
Zu Neujahr 2023 herrschte drangvolle Enge auf dem Petersplatz. Als Papst Franziskus, pünktlich zur Mittagszeit, zum Angelusgebet ans Fenster des Apostolischen Palastes trat, brandete der Beifall der „Brüder und Schwestern“ auf, wie Franziskus die zu seinen Füßen versammelten Gläubigen begrüßte.
Der alte Trubel ist nach der Pandemie nach Rom zurückgekehrt, gerade an Hochfesten des katholischen Glaubens und des Fremdenverkehrs. Auf Weihnachten und Neujahr trifft beides zu, es kommen Pilger zum Fest der Geburt des Heilands und Touristen zum Urlaub am Jahresende, 40.000 waren es am Sonntag beim Angelusgebet mit Papst Franziskus. Um dessen verstorbenen Amtsvorgänger ging es dabei kaum noch.
Lediglich zu Beginn der recht kurzen Angelusfeier erwähnt Papst Franziskus seinen am Silvestertag verstorbenen Amtsvorgänger Benedikt XVI. Abermals brandete Beifall auf, aber eher verhaltener.
Franziskus wiederholte seinen bereits zuvor bei der Silvestermesse im Petersdom ausgesprochenen Dank an Gott „für das Geschenk dieses treuen Dieners des Evangeliums und der Kirche“, der eine „großherzige und gütige Person“ gewesen sei. Die Weltkirche könne dankbar sein „für das Gute, das er vollbracht hat“. Die Menge klatschte.
Nicht Benedikt ist das Thema, sondern der Weltfrieden
Dann ging Franziskus in seinen Ausführungen gewissermaßen zur theologischen Tagesordnung über. Der Neujahrstag ist das katholische Hochfest der allerseligsten Jungfrau Maria – und der Weltfriedenstag der katholischen Kirche dazu. Also standen die „Fürsorge der Mutter Gottes“ sowie das Ringen und Beten für den Frieden zumal in der Ukraine im Vordergrund. Marias Sprache, sagte der Papst, sei die „eigene Sprache der Mutterschaft“, eine stille Sprache des Sorgens und Umsorgens. Maria und ihre Sprache erinnerten uns daran, „dass wir, wenn wir wirklich wollen, dass das neue Jahr gut wird, die vom Egoismus beeinflussten Sprachen, Gesten und Entscheidungen aufgeben und die Sprache der Liebe lernen müssen, die Fürsorge bedeutet“, sagte Franziskus.
Wenn die katholischen Christen in aller Welt auch an diesem 1. Januar wieder den Weltfriedenstag begingen, fuhr der Papst fort, dann müssten sie sich einmal mehr der Verantwortung bewusst sein, „die uns für den Aufbau der Zukunft anvertraut“ sei. Angesichts „der persönlichen, gesellschaftlichen und sozialen Krisen, die wir erleben, angesichts der Tragödie des Krieges“ seien wir aufgerufen, „den Herausforderungen unserer Welt mit Verantwortung und Mitgefühl zu begegnen“. 1967 hatte Papst Paul VI. den Neujahrstag auch zum Weltfriedenstag aller Katholiken erklärt. Das Motto in diesem Jahr lautet: „Niemand kann sich allein retten. Nach Covid-19 neu beginnen, um gemeinsam Wege des Friedens zu erkunden.“
Wo dieser Weg dieser Tage in Europa ganz und gar versperrt scheint, war an den Fahnen über der Menschenmenge leicht zu erkennen: allenthalben das Blau und das Gelb, die ukrainischen Nationalfarben. In der ganzen Welt erhebe sich der Schrei des „Nein zum Krieg“, des „Nein zu den Waffen“, sagte der Papst. Manche Ukrainer mochten dieses päpstliche Doppel-Nein nicht so recht nachvollziehen können: Frieden schaffen mit weniger oder ganz ohne Waffen ist für ein Angriffsopfer keine überzeugende Option. Überhaupt scheint Papst Franziskus seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vom 24. Februar um eine konsistente Haltung zu ringen: Bald verurteilt er die russische Aggression in scharfem Ton, bald gibt er dem Westen eine maßgebliche Mitschuld an Putins Krieg in der Ukraine.
