Search

"Grüß Gott, Landratsamt, aufmachen bitte!" - Süddeutsche Zeitung

hiburansemataaja.blogspot.com

Die sternklare Spätsommernacht ist ruhig und kühl, als Sabine Gerg und Hans Adlwarth um kurz nach Mitternacht am Ufer des Walchensees über den Kiesweg stapfen. Ein Blick in den Himmel bestätigt, dass die Vollmondnacht zwei Tage zurückliegt. Die beiden Walchensee-Ranger, grüne Fleecewesten am Leib, Klemmbrett in der Hand, nähern sich einem Wohnmobil. Gerg fotografiert mit ihrem Handy das Kennzeichen, Adlwarth klopft derweil energisch gegen die Blechverkleidung des Gefährts: "Grüß Gott! Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen, machn's amal auf, bitte!" Stille. Dann regt sich etwas im Wohnmobil, man hört ein verschlafen-entnervtes "Moment! Ich muss mir erst was anziehen."

Gerg und Adlwarth sind Walchensee-Ranger und Angestellte des Landratsamts. Bei Tag sammeln sie Müll ein, beschneiden die Büsche an den Wegen, bringen Schilder an und leisten Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Bei Nacht aber kontrollieren sie, ob die Regularien im Landschaftsschutzgebiet eingehalten werden. Unter anderem ist es verboten, dort von 22 Uhr bis 6 Uhr zu parken, sein Zelt aufzuschlagen, Lagerfeuer zu machen oder zu grillen. In Zusammenarbeit mit der Polizei führen die Ranger nächtliche Kontrollen durch, erteilen Belehrungen und Platzverweise. Viele Jahre lang wurde die Missachtung der Regeln toleriert, aber mit dem Anstieg des Tourismus am Walchensee gerade zur Corona-Zeit sei es nötig geworden, die Natur aktiv zu beschützen, sagt Gerg.

Der Wohnmobilbewohner, mittlerweile angezogen, öffnet die Tür einen Spalt breit. Adlwarth hält ihm seinen Dienstausweis unter die Nase und fragt mit gespielt unschuldiger Überraschung, was er denn hier mache. Der Fahrer erwidert entgeistert: "Ich parke und schlafe hier, samt meiner Frau und Tochter." Adlwarth verweist auf ein Schild. "Hier steht doch ganz klar, dass Parken verboten ist", sagt er. "Noch dazu ist das ein Landschaftsschutzgebiet." Der Ermahnte beteuert, dass seine Familie im Camper doch niemanden störe. "Wir nehmen auch all unseren Müll mit." Trotzdem müssen die Ranger seine Personalien aufnehmen, einen Platzverweis aussprechen, und die Familie auf eine Stellfläche ein paar Kilometer weiter verweisen. Der Mann wird einen Bußgeldbescheid bekommen und eine Stellungnahme abgeben müssen. "Natürlich tut es uns persönlich Leid, wenn wir jemanden aufwecken müssen", sagt Gerg. "Aber wir können ja auch keine Ausnahmen machen, wenn uns die Leute sympathisch sind."

In dieser Nacht kontrollieren die Ranger ungefähr 25 Fahrzeuge und Personen, unter anderem eine junge Frau um die 20, die alleine in ihrem Kombi am Waldrand schläft und sie, aufgeschreckt vom nächtlichen Klopfen, mit angsterfülltem Blick unter schlafzerzaustem Haar ansieht. "Das sind die Momente, die auch für uns nicht angenehm sind", sagt Adlwarth. "Wir wissen ja auch, dass die meisten Leute sorgsam mit der Natur umgehen, keinen Müll hinterlassen und nicht randalieren. Aber darum geht es nicht." Es gebe immer wieder wilde Partys, die Anwohner und Tierwelt störten, oder auch seltsamen Schabernack, wie einen über die Straße gespannten Weidezaun, der für Fahrradfahrer lebensgefährlich sein kann. "Deshalb müssen wir gegen alle Verstöße gleichermaßen vorgehen, wenn auch mit Augenmaß." Die meisten Kontrollen verlaufen ruhig, die Mehrheit reagiert einsichtig - aber fast immer genervt. Dass es in dieser Nacht friedlich bleibt, sei nicht selbstverständlich, sagt Adlwarth. Sie seien schon mit einem Messer bedroht worden. Später öffnet dann ein Mann die Tür seines Wagens mit einem Baseballschläger in der Hand.

Walchensee-Ranger Illegale Camper

"Wir kennen alle möglichen Ausreden", sagt der Walchensee-Ranger Hans Adlwarth, der nachts die Camper kontrolliert.

