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Energiepolitik: Ampel-Koalition verzichtet auf Sondersitzung zum Heizungsgesetz - Handelsblatt

Berlin Eigentlich hätte an diesem Freitag eine lange Hängepartie enden sollen. Die Abgeordneten des Bundestags, so der Plan der Ampelkoalition, sollten die Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) beschließen.

Eine Sondersitzung während der parlamentarischen Sommerpause wird es deshalb aber nicht geben. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will das umstrittene Gesetz zum Umstieg auf klimafreundliche Heizungen in einer regulären Sitzungswoche des Bundestages Anfang September verabschieden, wie ihre Fraktionsspitzen am Donnerstag mitteilten.

Ausgegangen war der Eingriff des Gerichts von einem Antrag des CDU-Parlamentariers Thomas Heilmann. Dieser sah seine Rechte als Abgeordneter verletzt und hatte vor einer Woche eine einstweilige Anordnung beantragt. Heilmann hatte kritisiert, dass dem Parlament nicht ausreichend Zeit für Beratungen über das Vorhaben zur Verfügung stehe. Das Karlsruher Gericht gab dem Antrag am späten Mittwochabend statt.

Ein herber Dämpfer für die Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP, die darauf offenbar nicht vorbereitet waren und zunächst mit Sprachlosigkeit reagierten – während Heilmann und die Union die Entscheidung der Karlsruher Richter feierten.

Heilmann über Heizungsgesetz: „Ich habe der Ampel einen Gefallen getan“

Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, erklärte unmittelbar nach der Bekanntgabe: „Das Gebäudeenergiegesetz muss gewissenhaft überarbeitet und nachgebessert werden.“ Die Ampel habe das Gesetz „mit dem Rammbock“ durchsetzen wollen. Das wäre ein fatales Zeichen gewesen, da noch viele Fragen offen seien.

Die angekündigten Förderprogramme seien weder abgestimmt noch finanziert. Das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung liege nicht vor. In ihrer Zeit im Bundestag habe sie „ein solch überstürztes Verfahren noch nie erlebt“.

Eine Sondersitzung hätte aus Heilmanns Sicht nicht ausgereicht, wie er am Donnerstagmorgen erklärte. Er riet der Ampelkoalition, auch Experten erneut anzuhören und den zuständigen Bundestagsausschuss tagen zu lassen. Anderenfalls gehe die Koalition das Risiko ein, dass das Gesetz später aus formalen Gründen für verfassungswidrig erklärt werde.

Verfassungsrechtler zum Heizungsgesetz: „Die Koalition sollte in sich gehen“

FDP-Fraktionschef Christian Dürr wertete den vorläufigen Stopp des Heizungsgesetzes durch die Karlsruher Richter als Beleg für umfangreichen Änderungsbedarf an der GEG-Reform. „Karlsruhe hält es angesichts der außergewöhnlich umfangreichen Änderungen für möglich, dass Rechte der Abgeordneten verletzt würden, würde das Gesetz diese Woche beschlossen“, sagte Dürr am frühen Donnerstagmorgen in Berlin. „Die Entscheidung unterstreicht daher, dass das Gebäudeenergiegesetz vom Kopf auf die Füße gestellt wurde.“

Der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza wertete die Karlsruher Entscheidung als Mahnung an die Ampelkoalition: „Die Regierungsmehrheit sollte in sich gehen und das Parlament nicht unter ihren internen Querelen leiden lassen“, sagte der Hochschullehrer dem Handelsblatt. Wie die Hauptsacheentscheidung ausgehe, sei allerdings „völlig offen“, betonte Pestalozza.

Bundesverfassungsgericht

Der Zweite Senat des Verfassungsgerichts muss in der Hauptsache noch entscheiden.

(Foto:&#160dpa)

Der Münchener Verfassungsrechtler Martin Burgi hält die Tendenz zu immer kürzeren Verfahren für ein Problem. „Es hat in den vergangenen Jahren immer wieder Unmut darüber gegeben, dass Gesetzesvorhaben durchgepeitscht wurden. Das wurde schon vor der Ampel-Koalition kritisiert, aber es hat sich zuletzt zugespitzt“, sagte Burgi dem Handelsblatt. In akuten Krisensituationen könnten eilige Verfahren nötig sein, doch beim GEG sei keine Eilbedürftigkeit zu erkennen. „Hier wurde Druck gemacht, um Streitigkeiten der Koalitionspartner während der Sommerpause zu verhindern. Das ist kein legitimer Grund“, ergänzte der Verfassungsjurist.

„Das Grundgesetz ist mit Blick auf Fristen während des eigentlichen Gesetzgebungsverfahren dürr“, sagte er. Die bekannten Regelungen seien zum großen Teil in der Geschäftsordnung des Bundestags zu finden, die sich das Parlament selbst gibt Dass das Bundesverfassungsgericht sich nun selbst mit der Frage befassen wolle, welche Anforderungen an das Verfahren zu stellen seien,  sei „sehr zu begrüßen“. Damit werde Klarheit geschaffen und es ließen sich jahrzehntelange Diskussionen beenden.

Handwerk erwartet Planungssicherheit ab Herbst

Im Handwerk, dem bei der Umsetzung des Heizungsgesetzes eine zentrale Rolle zukommt, stößt die Karlsruher Entscheidung auf Verständnis: „Wir haben von Beginn an gesagt: Dieses Gesetz braucht intensive Beratung; ein ,Durchpeitschen‘ verbietet sich“, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, im Interview mit dem Handelsblatt.