Erste Besucher an Benedikts Leichnam
Als der Papst der Menge auf dem Petersplatz zum Abschied einen gesegneten Tag und ein „gutes Mittagsmahl“ wünschte, schienen die Weltkirche, ihr Oberhirte und die vor St. Peter versammelten Gläubigen und Besucher schon zur üblichen Sonntagsordnung übergegangen zu sein – gerade einmal 24 Stunden nach dem Tod des emeritierten Papstes Benedikt. Das dürfte ursächlich mit dem Umstand zu tun haben, dass die Weltkirche nach dem Tode Benedikts eben nicht „verwaist“ ist, sondern weiter vom amtierenden Oberhirten Franziskus geführt wird.
Manches spricht dafür, dass der beispiellose Vorgang, dass an diesem Donnerstag ein amtierender Papst die Totenfeier für einen verstorbenen Papst leitet, bald zum gewohnten Protokoll im Vatikan werden dürfte. Auch Franziskus hat mehrfach angedeutet, dass er von seinem Amt zurücktreten werde, sollten seine schwindenden Kräfte es nicht mehr zulassen, dieses angemessen auszufüllen. Wenn aber mit Benedikt XVI. und Franziskus zwei Päpste nacheinander demissionieren sollten, statt bis zum Tod im Amt zu bleiben, würde dies eine Tradition begründen, der sich auch der Nachfolger von Franziskus wohl kaum mehr entziehen könnte.
Am Sonntagmittag veröffentlichte das Presseamt des Heiligen Stuhls die ersten Fotos des in der Hauskapelle des Klosters Mater Ecclesiae aufgebahrten Leichnams Benedikts – gekleidet in ein rot-goldenes Gewand und mit einer goldumrandeten Mitra auf dem Haupte. Besuche von politischen Würdenträgern am letzten Wohnort und am Sterbeort Benedikts XVI. sind nicht vorgesehen. Lediglich frühere enge Mitarbeiter und Menschen, die Josef Ratzinger besonders nahestanden, konnten am Sonntag zum Abschied in die Kapelle jenes Hauses kommen, in dem der emeritierte Papst seit seinem Rücktritt im Februar 2013 gelebt hatte. Stattdessen sollen alle Gläubigen von Montag bis Mittwoch vom verstorbenen emeritierten Papst im Petersdom Abschied nehmen können, wohin der Leichnam Benedikts am Montagmorgen verbracht wird. Benedikt hatte sich ausdrücklich eine schlichte Abschiedszeremonie ausbedungen.
Nach Angaben der Gendarmerie der Vatikanstadt und der römischen Präfektur werden an den drei Tagen jeweils 30.000 bis 35.000 Personen im Petersdom erwartet. Geöffnet bleibt die Petersbasilika am Montag von 9 bis 19 Uhr, am Dienstag und Mittwoch von 7 bis 19 Uhr. Zur Totenmesse, die am Donnerstagmorgen um 9.30 Uhr beginnt und von Franziskus zelebriert wird, werden 50.000 bis 60.000 Menschen erwartet. Nach dem Tod von Johannes Paul II. waren im April 2005 bis zu eine Million Gläubige nach Rom gekommen, die Mehrzahl von ihnen aus Polen. Dass bei Weitem nicht so viele deutsche Katholiken zum Abschied des deutschen Papstes nach Rom kommen dürften – auch das gehört wohl zu jener neuen Normalität, an welche sich die Weltkirche und ihre Gläubigen beim Tod eines (emeritierten) Oberhirten werden gewöhnen müssen.
Artikel von & Weiterlesen ( Abschied von Benedikt XVI.: Franziskus macht weiter - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung )https://ift.tt/VYxMkcl
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