Search

Boris Palmer bei "Lanz": "Unser Ausländerrecht ist zu kompliziert" - n-tv NACHRICHTEN

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer ist für provokante Äußerungen ebenso bekannt wie für pragmatische Lösungsansätze: Bei "Lanz" spricht er über Probleme bei der Flüchtlingsversorgung. Neben Personalmangel macht ihm vor allem die Bürokratie zu schaffen.

Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. So könnte man das Ergebnis des Flüchtlingsgipfels zusammenfassen, zu dem Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach Berlin geladen hatte. Weitere finanzielle Hilfen für die bessere Unterbringung von Flüchtlingen hat die Ministerin zunächst nicht zugesagt. Stattdessen will Faeser eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Bund, Ländern und Gemeinden einrichten. Die soll bis Ostern Arbeitsstrukturen vorlegen, wie Geflüchtete in Deutschland besser untergebracht und integriert werden können.

Außerdem werde der Bund seine Liegenschaften noch einmal genau prüfen und herausfinden, ob er weitere Unterkünfte für Flüchtlinge mietfrei zur Verfügung stellen kann. Schließlich will sich die Ministerin dafür einsetzen, dass Flüchtlinge aus der Ukraine europaweit besser verteilt werden könnten. So habe Spanien bis jetzt erst 150.000 Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Anfang April soll es einen weiteren Flüchtlingsgipfel geben, zu dem dann Bundeskanzler Olaf Scholz einladen will.

Markus Lanz hat sich im ZDF den inzwischen parteilosen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer eingeladen, um über die drängenden Fragen der Migration zu sprechen. Auf den Flüchtlingsgipfel können die beiden nicht eingehen, weil die Sendung von Donnerstagabend bereits am Mittwochmachmittag aufgezeichnet worden ist - für eine Talkshow mit Anspruch auf Aktualität eigentlich unüblich. Palmer fordert, die Leistungskraft der kommunalen Unterstützungssysteme zu überprüfen. "Ich sehe viele Systeme, die an der Leistungsgrenze oder gar überfordert sind", stellt Palmer fest.

Größtes Problem: Bürokratie

Als größtes Problem nennt der Ex-Grüne in diesem Zusammenhang die Bürokratie: "Wir können die ganzen Anträge schlicht und einfach nicht mehr bearbeiten." Das habe bereits der Deutsche Städtetag kritisiert. Die Regeln im Ausländerrecht seien zu kompliziert, sagt Palmer - und erklärt: Geflüchtete, die arbeiten wollten, bräuchten für eine Arbeitserlaubnis eine Aufenthaltserlaubnis. Die bekämen sie nicht, weil im Ausländeramt nicht genug Mitarbeiter vorhanden seien, die sich die entsprechenden Akten anschauen könnten.

"Ich habe jetzt bei mir in Tübingen mit Hilfe einer städtischen Allgemeinverfügung festgelegt, dass alle, die auf ein Aufenthaltsrecht warten, dieses für das nächste Jahr erstmal einfach haben. Ich habe keine Leute, die das prüfen könnten, also gilt das jetzt einfach mal - Unterschrift Palmer, Oberbürgermeister. Das Dokument existiert, da haben die Leute erstmal was in der Hand. Das gilt solange, bis ein Richter kommt, der was dagegen hat."

Ein weiteres Problem seien die Kindertagesstätten, so Palmer. Die seien schon lange unterbesetzt. Hier würden Standards vorgeschrieben, die schon nicht eingehalten werden konnten, bevor die Geflüchteten aus der Ukraine gekommen seien. "Die Kinderbetreuung in Kitas ist nicht mehr zu gewährleisten, denn wir finden das Personal nicht. Unsere Stellenausschreibungen laufen ins Leere", klagt Palmer. Als pragmatische Lösung schlägt er vor, dass Spielgruppen von Privatpersonen eingerichtet werden sollten. Dabei gibt es jedoch ein Problem, das Palmer schon länger beklagt: Die gültigen Betreuungsstandards des Landes Baden-Württemberg würden derartige Initiativen verbieten.

Bei Straftätern "ist unser Staat dysfunktional"

Schließlich sei auch die Unterbringung Geflüchteter problematisch. Angebote für Privatunterkünfte gebe es kaum noch, und einige Kommunen müssten jetzt auf Turnhallen zurückgreifen, in denen Geflüchtete untergebracht werden müssten - über Jahre. "Das ist jenseits der Belastungsgrenze." Zudem fehle es an geeignetem Personal für Integrationsmaßnahmen, zu denen zum Beispiel Deutschkurse gehören würden. Wenn nicht schnell Lösungen gefunden werden, fürchtet Palmer, "dass es zu dem Punkt kommen kann, wo das Band überdehnt wird und die Hilfsbereitschaft bricht".

Mehr zum Thema

Schwierig sei auch der Umgang mit der Minderheit der gewaltbereiten Geflüchteten. "Das sind oft Alleinreisende, die aus Ländern kommen, in denen Gewalt ausgeübt wird, und die haben auch selber Gewalt erlebt", erklärt Palmer. "Und unser Rechtsstaat lässt sie gewähren, wenn sie wiederholt schwere Straftaten begehen. Da ist unser Staat dysfunktional." So habe Palmer Mitarbeiter der Ausländerbehörde veranlassen wollen, Sozialarbeiter auf Geflüchtete hinzuweisen, von denen möglicherweise Gewalt ausgehen könnte. Das habe ihm der Landesdatenschutzbeauftragte verboten.

Die schlechte Zusammenarbeit untergrabe letztlich die Akzeptanz des Asylrechts, sagt Palmer. Die seit Jahren existierenden Probleme in der Flüchtlingspolitik zu lösen, ist eine Herkulesaufgabe. Immerhin scheinen Bund, Länder und Gemeinden den Ernst der Lage mittlerweile erkannt zu haben und zumindest das riesige Integrationsproblem vieler Geflüchteter in den Griff bekommen zu wollen.

Adblock test (Why?)

Artikel von & Weiterlesen ( Boris Palmer bei "Lanz": "Unser Ausländerrecht ist zu kompliziert" - n-tv NACHRICHTEN )
https://ift.tt/AoQBnuv
Deutschland

Bagikan Berita Ini

0 Response to "Boris Palmer bei "Lanz": "Unser Ausländerrecht ist zu kompliziert" - n-tv NACHRICHTEN"

Post a Comment

Powered by Blogger.