Was in den vergangenen Stunden geschah
In der Nacht wurde für zwei Drittel der Ukraine eine Warnung vor Luftangriffen ausgesprochen. Diese gilt für die Hauptstadt Kiew und den kompletten Osten des Landes. Laut der Regierung in Kiew wurde die Luftabwehr in den Außenbezirken der Metropole in den frühen Morgenstunden des Dienstags aktiv. Zudem seien Explosionen zu hören gewesen. Im Vorfeld war erwartet worden, dass Russland seine Angriffe zum Jahrestag des sowjetischen Siegs über Nazideutschland noch einmal verschärfen könnte. Über mögliche Tote, Verletzte und Sachschäden wurde vorerst nichts bekannt.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Verteidigung der Ukraine in eine Reihe mit dem Kampf gegen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg gestellt. »Heute, am 8. Mai, wenn sich die Welt an die Worte ›Nie wieder!‹ erinnert, geben wir in der Ukraine diesen Worten eine Bedeutung«, sagte der 45-Jährige in seiner allabendlichen Videoansprache. Es gehe nicht nur darum, sich zu erinnern, sondern seine Werte auch zu schützen und Aggressoren zu besiegen. Am 8. Mai wird in Europa des Endes des Zweiten Weltkriegs gedacht.
Wolodymyr Selenskyj (am 5. Mai)
Foto: IMAGO/Sarsenov Daniiar/Ukrainian Presi / IMAGO/ZUMA Wire»Die Erfolge der Ukrainer bei der Verteidigung gegen die russische Aggression sind eindeutig ein Gegengift gegen andere Aggressionen«, sagte Selenskyj. Die Welt könne sehen, wie sich ein freies Volk vor Eroberern schütze. »Wenn wir das können, können dies andere auch.«
Selenskyjs Ansprache dürfte sich angesichts der bevorstehenden Siegesparade in Moskau auch gegen die russische Propaganda richten. Diese beansprucht für den Kreml das Monopol auf den Sieg gegen Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg und verklärt den eigenen Angriffskrieg gegen die Ukraine quasi zur Fortsetzung des sowjetischen Abwehrkampfs.
Angesichts von weitgehend abgewehrten russischen Drohnenangriffen richtete Selenskyj zudem einen Dank an die Flugabwehr. Über die bevorstehende ukrainische Offensive, mit der Kiew eigenen Boden zurückerobern will, sagte Selenskyj hingegen wenig. Er sprach lediglich von »guten Nachrichten« bei der Munitionsversorgung, ohne Details zu nennen. Der Nachschub an Munition gilt seit Monaten bei beiden Kriegsparteien als großes Problem.
Zudem forderte Selenskyj eine schnellere Minenräumung. In der Ukraine seien 170.000 Quadratkilometer – das entspricht fast der halben Fläche Deutschlands – minenverseucht. Normalerweise dauere eine solche Räumung Jahrzehnte, doch es müsse schneller gehen, sagte er.
Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat seinen Nachfolger Oleksij Makejew scharf angegriffen. »Er sollte sein Gesäß hochkriegen, bei überlebenswichtigen Themen wie deutschen Kampfjets und Kriegsschiffen sowie einem Nato-Beitritt endlich lautstark werden und Ergebnisse liefern«, sagte der jetzige ukrainische Vizeaußenminister Melnyk dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Ex-Botschafter Andrij Melnyk (im Mai 2022)
Foto: Michele Tantussi / REUTERS»Indem er alles zertrampelt, was sein Vorgänger mit Schweiß und Blut geschaffen hat, hat Herr Makejew auch mir einen Fehdehandschuh ins Gesicht geschleudert«, sagte Melnyk.
Bereits Ende April hatte Melnyk seinen Nachfolger scharf kritisiert. Makejew hat die Kritik zurückgewiesen. Dem SPIEGEL sagte er in der vergangenen Woche: »Der Botschafter der Ukraine in Berlin bin jetzt ich. Und die Ergebnisse bei den Waffenlieferungen können sich sehen lassen.«
Zudem verwies er auf die Reaktionen auf »diese unglücklichen Angriffe meines Vorgängers«. »Höchst unprofessionell« habe eine der Bewertungen gelautet. Anders als Melnyk stehe ihm jede Tür offen, er habe bereits mehrfach mit dem Kanzler, dem Bundespräsidenten, der Außenministerin und dem Verteidigungsminister gesprochen.
