Nach einem unwürdigen monatelangen Hin und Her hat der Parteivorstand der Linken am Samstag verkündet, dass für Sahra Wagenknecht, eines der prominentesten Gesichter der Partei, kein Platz in ihrer Mitte mehr sei.
„Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“, teilte Parteichef Martin Schirdewan am Samstag nach einer Beratung mit.
Und zog damit die Konsequenzen aus den Dauerquerelen mit dem Partei-Enfant terrible. Man habe „wiederholt“ das Gespräch mit Wagenknecht gesucht, heißt es in dem Beschluss.
Ein endgültiger Schritt
Man habe von ihr gefordert, „von der Gründung eines konkurrierenden Parteiprojekts“ Abstand zu nehmen, von einem Ultimatum ist die Rede.
Man habe ihr „als Parteivorstand zuletzt vor zwei Wochen sehr deutlich gemacht, dass sie öffentlich und zeitnah Abstand von dem Plan der Gründung einer konkurrierenden Partei“ nehmen soll, sagte Parteichefin Janine Wissler. Das Ultimatum ließ Wagenknecht verstreichen, goss in einem Interview mit „Welt“ sogar wieder Öl ins Feuer.
Sie sei in einige Diskussionen involviert, ließ sie wissen und hoffe, dass etwas in Bewegung komme. Viele Parteimitglieder hatten die Situation in der Vergangenheit als nicht mehr tragbar bezeichnet.
Nun also der endgültige Bruch, der ein Zeichen setzen und die ständigen Streitereien endgültig beenden soll. Doch zumindest auf den ersten Blick scheint der Vorstand mit seinem irreversiblen Schritt das Gegenteil erreicht zu haben, noch tiefer werdende Gräben zeichnen sich ab.
Fraktionsvorsitzende greift Vorstand an
So sprach sich die Fraktionschefin im Bundestag, Amira Mohamed Ali, explizit gegen den Beschluss aus. Sie halte die Entscheidung für einen „großen Fehler und einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen schreibt“, teilte Mohamed Ali am Samstagabend mit.
Die Partei habe ihren Wählerinnen und Wählern und all den Menschen gegenüber, die ohne sie keine Stimme hätte, eine wichtige Aufgabe. „Vorstandsbeschlüsse gegen eigene Mitglieder zu fällen und öffentlich breit zu treten gehört nicht dazu.“
Linken-Politiker fordern Vorstand zu Rücktritt auf
Der frühere Parteivorsitzende Klaus Ernst und der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Alexander Ulrich, forderten den Bundesvorstand am Sonntag auf, „seinen geschlossenen Rücktritt zu erklären“. Die Forderung an Wagenknecht, ihr Bundestagsmandat zurückgeben, sei „absurd“, hieß es in der Erklärung.
Ernst und Ulrich beschuldigten den Linken-Vorstand um die beiden Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan, „die Partei mit diesem Beschluss zu spalten und in die Bedeutungslosigkeit zu führen“.
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Sie würden zerstören, „was andere aufgebaut haben“, so der Vorwurf. Sie spreche „für Millionen Menschen in der Bevölkerung und für Tausende Mitglieder an der Parteibasis, die sich von diesem Vorstand und seinem Kurs nicht mehr vertreten fühlen“.
Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen, die als enge Vertraute Wagenknechts gilt, sagte dem Tagesspiegel, dass mit der Entscheidung des Vorstands der Kurs in Richtung einer bedeutungslosen Sekte noch verschärft werde. „Dieser Weg ist selbstzerstörerisch.“ Zugleich werde „die AfD gemästet.“
Statt sich mit den massiven Problemen im Land zu beschäftigen, versuche man, die populärste Politikerin herauszudrängen, die Bundestagsfraktion aufzulösen und die eigene Partei zu spalten.
Ernst, Ulrich und Dagdelen werden zu den Unterstützer:innen Wagenknechts gezählt, die im Falle einer Parteigründung Wagenknechts mit ihr gehen würden. Sahra Wagenknecht selbst sei zu der Organisation einer Partei gar nicht in der Lage, heißt es in der Linken hinter vorgehaltener Hand.
Ich nehme wahr, dass viele Mitglieder an der Basis auf so einen Beschluss gewartet haben und ihn auch als Befreiungsschlag erleben
Nicole Gohlke, bildungspolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken.
Nicole Gohlke, die bildungspolitische Sprecherin der Linken, rechtfertigt den Beschluss im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Der Parteivorstand habe es sich nicht leicht gemacht und immer wieder nach Möglichkeiten gesucht, damit es nicht so weit kommen muss.
Sahra Wagenknecht habe jedoch jeden Tag deutlich gemacht, dass sie sich gegen die Linke entschieden habe und dem Parteivorstand damit keine andere Wahl gelassen. „Ich nehme wahr, dass viele Mitglieder an der Basis auf so einen Beschluss gewartet haben und ihn auch als Befreiungsschlag erleben.“
Die Trennung Wagenknechts von der Linken wird letztlich das Ende der Partei bedeuten.
Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik
Ähnlicher Ansicht ist Caren Lay, Sprecherin ihrer Fraktion für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik. Wer sich seit zwei Jahren mehr an der eigenen Partei abarbeite als an den Verhältnissen und ein Konkurrenzprojekt plane, könne nicht erwarten, dass das unbeantwortet bleibe. „Solidarität ist keine Einbahnstraße.“
Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, sieht indes schwarz für eine Zukunft der Linkspartei ohne deren einstige Ikone.
Vieles spreche dafür, dass die Chancen einer Wagenknecht-Partei weit größer sein würden als die der verbleibenden Linkspartei, sagte er dem Tagesspiegel.
„Mit Frau Ali ist bereits eine Person eindeutig zu Wagenknecht-Fraktion übergelaufen. Ihr werden viele weitere folgen.“ Der Trennung der Linken von Wagenknecht sei längst die Trennung Wagenknechts von der Linken vorausgegangen. „Und diese wird letztlich auch das Ende der Linkspartei bedeuten.“
Zuversichtlicher zeigt sich der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder. „Ohne Wagenknecht wird es weniger Glamour geben in der Partei, aber auch weniger Streit, und damit auch die Chance auf mehr Geschlossenheit.“
Schroeder sieht eine Parallele zur AfD, konkret zur Personalie Jörg Meuthen, mit dessen Rückzug die innerparteiliche Querelen in der AfD deutlich abgenommen haben. „Der Sinkflug der Linkspartei hat sich ja mit Sarah Wagenknecht ereignet, insofern kann die Linkspartei auch ohne sie die Dinge wieder nach vorne bringen.“
Es sei nicht zu unterschätzen, welche Rolle die Personalisierung von Politik In diesen Milieus spiele. „Wenn man davon ausgeht, dass die Probleme der Linkspartei struktureller Natur sind, dann wird mit dem Rückzug von Wagenknecht nicht einfach das Ende der Probleme verbunden sein.“ Vor allem, wenn wichtige Teile der Linkspartei mit dem Weg Wagenknechts d`accord seien.
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