Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, hat sich im Interview mit der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« für »deutlich mehr legale Zugangswege nach Europa« ausgesprochen. Die Festlegung auf eine bestimmte Obergrenze sei eine »populistische Nebelkerze«, denn sie sei unvereinbar mit dem Grundgesetz und der Genfer Flüchtlingskonvention. In Deutschland sieht sie die Grenze der Aufnahmekapazitäten für Geflüchtete »noch lange nicht erreicht«.
»Menschliche Schicksale lassen sich aus christlicher Sicht nicht auf eine Höchstzahl festschreiben«, sagte Kurschus der Zeitung. Die Aufnahme von Geflüchteten finde aus christlicher Sicht »ihre Grenze da, wo es zur Selbstaufgabe kommt«, so die Theologin. »Ich meine, dass wir diese Grenze noch lange nicht erreicht haben.«
Auf Klagen von Kommunen über Überlastung müsse gehört werden, sagte die EKD-Ratsvorsitzende weiter. Von den kirchlichen Ehrenamtlichen sei diese Klage jedoch nicht zu hören. »Grundsätzlich müsste unser reiches Land in der Lage sein, noch mehr Menschen aufzunehmen, die vor Krieg und unterschiedlichster Not aus ihrer Heimat fliehen und Zuflucht bei uns suchen«, sagte Kurschus. »Die These, jeder zusätzliche Geflüchtete gebe den Rechtsextremisten weiteren Auftrieb, halte ich für zu kurz gesprungen.«
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt im SPIEGEL-Gespräch einen härteren Ton in der Asylpolitik angeschlagen: »Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.« Das Bundeskabinett billigte diese Woche einen entsprechenden Gesetzentwurf. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den SPIEGEL zufolge stimmen 86 Prozent der Deutschen der Aussage des Kanzlers zu.
Kurschus verteidigte auch das kirchliche Engagement für die Seenotrettung. »Ich stehe weiterhin dazu«, sagte die EKD-Ratsvorsitzende. »Wir schauen nicht tatenlos zu, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken.«
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