Sie sind schwindelerregend - jene Summen, die deutsche Gasimporteure sich gerne per Umlage von Gaskunden ersetzen lassen wollen, weil für viel Geld zusätzliches Erdgas beschafft werden muss. Zwölf Unternehmen haben sich bei Trading Hub Europe gemeldet, jener Firma, die den Finanzausgleich bei der Gasumlage organisieren soll. Gesamtbedarf an Hilfen: einstweilen 34 Milliarden Euro. So viel müssten - wenn Prüfer die Zahlen bestätigen - deutsche Gaskunden aufbringen, damit die Importfirmen russische Lieferausfälle beim Gas ersetzen können. Denn Gas ist teuer wie nie.
Das Bundeswirtschaftsministerium aber gerät nun in Erklärungsnot. Es hatte die Gasumlage ausgeheckt, die ab Oktober auf Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher zukommt. Sie sollte verhindern, dass Gasimporteure pleitegehen, weil Russland kein Erdgas mehr liefert und die Firmen zu hohen Preisen Ersatz beschaffen müssen. So jedenfalls hatten viele die Stützmaßnahme verstanden.
Inzwischen aber wächst die Sorge, dass von der Umlage auch Firmen profitieren, die an Energie gut verdienen. "Es sollten damit ausschließlich Unternehmen unterstützt werden, die sich in einer marktgefährdenden Schieflage befinden", sagt etwa der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sei "gut beraten, an dieser Stelle nachzuschärfen". Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert macht Stunk. "Wenn sogar kerngesunde Unternehmen mit üppigen Gewinnen Geld aus der Gasumlage erhalten können, dann sichern die Verbraucher in Deutschland nicht etwa deren Existenz, sondern die Renditen der Eigentümer."
Auch die Opposition hat das Thema entdeckt: Linken-Chefin Janine Wissler spricht von einer "himmelschreienden Ungerechtigkeit", Unions-Fraktionsvize Jens Spahn spricht von einer "Chaos-Umlage", die letztlich von unten nach oben umverteile. In die gleiche Kerbe schlägt ein Brief aus der SPD-Fraktion an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), er liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Darin beklagen drei Parlamentarier, darunter Fraktionsvize Matthias Miersch und die Energiepolitikerin Nina Scheer, der Staat habe zu früh zur Umlage gegriffen. Zuerst hätte er prüfen müssen, ob die betroffenen Gasimporteure überhaupt gestützt werden müssen.
Uniper und Gazprom Germania profitieren am meisten von der Umlage
So hätten "Stabilisierungsmaßnahmen nach unserer Auffassung und Überzeugung am Anfang stehen" müssen, heißt es in dem Brief - also die Stabilisierung betroffener Firmen aus Steuermitteln. "Diese abgestufte Priorität ist eindeutiges Ergebnis der Verhandlungen zum Gesetzestext."
Der Streit führt hinein in die hektischen Gespräche Anfang Juli. Damals wollte die Koalition rasch einen Weg finden, den Kollaps von Gasimportfirmen zu verhindern - aus Angst, damit könnte auch ein Zusammenbruch der Erdgasversorgung drohen. So fand die Umlage ihren Weg ins Gesetz, sie sollte die Lasten auf alle Gaskunden verteilen. Doch auch eine Alternative gossen die Verhandler in Paragrafen: die Rettung angeschlagener Gasfirmen durch den Staat. In diesem Fall müssten die Firmen nachweisen, dass sie vor der Pleite stehen.
"Für uns war immer klar, dass das zuerst geprüft werden soll", sagt Bernd Westphal, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD. Eine solche Abfolge finde sich auch im Gesetz. Damit hätte transparent werden können, ob Unternehmen wirklich "ökonomisch bedürftig" seien, argumentiert er. "Aber ein Instrument, das Unternehmen die Profite sichert, ist nicht im Sinn der Sache." Theoretisch kann der Bundestag bis Anfang Oktober sogar noch die Aufhebung der Umlage-Verordnung verlangen, die nötige Mehrheit vorausgesetzt.
Erst vorigen Montag war die Höhe der Umlage verkündet worden, sie belastet Millionen Haushalte schwer. Eine Familie mit 15 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch kostet der Zuschlag, inklusive ermäßigter Mehrwertsteuer, fast 400 Euro im Jahr. Steigende Gaspreise kommen noch dazu. Auch das Bundeswirtschaftsministerium räumt ein, es handele sich um einen "zugegeben schwierigen Schritt". Allerdings sei er nötig, um die "Gasmärkte in angespannter Zeit am Laufen zu halten".
Ob sich an den schwindelerregenden Summen viel geändert hätte, wenn der Staat sich auf wirklich angeschlagene Firmen konzentriert hätte, ist allerdings fraglich. Dem Vernehmen nach haben allein zwei Firmen rund 90 Prozent jener 34 Milliarden Euro Bedarf angemeldet: Uniper und Gazprom Germania. Bei der ersten ist der Bund mit rund 30 Prozent eingestiegen, um eine Pleite abzuwenden, sie erhält rund zwei Drittel der Milliarden. Und die andere, Gazprom Germania, hat er unter treuhänderische Verwaltung durch die Bundesnetzagentur gestellt, um ihrer Liquidation zuvorzukommen.
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