Irina Knurenko ist schon lange weg von zu Hause. Aber sie weiß, was die Menschen in Israel derzeit durchmachen. Sie weiß wie es ist, wenn man in Deckung geht, wenn Geschosse einschlagen. Irina Knurenko hat ihren Militärdienst in Israel absolviert, sie war in Ramallah im Westjordanland stationiert.
Seit vielen Jahren ist sie in Berlin zu Hause. Aber sie fühlt sich hier nicht mehr so sicher wie früher. „Die Stadt hat sich verändert“, sagt sie. „Ich weiß nicht mehr, wie fest Deutschland zu mir, zu den Juden und dem Staat Israel steht.“
Also ist sie Donnerstagabend zum Brandenburger Tor gegangen. Wie viele andere Hunderte auch. Um zu erfahren, was die Spitzenpolitiker jenes Landes sagen, das nun ihre Heimat ist, während Israel im Raketenhagel der Hamas aus Gaza liegt, auf beiden Seiten Menschen sterben. „Es war wichtig, dass ich das höre, dass ich dabei bin“, sagt sie.
Und das Bekenntnis der Bundesminister, Fraktionschefs aller Parteien, die im Bundestag vertreten sind, mit Ausnahme der AfD, und anderer Topleute war einhellig: Wir stehen fest an der Seite Israels.
„Die Sicherheit des jüdischen Staates ist deutsche Staatsraison. Wer Israel und Juden in Deutschland angreift, greift uns an“, sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). Es sei viel zu leicht, zu sagen, dass Antisemitismus in Deutschland keinen Platz habe. „Wir müssen dagegen aufstehen, im Kleinen wie im Großen“, sagte Scholz. Raketen auf Israel seien mit nichts zu rechtfertigen. „Mit gar nichts“, so Scholz. Es gibt Beifall. Aber auch Rufe wie „Dann tu was.“
Ein breites Solidaritätsbündnis für Israel hatte vor dem Hintergrund der Gewalteskalation zwischen Israel und militanten Palästinensern zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor geladen. Die Menge auf dem Platz des 18. März schwenkte Israel-Fahnen und Plakate mit Slogans wie „Israel muss sich verteidigen“. Die Polizei hatte das Areal weiträumig abgesperrt und zeigte massive Präsenz. Dennoch war die Stimmung entspannt, fast locker – und an einem Punkt auch emotional.
Etwa bei der Rede von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Die Bilder, die derzeit von Israel in die Welt gehen, würden „Wut, Trauer und Fassungslosigkeit auslösen“, sagte sie. „Wir haben uns hier versammelt, um ein kraftvolles Zeichen zu setzen, dass Hass auf das jüdische Leben und den Staat Israel nirgendwo einen Platz haben dürfen.“ Die Hamas ziele mit ihren Raketen, auf Mütter, Väter, Kinder. „Deren Ziel ist es, das friedliche Miteinander von Juden und Arabern zu zerstören“, so Lambrecht.
„Sie war gut, ich hatte Tränen in den Augen“, sagt Irina Knurenko, als die Justizministerin geendet hatte – und auch die hatte beinahe Tränen in den Augen, wirkte aufgewühlt. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Deutschland sind verunsichert. „Die Leute sagen, wir sollen die Israel-Fahnen weglegen, wenn wir von hier heute heim gehen“, sagt Knurenko und kämpft mit sich, ob sie es tun soll. Andererseits bekommt sie ihre Zeitung in Hebräisch längst in einem neutralen Umschlag. „Damit die Nachbarn nicht mitbekommen, dass ich Jüdin bin“, sagt sie.
Die Kundgebung sollte ein Zeichen der Solidarität mit der israelischen Bevölkerung sein. Am 10. Mai hatten die massiven Raketenangriffe der islamistischen Hamas auf Jerusalem und andere Städte begonnen. Darauf hatte Israel mit massiven Bombardements auf Hamas-Ziele im Gaza-Streifen reagiert.
Als sich die Menge am Brandenburger Tor eine Stunde später zerstreut, sagen die Menschen: Ministerin Lambrecht war gut.“ Aber auch Parteichef Christian Lindner und der Grünen-Politiker Özdemir bekommen Anerkennung. „Wir vergessen heute, was uns im politischen Tagesgeschäft trennt“, sagte Lindner. „Die Hamas ist kein Verhandlungspartner, sie ist eine Terrororganisation, deren Treiben unterbunden werden muss.“ Der Applaus ist groß.
Der Nahost-Konflikt werde inzwischen auf deutschen Straßen ausgetragen. Hass werde geschürt gegen Juden, Steine würden auf Synagogen geworfen. „Wer das tut, kann nicht die Toleranz der Demokratie in Anspruch nehmen“, ruft der FDP-Chef. Cem Özdemir zitiert Golda Meir, 1969 bis 1974 Ministerpräsidentin Israels: „Frieden wird es erst geben, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben, als sie uns hassen.“ Und an die Adresse der Hamas und ihrer Sympathisanten auch in Deutschland sagte Özdemir: „Wer Israel angreift, bekommt es mit Deutschland zu tun.“
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, betonte, Israel habe „das Recht und die Pflicht, seine Bürger zu schützen“. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch lenkte den Blick angesichts Attacken von arabischstämmigen Männern auf jüdische Einrichtungen hierzulande kritisch auf das eigene Land: „Zu behaupten, der Antisemitismus sei in Deutschland eingewandert, ist geschmacklos. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak räumt ein, man habe „viel getan gegen den Antisemitismus, aber nicht genug“.
Die Veranstaltung verlief friedlich. Kurz nach ihrem Ende kam die Meldung, dass das israelische Kabinett einstimmig einen Vorschlag Ägyptens über eine Waffenruhe gebilligt habe. Die Feuergefechte sollen am Freitag um 02.00 Uhr Ortszeit eingestellt werden. Nun ist die Hamas am Zug.
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