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TV-Talk Markus Lanz: „Die kleinen Paschas“ – Merz polarisiert und stellt konkrete Forderungen - WELT

„Wir sprechen hier über Leute, die eigentlich in Deutschland nichts zu suchen haben, die wir hier seit längerer Zeit dulden, die wir nicht zurückschieben, die wir nicht abschieben, und bei denen wir uns dann darüber wundern, dass es solche Exzesse gibt“: Um Mitternacht erleben die Zuschauer von Markus Lanz im ZDF, wie CDU-Chef Friedrich Merz den Ton verschärft in der Debatte um Gewalt, mangelnde Integration und Respektlosigkeit gegenüber dem Staat.

Es wird ein Rundumschlag auf der TV-Bühne von zwei Minuten und 15 Sekunden, die Merz am Stück spricht. Der polarisierende Kulminationspunkt einer starken Rückkehr des Lanz-Talks aus der Weihnachtspause. Ein Merz-Vortrag, der vor allem bei linken Kommentatoren in sozialen Netzwerken umgehend Rassismusvorwürfe provoziert.

Merz bezieht sich auf die Silvesternacht in Berlin, aber das Problem, sagt er, fange nicht erst dort an: „Sprechen Sie mal mit Lehrerinnen und Lehrern in den Grundschulen, was die jeden Tag erleben, auch an verbaler Gewalt. Und dann wollen sie diese Kinder zur Ordnung rufen und die Folge ist, dass die Väter in den Schulen erscheinen und sich das verbitten, insbesondere, wenn es sich um Lehrerinnen handelt, dass sie ihre Söhne, die kleinen Paschas, da mal etwas zurechtweisen. Da fängt es an.“

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„Die haben Spaß daran, diesen Staat herauszufordern“

Wenn die Gesellschaft nicht helfen könne, dass Lehrerinnen sich dagegen zur Wehr setzen könnten, „dann sind es in der Schule die Achtjährigen und da draußen auf der Straße in wenigen Jahren die 15-Jährigen. Da liegt doch das Problem: Wir wehren uns zu spät gegen diese Phänomene, die wir hier auf der Straße gesehen haben.“ Es gehe dabei um „überwiegend Jugendliche aus dem arabischen Raum, die nicht bereit sind, sich hier in Deutschland an die Regeln zu halten, die Spaß daran haben, diesen Staat herauszufordern“.

Merz schaut sich beim Sprechen kurz nach links um, kein Widerspruch, niemand aus der Runde unterbricht ihn, also richtet er sich im Sessel kurz auf und fährt fort: Er sei nicht bereit zu sagen, „ja, die haben eine schwere Kindheit und die haben es hier schwer in Deutschland, die werden hier nicht genug betreut und nicht genug umsorgt“.

„Wer sich nicht daran hält, der hat in diesem Land nichts zu suchen“

Jetzt verschränkt Merz die Arme vor dem Körper und wird grundsätzlich: „In diesem Land hat jeder eine Chance“, sagt er. Die Chancen seien „selten so gut gewesen wie gegenwärtig. Und wer sich nicht daran hält“, wiederholt Merz seine deutlichen Worte, „der hat in diesem Land nichts zu suchen“.

Fast eine Wutrede eines Politikers, dessen Partei jahrelang selbst im Bund und vielen Ländern Regierungsverantwortung trug. Friedrich Merz sitzt im Studio neben dem Soziologen Aladin El-Mafaalani, der Journalistin Eva Quadbeck und dem SPD-nahen Ökonomen Marcel Fratzscher.

Mafaalani – „Sie reproduzieren hier so ein bisschen Stereotype“

Mafaalani reagiert zuerst auf die Worte des CDU-Politikers. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, sagt er. „Erst mal sprechen Sie mir ein bisschen zu viel über Arabischstämmige ... Sie reproduzieren hier so ein bisschen Stereotype.“ Er frage sich, ob Merz das ernst meine „oder ob das gerade so etwas wie Wahlkampf“ sei. Die Polizei, fährt der Soziologe fort, habe eine ganze Reihe von Nationalitäten erfasst. „Also wahrscheinlich werden Sie in ein, zwei Wochen das zurücknehmen müssen.“

Merz greift auf einen Vorschlag seines Parteikollegen Carsten Linnemann zurück. Der hatte im Jahr 2019 gefordert, dass Schüler erst mit ausreichenden Deutschkenntnissen in die Grundschule kommen sollten. Für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen hatte Linnemann eine Vorschulpflicht ins Spiel gebracht.

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Der Politikbetrieb reagierte auf Linnemanns Idee damals vor allem mit Empörung, auch CDU-Politiker wiesen den Vorstoß zurück. In einer repräsentativen Umfrage sprachen sich jedoch zwei Drittel der Befragten für eine Vorschulpflicht aus.

„Ja, ich bin der Meinung wie er, dass wir das tun müssen und dass wir viel früher ansetzen müssen“, sagt Merz. Beim Thema Sprachentwicklung hat er gleichermaßen deutsche Kinder im Blick: „Da haben wir ein Problem.“ Die Kinder, sagt er, „wollen doch etwas leisten. Man muss es aber auch abfragen“.

Und noch einmal wird der CDU-Chef grundsätzlich: Er finde, dass die Gesellschaft insgesamt „zu weich“ und „zu nachgiebig“ geworden sei. Merz ballt die Faust. Schule heiße auch, Kinder zu fordern. Eltern dürften nicht immer nur nachgeben, fügt er an, genauso sei dies bei Staat und Gesellschaft.

Deindustrialisierung durch falsche Energiepolitik?

Mit Marcel Fratzscher gerät Merz am Ende der Sendung aneinander. Es geht um Zuwanderung, die teilweise in die Sozialsysteme statt in den Arbeitsmarkt erfolge, und die Energiepreise als Standortfaktoren. Und damit um die drohende Deindustrialisierung.

„Meine Sorge ist nicht, dass diese hohen Energiepreise zu einer Deindustrialisierung führen“, so der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das zu einem großen Teil durch staatliche Aufträge finanziert wird. Seine Sorge sei, „dass viele Unternehmen eher träge geworden sind“. Sie verschliefen die digitale und ökologische Transformation und verlören damit im globalen Wettbewerb. Darüber könne eine Deindustrialisierung entstehen, so Fratzscher. „Energiekosten ist für mich nicht das Thema, dass das treibt, sondern eher die fehlenden Investitionen“. Er fordert „massive Zukunftsinvestitionen, öffentlich wie privat“.

Friedrich Merz widerspricht. Schon vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine habe Deutschland die höchsten Energiepreise in Europa gehabt. Zudem verweist er auf „sehr hohe Steuern und Abgaben“. Die alte Diskussion über die Attraktivität Deutschlands habe an Aktualität nichts verloren. Das Schlusswort des selbstbewussten CDU-Vorsitzenden zeigt, dass es in den Talkrunden des Jahres 2023 zumindest nicht an Themen mangeln wird.

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