Nach der Vorstellung eines Kompromisses im Streit um das Bürgergeld hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Kritik der Opposition an der Sozialreform zurückgewiesen. "Vor allem beim Schonvermögen rate ich ab, in einen Schäbigkeitswettbewerb einzutreten", sagte der FDP-Vorsitzende der Welt am Sonntag.

Wenn Menschen wegen eines Schicksalsschlags in den Bezug rutschten, sollten sie nicht das verzehren müssen, was sie sich vielleicht über Jahrzehnte aufgebaut hätten, sagte Lindner. Das Schonvermögen umfasst bestimmte Freibeträge beim Vermögen, die man nach dem Sozialrecht nicht zum Bestreiten seines Lebensunterhalts einsetzen muss.

Die Ampel hatte sich zuvor auf Änderungen am Bürgergeld geeinigt. Entsprechende Pläne wurden am Freitag bekannt. SPD, Grüne und FDP reagierten damit auch auf Kritik der Opposition an dem Vorhaben. Die Union hatte mit einer Blockade im Bundesrat gedroht. Mit der Neufassung zeigte sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann jedoch ebenfalls unzufrieden. Sie sprach von "Kosmetik" statt ernsthafter Änderungen.

Klingbeil attackiert Union

Nachdem sich die Kritik aus CDU und CSU gehäuft hatte, hat SPD-Chef Lars Klingbeil der Union nun vorgeworfen, die Gesellschaft in der Krise zu spalten. "Da werden diejenigen, die wenig verdienen, gegen diejenigen, die auf den Staat gerade angewiesen sind, gegeneinander ausgespielt", sagte er bei einem Debattenkonvent der Sozialdemokraten. Klingbeil warf CDU und CSU dabei vor, falsche Zahlen zur Wirkung der geplanten Reform des Hartz-IV-Systems zu verbreiten. Dabei bezog er sich auf Angaben aus der Union zur Stellung von Bürgergeld-Beziehern im Vergleich zu Arbeitnehmern.

Der SPD-Chef verwies darauf, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Angabe, nicht arbeitende Bürgergeld-Empfänger hätten künftig mehr Geld zur Verfügung als Vollzeitarbeitnehmer mit geringen Einkommen, widerlegt habe. Man erlebe gerade eine Union, "die unter Markus Söder und Friedrich Merz lügt, mit dem Ziel, die Gesellschaft zu spalten", sagte Klingbeil. Die Union schlage dabei den "Weg von Donald Trump, der Verbreitung von Fake News" ein. Wer sich so verhalte, der habe "nichts mehr in der politischen Mitte dieses Landes verloren".

Mehr Zeit für Qualifizierung

Das Bürgergeld soll nach den Plänen der Bundesregierung zum 1. Januar die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Ziel ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen zudem um rund 50 Euro pro Monat steigen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte die Reform als "eine der größten Sozialreformen seit 20 Jahren" bezeichnet.

Wie aus einer ZEIT ONLINE vorliegenden Formulierungshilfe an die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hervorgeht, soll es nun unter anderem bei der zweijährigen Karenzzeit für Leistungsempfänger einige Verschärfungen geben. Vorgesehen ist etwa, dass die Heizkosten während dieser Zeit nur noch in angemessener Höhe übernommen werden sollen. Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah an dieser Stelle kein Limit für die Kostenübernahme vor. Das hatte die Union scharf kritisiert.

Neu ist etwa auch, dass Leistungsempfänger künftig neben der Erklärung, kein erhebliches Vermögen zu haben, auch noch zusätzlich eine Selbstauskunft beifügen müssen. Auch so soll Leistungsmissbrauch vorgebeugt werden. Der Kompromissvorschlag soll am Dienstag von den Fraktionen abgesegnet werden. Am kommenden Donnerstag will sich der Bundestag in zweiter und dritter Lesung mit der Reform befassen.

Vorbehalte der Opposition wurden auch nach Bekanntwerden der geänderten Pläne nicht ausgeräumt. So sagte Connemann, die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion ist: "Unsere Kritik bleibt: Das Bürgergeld ist eine Abkehr vom Prinzip Fördern und Fordern." Die in Aussicht gestellten Anpassungen änderten nichts an der Substanz des Bürgergelds. Der neue Ampel-Entwurf sehe zwar strengere Regeln für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld vor. Aber: "Das sind keine ernsthaften Änderungen – das ist Kosmetik", sagte Connemann. "Noch immer gibt es keine ernsthaften Anreize, wieder eine Arbeit aufzunehmen. Noch immer soll Geld gezahlt werden, auch wenn keine Leistungsbereitschaft vorliegt."

Finanzminister Lindner betonte dagegen in der Welt am Sonntag: "Das Bürgergeld belohnt Hinzuverdienst und Qualifikation, Verweigerung von Mitwirkung wird sanktioniert. Das Bürgergeld ersetzt Hartz IV nicht durch Lässigkeit, sondern durch mehr Leistungsprinzip." Arbeitsminister Heil sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die Ampel habe schnell auf die Forderungen des Bundesrats reagiert und werde im Bundestag noch zahlreiche Änderungen vornehmen. "Die Erstattung der Heizkosten wird beispielsweise auf Angemessenheit überprüft, um keine falschen Anreize zu setzen. Und die Jobcenter haben stärkere Möglichkeiten, gegen Leistungsmissbrauch vorzugehen." Damit komme die Ampel den Forderungen der Union entgegen.