Mit dem Gesetz sollten schließlich für Jahrzehnte die Weichen für den Wärmebereich neu gestellt werden. Doch es seien nur wenige Tage eingeplant gewesen, um die Expertise der Verbände und aus der Praxis einzuholen. Gleiches gelte für die parlamentarischen Beratungen, sagte Dittrich. „Da ist viel Vertrauen verspielt worden.“

Positiv aus Sicht des Handwerks ist, dass in der jetzigen Gesetzesfassung zwei Kernforderungen – Technologieoffenheit und die Verzahnung mit einer Wärmeplanung – erfüllt seien. Echte Planungssicherheit hätte es aber auch noch nicht gegeben, wenn das Gesetz wie geplant am Freitag beschlossen worden wäre, sagte der Handwerkspräsident weiter.

Denn eine ganze Reihe von Fragen sei immer noch offen – etwa zur Förderkulisse, die die Wärmewende flankieren solle, und deren Finanzierung. Und auch das eigentliche Wärmeplanungsgesetz liege noch nicht vor.

„Die Politik wäre jetzt gut beraten, die Zeit bis zum Herbst zu nutzen, in einem geordneten Verfahren zunächst Förderkonzept und Wärmeplanung abzuschließen und dann ein stimmiges Gesamtpaket mit angemessenen Übergangsfristen auf den Weg zu bringen, das die Betriebe in die Lage versetzt, ihre Kunden verlässlich zu beraten und es umzusetzen“, forderte Dittrich.

Heizungshersteller üben Kritik

Kritisch äußerte sich der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH): „Die politisch verursachte und seit Monaten anhaltende Hängepartie geht in die Verlängerung und damit die Verunsicherung der Verbraucher und der gesamten Wertschöpfungskette“, sagte BDH-Hauptgeschäftsführer Markus Staudt.

Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), kritisierte, dass die Verunsicherung im Markt nicht nur die Heizungshersteller betreffe, sondern auch die Installateure. Eine rechtssichere Beratung über Modernisierungsoptionen im Heizungskeller bleibe mit der von der Ampelkoalition zu verantwortenden Hängepartie in Sachen GEG weiter nicht möglich. „Es steht zu befürchten, dass selbst modernisierungswillige Anlagenbetreiber jetzt erst einmal ihre Investitionsentscheidung aufschieben werden“, sagte Bramann.

>> Lesen Sie hier: Stampft das Heizungsgesetz ein und fangt noch mal von vorne an – ein Kommentar

BDH und ZVSHK fordern die Politik auf, für nachhaltig attraktive und verlässliche Förderbedingungen zu sorgen. Die neue Förderung müsse spätestens zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Um bis zum Starttermin keinen Stillstand im Markt auszulösen, solle ein Wahlrecht für alle Antragsteller vom Zeitpunkt der Verabschiedung des GEG bis zum Starttermin der neuen Förderbedingungen eingeführt werden.

Dieses Wahlrecht solle es den Bürgerinnen und Bürgern erlauben, sich für die jeweils besseren Förderbedingungen zu entscheiden, fordern BDH und ZVSHK. Hintergrund sind die Pläne der Koalition zur künftigen Förderung des Heizungstauschs.

Zwar sollen die Fördersätze von derzeit bis zu 40 Prozent auf bis zu 70 Prozent erhöht werden; allerdings sollen die förderfähigen Investitionskosten von 60.000 Euro auf 30.000 Euro halbiert werden. In vielen Fallkonstellationen würde die künftige Förderung damit niedriger ausfallen als die heutige.

Heizungsgesetz: FDP hatte auf Änderungen gedrungen

Innerhalb der Ampelregierung hatte vor allem die FDP auf Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs gedrungen. Zwar hatte das Kabinett bereits im April dem Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) und dem Bauministerium von Klara Geywitz (SPD) zugestimmt. Doch damals schon gab Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu Protokoll, dass die Fraktionen des Bundestags den Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren intensiv beraten und weitere Änderungen vornehmen würden.

Das war ein eher unübliches Vorgehen: Schließlich ist es vollkommen normal, dass Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren noch verändert werden, bevor der Bundestag sie beschließt.

Schwierig gestaltete sich auch die Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag. Erst als sich die Koalitionsfraktionen am 13. Juni über sogenannte „Leitplanken“ zu dem Entwurf verständigt hatten, stimmte die FDP den Beratungen im Parlament zu. Am 15. Juni wurde der letztlich veraltete Gesetzentwurf in erster Lesung im Bundestag beraten und an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen.

Dieser hörte am 21. Juni Sachverständige und beraumte für den 27. Juni eine Sondersitzung an. Die Änderungsanträge für das Gesetz liegen erst seit vergangenem Freitag vor. Das führte dazu, dass die Sachverständigen vor der zweiten Anhörung am Montag dieser Woche nur das Wochenende zur Verfügung hatten, um die Papiere zu sichten und sich auf die Anhörung vorzubereiten.

Mehr: Verfassungsgericht stoppt Verabschiedung von umstrittenem Heizungsgesetz

Erstpublikation: 06.07.2023, 13:20 Uhr (zuletzt aktualisiert am 06.07.2023, 13:32 Uhr).

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