Gerg und Adlwarth sind seit Mai 2019 Ranger. Sie ist gelernte Sozialpädagogin aus Lenggries, er Landschaftsgärtner aus Reichersbeuern. Sie mache ihren Job gerne, führt Gerg aus, während sie auf der Suche nach einem Lagerfeuer mit einer Taschenlampe über eine Kiesbank leuchtet. Sie zeigt zum Sternenhimmel, von dem der Mond in den schimmernden Flusslauf leuchtet. "Das ist doch der schönste Arbeitsplatz der Welt, oder?" Dann weist sie auf einen unscheinbaren Busch am Ufer: eine Deutsche Tamariske, erklärt sie - eine Pflanze, die auf der Roten Liste stehe. "Die Natur ist mir sehr wichtig", sagt Sabine Gerg. "Sie kann sich nicht selbst beschützen, darum machen wir das."

Die Camper sehen ihr Verhalten häufig nicht als Verstoß gegen den Naturschutz. Immer wieder bekommen die Ranger zu hören, dass alles doch kein Problem sei - schließlich werde der Müll wieder mitgenommen und auch kein Feuer entzündet. Tatsächlich ist es schwer, auf den ersten Blick die Regelungen nachzuvollziehen, dessen Einhaltung Gerg und Adlwarth sicherstellen müssen. Die Wohnmobile stehen auf regulären Parkplätzen, die 16 Stunden am Tag benutzt werden dürfen, nicht etwa auf Feldern oder Wiesen. Ob sie das nächtliche Verbot trotzdem verstehen könne? "Ehrlich gesagt nicht", findet eine Frau um die 30, die mit ihrem Partner einen Platzverweis bekommt. "Wir stören doch keinen", fügt ihr bärtiger Freund im spärlich beleuchteten Wohnwagen hinzu. "Wir wissen die Natur hier sehr zu schätzen, darum wollen wir ja auch nachts hier sein." Außerdem sei die Beschilderung schlecht. Zonenparkverbotsschilder gibt es nur an der Einfahrt der Straße, dann im Abstand von etwa drei Kilometern. An den Parkplätzen selbst steht lediglich, dass das Parken von 6 bis 22 Uhr erlaubt ist. Ein Familienvater aus Gelsenkirchen sagt: "Wir standen den ganzen Tag im Stau und haben auf den Campingplätzen keinen Platz mehr gefunden. Was sollen wir denn machen, außer hier schlafen?" Gerg bestätigt, dass der Stellplatzmangel an manchen Wochenenden ein Problem sei - an diesem aber nicht. Die Ranger kontrollieren vor dem Rundgang stets, welche Ausweichflächen zur Verfügung stehen, und lotsen die Camper dorthin. "Außerdem stört mich diese Einstellung gegenüber der Natur. Wenn es auf dem Campingplätzen voll ist, dann ist es eben voll. Ich kann doch auch nicht mein Zelt im Vorgarten eines Hotels aufschlagen, wenn kein Zimmer mehr frei ist."

"Wir kennen alle möglichen Ausreden", meint Adlwarth dazu. "Ich denke, dass die meisten Leute ganz genau wissen, dass sie im Landschaftsschutzgebiet stehen und hier nicht bleiben dürfen." Teilweise sei durchaus kriminelle Energie zu beobachten. Seit die Walchensee-Ranger abends patrouillieren, seien in verschiedenen Camping-Foren Diskussionen entstanden, wie Kontrollen vermieden werden können. "Besonders ärgert mich, wenn Leute sich vor 22 Uhr betrinken, damit wir sie nach 22 Uhr nicht mehr wegfahren lassen können", so Adlwarth. "Mittlerweile wird das notiert und als Vorsatz gehandhabt." Dass in der Nacht wirklich niemand im Landschaftsschutzgebiet unterwegs ist, wäre für die Erholung der Tierwelt unerlässlich, erklärt er. Und tatsächlich hätten die Patrouillen der Ranger einen Effekt. Gerg erzählt, dass sie zu Beginn der Nachtkontrollen teilweise achtzig Camper an einem einzigen Wegabschnitt wegschicken mussten. Mittlerweile habe sich die Anzahl reduziert - dafür gebe es wieder mehr Rotwild, Dachse und Füchse. Später sehen sie ein Reh neben der Straße laufen. "Die Natur kommt zurück", stellt Gerg zufrieden fest.




September 06, 2020 at 08:20PM
https://ift.tt/3jVMU4l

"Grüß Gott, Landratsamt, aufmachen bitte!" - Süddeutsche Zeitung

https://ift.tt/2O3KFhm
Tourismus

Bagikan Berita Ini

0 Response to ""Grüß Gott, Landratsamt, aufmachen bitte!" - Süddeutsche Zeitung"

Post a Comment

Powered by Blogger.