In Leipzig hat die Polizei bis in die frühen Morgenstunden Demonstranten eingekesselt. Das teilte ein Sprecher der Leipziger Polizei am Sonntagmorgen mit. Am Samstagabend hatte die Polizei begonnen, Personalien aufzunehmen. Insgesamt seien schätzungsweise 500 Menschen eingekesselt worden, hieß es. Um Identitäten festzustellen, seien auch Demonstranten mit auf die Polizeiwache gebracht worden.
Zuvor hatte die Polizei nach gewalttätigen Auseinandersetzungen bei einer Demonstration von „massiven Ausschreitungen“ im Leipziger Süden gesprochen. Es hätten rund 1500 Teilnehmer an der Demonstration auf der Karl-Liebknecht-Straße teilgenommen, erklärte Polizeisprecher Olaf Hoppe in einem Videostatement am Samstagabend. „Darunter nach unsere Einschätzung ein Drittel davon gewaltgeneigt oder gewaltsuchend.“ Zunächst war von 1000 Teilnehmern die Rede – angemeldet waren 100.
Nach Beobachtungen von WELT-Reportern kam es zu einzelnen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei am Alexis-Schumann-Platz. Beamte kesselten unter anderem eine Gruppe Randalierer ein, um ihre Identitäten festzustellen. Dabei versuchten auch einige, sich der Identitätsfeststellung zu entziehen – unter anderem, indem sie über Kreislaufprobleme klagten.
Auf beiden Seiten des Platzes brachte die Polizei zehn Wasserwerfer in Stellung. „Die Lage auf der Karl-Liebknecht-Straße wird unfriedlich. Unsere Kräfte werden immer wieder attackiert und mit Steinen/Pyrotechnik beworfen“, schrieb die Polizei zuvor bei Twitter. Man appelliere an alle Personen dort, sich von Straftätern zu distanzieren und friedlich zu verhalten. „Unbeteiligte werden gebeten, den Bereich zu verlassen bzw. zu meiden.“
Nach Angaben von Reportern gab es Böllerschüsse; Steine, Flaschen und ein Brandsatz flogen auf Polizisten. Immer wieder kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen kleinen Gruppen von Demonstranten und Polizeibeamten. Die Polizei war mit einem Großaufgebot aus mehreren Bundesländern vor Ort, über dem Platz kreiste ein Polizeihubschrauber. Die Beamten ließen die Teilnehmer zunächst nicht loslaufen und forderten, Vermummungen abzunehmen.
Am späten Samstagabend versammelten sich im Süden der Stadt nach Polizeiangaben mehrere Hundertschaften der Bereitschaftspolizei. Diese stellten sich auf einen „gewalttätigen Verlauf“ in dieser Phase des Einsatzes ein, hieß es. An mehreren Stellen wurden Barrikaden entzündet, die Polizei sprach von „Zusammenrottungen von augenscheinlich gewaltbereiten Personen“ an verschiedenen Orten in dem Stadtteil. Die Polizei rief zur Besonnenheit auf, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen.
Polizeiwache am Connewitzer Kreuz mit Steinen beworfen
In Leipzig-Connewitz brannten mindestens zwei Barrikaden aus Mülltonnen und Paletten. Das berichteten dpa-Reporter. Daneben gab es in der Wolfgang-Heinze-Straße auch Pyrotechnik und Böller. Vermummte warfen immer wieder neues Holz ins Feuer. Polizei war vor Ort – und begann kurz vor 23 Uhr, die Barrikaden mit Wasserwerfern zu löschen.
Am Connewitzer Kreuz versammelten sich nach Polizeiangaben am Abend rund 300 Menschen aus der gewaltbereiten linken Szene. An der Wiedebachpassage wurde die Polizeiwache mit Steinen beworfen. Dabei wurden laut Polizei zwei Beamte verletzt, die das Objekt bewachten. An verschiedenen Orten in dem Stadtteil wurden Barrikaden entzündet. Fotos einer dpa-Reporterin zeigen beschädigte Scheiben und herumliegende Pflastersteine. Einsatzkräfte würden dort zusammengezogen, hieß es. Auch Wasserwerfer wurden in Stellung gebracht.
Ein Haftrichter erließ bis zum Abend fünf Haftbefehle. Das teilte eine Sprecherin der Polizei auf Anfrage mit. Betroffen seien fünf Männer im Alter zwischen 20 und 32 Jahren. Sie hatten an der Demonstration am Alexis-Schumann-Platz teilgenommen. Nach Angaben der Sprecherin wird ihnen Landfriedensbruch vorgeworfen.
Die Stadt Leipzig hatte die ursprünglich geplante „Tag-X“-Demonstration wegen des hohen Gefahrenpotenzials untersagt. Hintergrund waren Gewaltandrohungen in sozialen Netzwerken, die Gefahrenprognose der Polizei und Einschätzungen des Verfassungsschutzes. Beschwerden dagegen waren auch vom Verwaltungsgericht Leipzig und dem Oberverwaltungsgericht in Bautzen zurückgewiesen worden.
Nach dem Urteil gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. hatte die linke Szene bundesweit für die Solidaritätsdemonstration am Samstag unter dem Motto „United we stand – Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!“ mobilisiert. Linksautonome drohten, für jedes Jahr der gegen E. verhängten Haftstrafe eine Million Euro Sachschaden anzurichten.
Polizei kontrolliert Reisende nach Leipzig auf Pyrotechnik
Am Nachmittag hatte die Polizei die Einreisenden unter anderem an Bahnhöfen kontrolliert. Eine Sprecherin sagte WELT: „Wenn jemand Pyrotechnik oder Vermummungsmaterial dabei hat, also in unfriedlicher Absicht nach Leipzig kommt, können wir ein Aufenthalts- und Betretungsverbot aussprechen.“ Je nach Situation werde erst kurz am Bahnsteig kontrolliert. Bei Hinweisen im Gepäck werde die Person dann mit zu den Polizeifahrzeugen genommen.
Die Stadt feiert dieses Wochenende obendrein mit zahlreichen Veranstaltungen ihr 1000-jähriges Bestehen. Am Samstag trat zudem der Sänger Herbert Grönemeyer in Leipzig auf, und der 1. FC Lok Leipzig und der Chemnitzer FC standen im Finale des Sachsenpokals.
Am frühen Samstagnachmittag brannten mehrere Fahrzeuge und Mülltonnen. Eine Sprecherin der Polizei sprach von einer einstelligen Zahl an Bränden vor allem im Süden und Südwesten der Stadt. In der Nacht war bei Krawallen erheblicher Schaden entstanden. In der Spitze hatten sich etwa 700 Personen im Leipziger Süden versammelt. Aus kleineren Gruppen heraus wurden an verschiedenen Stellen Einsatzkräfte, in Einzelfällen auch von Dächern aus, beworfen. Es wurden Barrikaden gebaut und Feuer entzündet.
Mit derzeitigem Stand hat die Polizei 23 leicht verletzte Polizeibeamte und 17 beschädigte Einsatzfahrzeuge zu verzeichnen. Auch mehrere Fahrzeuge von Unbeteiligten wurden teils in Brand gesetzt und beschädigt. Zudem entstand an einer Sparkassenfiliale in der Zweinaundorfer Straße ein Schaden in hoher fünfstelliger Summe.
Lina E. war am Mittwoch wegen gewalttätiger Überfälle auf Rechtsextremisten zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, kam sie nach zweieinhalb Jahren Untersuchungshaft zunächst auf freien Fuß. Die drei 28 bis 37 Jahre alten Mitangeklagten erhielten Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.
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