Stand: 08.05.2023 20:47 Uhr
Geflüchtete müssen von Ländern und Kommunen untergebracht und verpflegt werden, der Bund zahlt aber nur eine Jahrespauschale, nicht pro Kopf. Vor dem Flüchtlingsgipfel am Mittwoch kritisieren das unter anderem die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die Bundesregierung lehnt weitere Finanzzusagen ab.
Vor dem Hintergrund der angespannten Situation bei der Flüchtlingsunterbringung und -betreuung verwies Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bei einer Pressekonferenz in Hannover auf die Mitverantwortung des Bundes bei Unterbringung und Integration der Geflüchteten. Finanziell müsse er sich "erheblich bewegen". Die finanziellen Beiträge des Bundes müssten sich vor allem daran orientieren, wie viele Menschen nach Deutschland kommen - "denn das ist eine Zahl, die Länder und Kommunen definitiv nicht beeinflussen können". Mit einer Jahrespauschalleistung unabhängig von der Zahl der Schutzsuchenden sei es nicht getan.
Günther: "Hilferufe scheinen nicht in Berlin anzukommen"
Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), kritisiert, dass der Bund das bisherige Finanzierungsmodell aufgekündigt habe, nach dem der Bund mehr Geld zahle, wenn mehr Flüchtlinge kommen. Nun zahle der Bund nur eine Pauschale, und "das halten wir für absolut nicht sachgerecht." Bei den Kosten der Unterkunft müsse der Bund wieder 100 Prozent übernehmen. Der Ministerpräsident erwartet vom Bund aber nicht nur finanzielle Hilfe, sondern auch politische. Eine Begrenzung des Zuzuges, mehr Rückführungen, "weil wir dort an Leistungsgrenzen offenkundig ja in allen Teilen Deutschlands kommen. Und hier erwarten wir Antworten." Die Hilferufe aus den Kommunen würden offenbar nicht in Berlin ankommen.
Dressel: "Haltung des Bundes ist nicht akzeptabel"
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel äußerte sich im Gespräch mit NDR 90,3 ebenfalls kritisch: "Die Haltung des Bundes ist weder klug noch akzeptabel." Der SPD-Politiker begründete das mit den hohen Ausgaben, die auch Hamburg etwa für die Integration der geflüchteten Menschen habe. "Meine Erwartung in Richtung Bundesebene ist, dass noch nachgelegt werden muss."
Schwesig: "Streit zwischen Bund und Ländern lässt Stimmung vor Ort weiter hochkochen"
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) riet der Bundesregierung, dass sie es nicht zum Streit kommen lassen solle. Das Thema Flüchtlinge sei hochsensibel, sagte sie gegenüber dem NDR Nordmagazin: "Wir haben einerseits die Schutzverantwortung und andererseits gibt es auch viel Unmut vor Ort, weil wir praktisch an Grenzen sind." Wenn Bund und Länder sich nicht einigen würden, würde die Stimmung noch weiter hochkochen. Finanzminister Heiko Geue (SPD) sagte, die Weigerung des Bundes, die Unterstützung aufzustocken, sei "nicht akzeptabel". Er erwarte "die Solidarität des Bundes bei diesem wichtigen Thema".
Bremen setzt auf hälftige Aufteilung der Kosten
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) setzt sich im Streit um die Finanzierung der Flüchtlingshilfen für eine hälftige Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern ein. "Wenn wir 50:50 durchsetzen könnten, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung", sagte der SPD-Politiker am Montag den Sendern RTL und ntv.
Bund appelliert an Verantwortung der Länder
Regierungssprecher Steffen Hebestreit reagierte am Montag auf die Kritik am Kurs des Bundes und appellierte an die Kompromissbereitschaft der Länder. Die Versorgung der Geflüchteten bleibe eine gemeinsame Aufgabe, zu der Bund, Länder, Städte und Gemeinden gemeinsam aufgerufen sind. Gleichzeitig wies er Rufe nach mehr Geld durch den Bund zurück. Es sei aber nicht akzeptabel, wenn die Kommunen wegen Geldmangel nötige Aufgaben nicht übernähmen, es brauche Unterstützung. Darüber müsse nun gesprochen werden.
Zu Forderungen der Länder nach einer Pro-Kopf-Pauschale für Flüchtlinge sagte Hebestreit, solch eine Pauschale hätten die Länder noch vor zwei Jahren abgelehnt. Daraufhin habe es Änderungen an anderen Stellen gegeben, erklärte Hebestreit und verwies unter anderem auf den höheren Anteil, den der Bund bei den Kosten der Unterkunft trägt.
Agentur: Länder werfen Kanzleramt falsche Berechnungen vor
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters werfen die Länder dem Kanzleramt falsche Berechnungen vor. Der Bund habe seine Hilfen faktisch zurückgefahren - trotz steigender Flüchtlingszahlen. Laut Reuters fordern die Länder unter anderem eine Fallpauschale von etwa 1.000 Euro pro Flüchtling.
Die Bundesregierung vertritt in der Finanzierungsfrage einen anderen Standpunkt. Sie verweist nach ARD-Informationen in einem Entwurfspapier darauf, dass der Bund trotz Haushaltsdefiziten bereits milliardenschwere Hilfe leistet, während die Länder und Kommunen Überschüsse verzeichneten. Laut Grundgesetz seien sie für die Finanzierung selbst zuständig. Der Bund habe zudem in den vergangenen Jahren bereits freiwillig Leistungen übernommen.
Was der Bund bereits bezahlt
Für das laufende Jahr hat der Bund 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchteten aus der Ukraine zugesagt, außerdem eine allgemeine flüchtlingsbezogene Pauschale von 1,25 Milliarden Euro. Darüber hinaus zahlt der Bund für ukrainische Kriegsflüchtlinge und für anerkannte Flüchtlinge aus anderen Staaten, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten, Sozialleistungen.
Deutschland hat im vergangenen Jahr rund 1,2 Millionen Schutzsuchende aufgenommen - etwa eine Million davon kamen aus dem Kriegsland Ukraine. Geflüchtete von dort müssen keinen Asylantrag stellen. Knapp 245.000 Menschen aus anderen Ländern stellten in der Bundesrepublik einen Asylantrag - die meisten von ihnen stammen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.
Grünen-Vorsitzende Lang unterstützt Forderungen der Länder
Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang schließt sich vor dem Flüchtlingsgipfel - abweichend von der bisherigen Linie der Ampel-Koalition - der Forderung der Länder nach mehr finanzieller Unterstützung des Bundes an. Im Bericht aus Berlin in der ARD sagte sie, die Städte und Gemeinden hätten im vergangenen Jahr Unfassbares geleistet. Die Menschen aus der Ukraine seien schnell in Bildungsinstitutionen und Arbeit gebracht worden. Aber es gebe an bestimmten Stellen auch große Probleme, da brauche es konkrete Lösungen, auch finanzielle.
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