Das sagt Moskau
Neue Regenfälle haben nach Einschätzung der russischen Besatzungsbehörden in der Südukraine den Beginn der erwarteten Offensive Kiews verzögert. »Wieder hat instabiles feuchtes Wetter Einzug gehalten. Der Boden muss zehn bis zwölf Zentimeter durchgetrocknet sein, damit die Technik darüber rollen kann«, sagte der Verwaltungschef des von Moskau kontrollierten Teils von Saporischschja, Jewgeni Balizki, im russischen Fernsehen. Trotzdem könne die Gegenoffensive »jeden Moment beginnen«.
Am vergangenen Freitag hatte die russische Verwaltung mit der Evakuierung der frontnahen Ortschaften im Gebiet Saporischschja begonnen. Davon betroffen ist auch die Stadt Enerhodar, in der sich das Atomkraftwerk Saporischschja befindet. Balizki sprach von einer zeitweisen Umsiedlung der Bewohner zur Sicherheit der Bevölkerung.
Russland hat in seinem vor mehr als 14 Monaten begonnenen Krieg vor allem im Süden und Osten der Ukraine größere Landstriche besetzt. Insgesamt hält Russland immer noch – einschließlich der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim – rund 20 Prozent des ukrainischen Territoriums unter seiner Kontrolle. Militärexperten erwarten nach der weitgehend erfolglosen Winteroffensive der Russen nun eine ukrainische Gegenoffensive, mit der Kiew Gebiete zurückerobern will.
Die Truppen der russischen Söldnergruppe Wagner können nach den Worten ihres Chefs Jewgenij Prigoschin im schwer umkämpften Bachmut nur langsam weiter vorstoßen. »Heute sind die Gruppen maximal 130 Meter vorgerückt. (...) Es finden heftige Kämpfe statt, aber die Gruppen rücken weiter vor«, sagte Prigoschin in einer Audiobotschaft in den sozialen Medien. Bislang sei die verlangte Munition aus Moskau noch nicht eingetroffen. Stunden zuvor hatte er noch erklärt, erste Lieferungen seien angelaufen.
Prigoschin erklärte, er wolle später mehr dazu sagen – vorerst aber die Feierlichkeiten in Moskau zum Jahrestag des sowjetischen Siegs über Nazideutschland nicht stören. Mit seiner extrem deutlichen Forderung nach besserer militärischer Versorgung hatte der Wagner-Chef zuletzt für Aufsehen gesorgt und dabei auch höchste Militärkreise in Moskau direkt kritisiert.
Humanitäre Lage
Nach Angaben der Vereinten Nationen sind am Sonntag und Montag keine ankommenden Schiffe im Rahmen des Getreideabkommens von Russland inspiziert worden. Die Regierung in Moskau droht mit einer Aufkündigung des Deals zum 18. Mai, da Russland seine eigenen Getreide- und Düngemittelausfuhren behindert sieht.
Internationale Reaktionen
Die Berichterstattung über den fortdauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Verleihung des Pulitzerpreises in New York geprägt. Die »New York Times« erhielt den Preis in der Kategorie internationale Reportagen für ihre »unerschrockenen« Berichte über den Konflikt, darunter »achtmonatige Recherchen über die Toten in der ukrainischen Stadt Butscha und die dafür verantwortliche russische Armeeeinheit«, wie das Pulitzerpreis-Komitee bekannt gab.
Die Nachrichtenagentur Associated Press wurde mit dem Preis für öffentlich-rechtliche Medien geehrt. Das Komitee würdigte ihre Berichterstattung über die wochenlange russische Belagerung der ukrainischen Hafenstadt Mariupol. Die Agentur erhielt auch den Breaking-News-Preis für Fotografie für »einzigartige Bilder« von den ersten Wochen des Krieges, der im Februar 2022 begonnen hatte.
Was heute passiert
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Auch heute begleitet die Berliner Polizei mit einem Großaufgebot mehrere Veranstaltungen zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa vor 78 Jahren. Am 9. Mai feiert Russland traditionell den sowjetischen Sieg über Nazideutschland. Einer der Einsatzschwerpunkte wird der Aufzug zum Gedenken an die gefallenen sowjetischen Soldaten während des Zweiten Weltkriegs am Platz des 18. März sein. Die Veranstalter erwarten dort laut Polizei etwa 1300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Insgesamt sind laut Polizei in der Stadt mehr als ein Dutzend Veranstaltungen angemeldet. Mitglieder der russisch-nationalistischen Rockergruppe »Nachtwölfe« wollen sich auch auf den Weg nach Berlin machen.
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird zur Feier des Europatags in Kiew erwartet. Nach Angaben eines Sprechers will die deutsche Spitzenpolitikerin in der ukrainischen Hauptstadt unter anderem Präsident Selenskyj treffen und erneut die uneingeschränkte Unterstützung der EU für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland bekräftigen.
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