Rechtschreibung in der Schule ist wichtig und Teil der Bewertung - aber nicht immer. Ausnahmen gibt es in den meisten Bundesländern für Legasthenikerinnen und Legastheniker. Ob sie einen Zeugnisvermerk darüber akzeptieren müssen, dass ihre Rechtschreibleistungen nicht in die Noten eingeflossen sind, darüber verhandelt am heutigen Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Abiturienten aus Bayern klagten
Drei ehemalige Abiturienten aus Bayern fühlten sich wegen solcher Vermerke diskriminiert und klagten. "Es geht um die Themen Selbstbestimmung und Chancengleichheit", sagte vorab ihr Anwalt Thomas Schneider aus München. Die Zeugnisnotiz sei eine große Benachteiligung - etwa bei Bewerbungen um einen Studien- oder Arbeitsplatz. Eine Entscheidung des Gerichts wird erst in einiger Zeit erwartet.
Ein "Nachteilsausgleich" ist üblich
Das Grundgesetz will Menschen mit Behinderung vor Benachteiligung schützen. Es ist außerdem anerkannt, dass sie einen Anspruch auf Chancengleichheit bei Prüfungen haben. Deshalb können betroffene Schülerinnen und Schüler bei Prüfungen einen sogenannten Nachteilsausgleich bekommen, beispielsweise in Form von mehr Zeit zum Schreiben.
In den meisten Bundesländern wird solch ein Nachteilsausgleich praktiziert, so auch in Bayern. Hier ist es außerdem möglich, dass Lehrkräfte die Leistung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung anders bewerten. Notenschutz nennt sich diese Vorgehensweise. Bestimmte Aspekte fließen dann nicht in die Noten mit ein - bei Legasthenikern etwa die Rechtschreibung. Hierin sieht die bayrische Schulverwaltung eine Bevorzugung der betreffenden Schüler und besteht auf einem entsprechenden Hinweis im Zeugnis.
Zeugnisvermerk - eine Benachteiligung von Behinderten?
In den Fällen, die nun vor dem Verfassungsgericht verhandelt werden, bekamen die Kläger bei ihrem Abitur im Jahr 2010 sowohl einen Zeitzuschlag bei schriftlichen Prüfungen als auch einen Notenschutz. In ihrem Zeugnis stand dann dementsprechend ein Vermerk darüber, dass die Rechtschreibleistungen nicht bewertet wurden.
Die Kläger sehen in dieser Praxis jedoch unter anderem einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderung und das Gebot der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit. Ihr Vertreter betonte, dass eine Zeugnisbemerkung sofort zu Nachfragen führe und sie damit in ihrer Selbstbestimmung einschränke. Auch bestehe die Gefahr, in Bewerbungsprozessen von vornherein abgelehnt zu werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert
Die Abiturienten klagten gegen die Hinweise in ihren Zeugnissen, zunächst bis zum Bundesverwaltungsgericht. Dieses erteilte ihnen 2015 eine Absage und entschied, dass kein Anspruch auf Notenschutz bestehe ohne dessen Dokumentation im Zeugnis. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird erst in einiger Zeit erwartet.
Bis zu zehn Prozent der Bevölkerung hat Legasthenie
Personen mit Lese- und Rechtschreibestörungen sind grundsätzlich fachlich genauso kompetent wie Menschen ohne Legasthenie. Sie haben aber Schwierigkeiten, ihr Wissen schriftlich darzulegen. Die Ursachen der Störung liegen in genetisch bedingten Einschränkungen des Sprachzentrums im Gehirn und sind laut Experten nicht auf geringe Intelligenz oder fehlende Beschulung zurückzuführen.
Dabei hat etwa ein Drittel der Betroffenen Schwierigkeiten mit Lesen und Schreiben, je ein weiteres Drittel nur beim Lesen oder beim Schreiben. Bei einigen kann zusätzlich noch Dyskalkulie auftreten, eine Rechenstörung. Genaue Statistiken zur Anzahl der Betroffenen gibt es nicht, Experten gehen von fünf bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Das wären bis zu acht Millionen Menschen in Deutschland.
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