Bluttat in Freudenberg Aggression und Wut – Tiktok-Nutzer rufen nach Tod von Luise zu Selbstjustiz auf
Freudenberg · Die Reaktionen im Internet auf den gewaltsamen Tod von Luise (12) in Freudenberg sind heftig. Viele User schaukeln sich hoch und schießen sich auf die beiden mutmaßlichen Täterinnen (12/13) ein. Dabei begeben sich viele auf juristisch dünnes Eis.
Selten hat es in den sozialen Netzwerken des Internets solch heftige Reaktionen auf einen Kriminalfall in Deutschland gegeben. Doch die unfassbare Buttat von Freudenberg in Nordrhein-Westfalen lässt emotionsgeladene Einträge in kaum gekanntem Ausmaß emporschießen. Dabei verstoßen unzählige User gegen Gesetze und machen sie so selbst strafbar. Das stellen Juristen auch in eigenen Einträgen dazu fest.
Gleich in mehrfacher Hinsicht werden Regeln nicht mehr eingehalten. Auslöser dafür ist die große Wut Außenstehender über das, was den mutmaßlichen Täterinnen droht – oder vielmehr eben das, was sie nicht als Konsequenz der tödlichen Messerstiche gegen ihre Schulkameradin (12) zu erwarten haben.
Wie User bei Tiktok auf den gewaltsamen Tod einer Schülerin (12) in Freudenberg reagieren
Es herrscht verbreitet absolutes Unverständnis darüber, dass die Mädchen nicht belangt werden können, auch wenn ihre Schuld erwiesen sein sollte. Denn sie sind Kinder und damit strafunmündig. Laut Gesetz setzt die Strafmündigkeit erst mit 14 Jahren ein.
Wegen dieser strafrechtlichen Ausgangslage und der Brutalität, mit denen die beiden gegen ihre Mitschülerin vorgegangen sein sollen, lassen sich unzählige Internetnutzer zu juristisch fragwürdigen Einträgen hinreißen. Dabei nehmen sie auch keine Rücksicht vor den Persönlichkeitsrechten des Opfers: der getöteten Luise.
So kursieren insbesondere auf der bei jungen Leuten beliebten Videoplattform Tiktok Fotos von ihr, auf denen sie klar zu erkennen ist. In den meisten dieser Beiträge geht es den Verfassern zwar darum, im gut gemeinten Gedenken an das kindliche Opfer den Eltern ihre Mitgefühl auszudrücken. Doch das Persönlichkeitsrecht gelte auch über den Tod hinaus. Darauf weist eine Nutzerin in einem Tiktok-Video ausdrücklich hin.
Moderne Hexenjagd im Internet
Dasselbe gelte für die mutmaßlichen Täterinnen. Doch das spielt offenbar für viele gar keine Rolle. Sie geben offen zu, die Mädchen an den Pranger stellen zu wollen. So spricht eine wütende Frau in ihre Handykamera: „Jeder soll wissen, wer die Täterinnen sind. Alle müssen gewarnt werden.“
Diese moderne Art der Hexenjagd zieht sich durch etliche Filme – ob mit oder ohne Fotos der beiden. Immer wieder äußern darin Kommentatoren, dass die Mädchen vor Gericht gestellt werden müssen. Zumindest aber erwarten sie, dass sie beispielsweise in einer Psychiatrie „weggesperrt“ werden.
Kein Verständnis haben die Verfasser, dass die Schülerinnen wegen ihres Alters nicht belangt werden können. So sei es ihnnen sehr wohl klar gewesen, was sie mit den Messerstichen anstellen, welche Todesqualen das Kind ertragen musste. So müsse es mit einer nachträglichen Gesetzesänderung eine Bestrafung geben, indem das Alter der Strafmündigkeit herabgesetzt wird.
Nachträglich Mädchen belangen, wenn sie 14 Jahre sind?
Doch auch hier widersprechen Juristen. Denn niemand könne in Deutschland nachträglich für eine Tat zur Rechenschaft gezogen werden, für die zur Tatzeit noch keine Strafe drohte. Das gelte in allen Bereichen – nicht nur bei der Frage des Alters. Und aus diesem Grunde sei es auch nicht möglich abzuwarten, bis die beiden Mädchen 14 Jahre sind uns sie dann strafrechtlich zu belangen.
Völlig außer Acht gelassen wird in weiteren Hassbeiträgen die Unschuldsvermutung. Diese gilt nach deutschem Recht bis zu einer Verurteilung vor einem Gericht. So ist in fast ausnahmslos allen Einträgen bei Tiktok von ihnen als Täterinnen die Rede.
Forderung: Eltern für die Tat haften lassen
In weiteren Filmen verlangen Sprecher, dass die Eltern für ihre Töchter in diesem Fall eintreten müssen. Sie sollen zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Moralische Vorwürfe hinsichtlich des möglichen Versagens bei der Erziehung sollen zur Strafen von Staats wegen herangezogen werden. Eine Art Sippenhaft wird darin angestrengt.
Und wenn Gerichte hier nichts ausrichten können, schrecken weitere Tiktoker auch nicht vor Selbstjustiz zurück. Sie setzen bewusst Klarnamen und -fotos der beschuldigten Kinder ein, um auf Jagd nach ihnen zu gehen. Auch den Eltern wird nahe gelegt, „die Sache selbst in die Hand zu nehmen“. Der Aufenthaltsort der beschuldigten Kinder müsse im Namen der Gerechtigkeit herausgefunden werden.
Die Staatsanwaltschaft kündigte bereits an, den Einträgen im Netz nachzugehen. Es soll geprüft werden, wo gegen Recht und Gesetz verstoßen wird. Die beiden Accounts der mutmaßlichen Täterinnen hatte die Staatsanwaltschaft zum Schutz der Persönlichkeitsrechte schließen lassen. Hier hatten sich hunderte von Kommentaren wiedergefunden, die nach dem Grund fragten und die Mädchen attackierten.
Was in Freudenberg passiert ist
Zwei Mädchen (12/13) wird vorgeworfen, ihre Mitschülerin Luise (12) bestialisch umgebracht zu haben. Nach Medienberichten sollen sie sie mit mehr als 30 Messerstichen am Samstag, 1. März, in einem Wald nahe ihrer Heimatstadt getötet haben. Anschließend versuchten sie, die Tat zu vertuschen. Dabei sollen sie sich aber nach Ermittlerangaben in Widersprüche verstrickt haben. Die Leiche wurde am Tatort am Sonntag im nahen Rheinland-Pfalz entdeckt.
Zum Tatmotiv gibt es bis heute keine konkreten Angaben. So halten sich sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft mit Details zurück. Damit sollen Opfer und mutmaßliche Täter gleichsam geschützt werden. Zurzeit berichten verschiedene Medien darüber, dass es womöglich um Rache ging, da das Opfer zuvor Erwachsenen von Mobbing ihr gegenüber berichtet haben soll.
Mittlerweile sind die beiden Klassenkameradinnen, die am Tod schuld sein sollen, anderweitig, abseits der Öffentlichkeit untergebracht. Das Jugendamt kümmert sich um die Kinder. Deren Eltern sollen Freudenberg ebenso verlassen haben und jetzt an einem geheimen Ort sein.
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