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Denkt man an klassische Reiseziele, wird man nicht auf Anhieb auf Erding kommen. Doch der Tourismus hat sich in den vergangenen Jahren zu einem starken Wirtschaftsmotor in der Stadt entwickelt. Corona hat diesen brutal abgewürgt. Die Erholung wird lange dauern. Doch Erding könnte zu den Gewinnern gehören, wenn sich die Deutschen an ein neues Reisen gewöhnen – Urlaub zu Hause. Erste Anzeichen dafür gibt es.
Erding – Es ist ein dicker Batzen Geld, den Tagesausflügler und Feriengäste im vergangenen Jahr in Erding gelassen haben. Den touristisch bedingten Gesamtumsatz beziffert Günther Pech vom Stadtmarketing mit knapp 142 Millionen Euro. 90 Millionen Euro entfallen auf die gewerblichen Vermieter mit mehr als zehn Betten. Tagesausflügler bescherten 49 Millionen Euro. Und der neue Urlaubstrend, das Wohnmobil, fuhr immerhin knapp 260 000 Euro ein.
„Der Tourismus ist eine klassische Querschnittsbranche“, erklärt Pech. „Egal, ob Gastgewerbe, Einzelhandel, Dienstleister oder Zulieferer – viele profitieren.“ Deshalb lohnten sich Investitionen von Stadt und Wirtschaft in touristische Infrastruktur, Produkte und Vermarktung. Zudem sei die Branche Jobmotor und top Steuerzahler.
Allein die Gastronomie setzte mit Urlaubsgästen 74 Millionen Euro um, der Einzelhandel 41 und Dienstleister 27 Millionen Euro. Davon profitieren laut Pech auch die öffentlichen Kassen. Dieser Wirtschaftszweig generierte allein ein Mehrwertsteueraufkommen von 16,5 Millionen Euro. Ein erklecklicher Teil davon fließt direkt in die Stadtkasse. Das Deutsche wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr geht von einem Anteil zwischen einem und knapp vier Prozent der Nettoumsätze aus, die den Kommunen verbleiben. Nach Berechnungen Pechs sind das zwischen 1,25 und 3,76 Millionen Euro für die Stadt Erding.
Diese Zahlen werden lange nicht mehr erreicht werden. Denn die Corona-Krise hat auch die Herzogstadt mit voller Wucht erfasst. Gingen die Zahlen der Gästeankünfte und -übernachtungen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich (steil) nach oben, brachen sie mit dem Lockdown ein. Zeitweise lag der Tourismus in der Stadt gänzlich am Boden – als Therme, Lokale sowie Messe München geschlossen waren und am nahen Flughafen kaum noch ein Flieger landete.
Zählte Pech im Januar 23 400 und im Februar 25 700 Ankünfte, waren es im März nur noch 9300, im April 677 und im Mai 1030 – Rückgänge zwischen 65 und 96 (!) Prozent. Ähnlich desaströs verhielt es sich bei den Übernachtungszahlen. Sie stürzten von 38 000 (Januar) und 42 300 (Februar) auf 16 800 im März, 3200 im April und 3800 im Mai ins Bodenlose. Der Rückgang bewegte sich zwischen 62 und 90 Prozent. Für Juni rechnet Pech mit kaum Erholung.
In dieser Zeit ist sogar die Zahl der Beherbergungsbetriebe mit mehr als zehn Betten zurückgegangen. Waren es zu Jahresbeginn 26, wurden im April und Mai nur noch 19 beziehungsweise 22 gezählt. Folglich sank die Zahl der Gästebetten von 2310 auf 1729. Die in Erding überdurchschnittliche Bettenauslastung stürzte von 63,2 Prozent im Februar auf 7,3 Prozent im Mai ab. Da ist es ein schwacher Trost, dass die Durchschnittsverweildauer von 1,6 auf 3,7 Tage stieg.
Pech setzt nun auf den größten Tourismusmagneten in der Region, die Therme, die nach dreimonatiger Zwangsschließung seit 25. Juni wieder geöffnet hat. 12 000 Besucher checkten in den letzten Juni-Tagen ein, im Juli könnten es maximal 140 000 sein – viel weniger als in den Vorjahren. Läuft der Rest des Jahres gut, könnten für das gesamte Jahr eine Million Gäste in der Bilanz stehen. 2021 rechnet Inhaber Jörg Wund mit maximal 1,4 Millionen. Zum Vergleich: 2019 hatte die Therme mit 1,85 Millionen einen neuen Rekord erzielt.
„Ein Silberstreif ist aber am Horizont zu erkennen“, gibt sich Pech zuversichtlich. Von Jens Bernitzky, Chef des Thermen-Hotels Victory, hat er vernommen, dass die Auslastung schon wieder Richtung 80 Prozent gehe. Der Wermutstropfen: Die anderen Hotels kommen deutlich schleppender aus der Krise. Insgesamt hat Corona Erding einen Umsatzeinbruch von bis dato 30 Millionen Euro beschert.
Die Branche ist sich einig: Der Weg zurück wird lang und steinig. Die Anbieter setzen nun auf den neuen virussicheren Trend: Urlaub im eigenen Land. Eine Hotelierin berichtet, bei ihr habe kürzlich eine Familie eingecheckt, die eine ganze Woche blieb und jeden Tag zu Fahrradtouren aufgebrochen ist. „Das hatten wir früher nie. Die Leute kamen, gingen einen Tag in die Therme und einen nach München – und waren wieder fort.“
July 27, 2020 at 11:30AM
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