkelfeld“ herausgeholt werden, sagte Strobl. „Scham ist keine Lösung. Sie hilft nur den Tätern, die dann ungeschoren davonkommen“, erklärte der CDU-Politiker zum Abschluss des Treffens der Minister. Deswegen wolle man frauenfeindliche Straftaten in den Polizeistatistiken genauer erfassen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) begrüßte diese Ankündigung. „Auch das Dunkelfeld – gerade bei Gewalt in Paarbeziehungen – muss deutlich stärker ausgeleuchtet werden.“ Mit genaueren Daten sei es möglich, Präventionsstrategien weiterentwickeln und für eine effektive Strafverfolgung zu sorgen.

Die Innenminister von Bund und Ländern treffen sich in der Regel zweimal jährlich. Baden-Württemberg ist in diesem Jahr das Vorsitzland. Die Beschlüsse der Innenministerkonferenz sind in der Regel nicht bindend.

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