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Im Schatten von Nord Stream 2 - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Ukraine hat am Montag die „Krim-Plattform“ gegründet, ein Format, mit dem sie die ungelöste Frage der durch Russland annektierten Halbinsel offenhalten will. Das Gipfeltreffen mit Vertretern aus etwa 40 Ländern wurde jedoch von Differenzen über die fast fertiggestellte Erdgasleitung Nord Stream 2 überschattet. Zu diesem Thema kam Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit seinen Kollegen aus den Vereinigten Staaten und der Ukraine zusammen. Kiew fürchtet, im Falle einer Stilllegung der Gastransitleitungen von Russland durch die Ukraine wirtschaftlich und auch militärisch gegenüber Moskau verwundbar zu sein. Da Russlands Präsident Wladimir Putin kürzlich andeutet hatte, der weitere Gastransit durch die Ukraine hänge auch an der konkreten Nachfrage europäischer Firmen, wird befürchtet, Russland könne mit dem Transit durch Nord Stream 2 versuchen, den Ukraine-Transit im Preis zu unterbieten.

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Der Chef des ukrainischen Gaskonzerns Naftogas sagte der F.A.Z. dazu: „Wir könnten unseren Partnern in der EU konkurrenzfähigen Gastransit anbieten, aber Gazprom erlaubt bisher niemand, das Gas an der russisch-ukrainischen Grenze abzunehmen, und tritt faktisch weiter als Monopolist auf. Russland lässt den Zugang dritter Partner zu unserer Gasleitung bisher nicht zu.“ Seit eineinhalb Jahren fordere die Ukraine, diese Blockadesituation zu beenden. Man habe das gegenüber der Bundesregierung angesprochen und werde sich notfalls auch an die EU-Generaldirektion für Wettbewerbspolitik wenden. Europäische Firmen müssten nach den Regeln der EU-Energiepolitik zu allen in die EU führenden Gasleitungen uneingeschränkt Zugang haben.

Klagedrohung gegen deutsche Behörden

Sollten die zuständigen deutschen Behörden nicht gegen eine „regelwidrige Nutzung“ von Nord Stream 1, Nord Stream 2 und des ukrainischen Leitungsnetzes vorgehen, werde man den Rechtsweg einschlagen. Die Behauptung, die ukrainischen Leitungen seien weniger zuverlässig, seien Propaganda: „Wir haben siebenmal weniger Zwischenfälle an unseren Leitungen als das russische Netz.“ Die ukrainischen Transitleitungen bestünden überall aus bis zu vier Strängen, sodass man bei Defekten ausweichen könne. „Das funktioniert wie ein Uhrwerk.“ Wenn jetzt der russische Gaskonzern Gazprom versuche, „die Europäer zu zwingen, europäische Gesetze zu verletzen, so ist das Erpressung“.

Zu der Idee, Firmen aus der EU sollten das Gas direkt an der Grenze Russlands abnehmen und bezahlen, sagte Altmaier der F.A.Z., das sei „ein relativ neuer Vorschlag“. Aber die Übergabe von russischem Gas an europäische Firmen „fällt nicht unter europäische Regulierung, deshalb ist es ein Thema für Verhandlungen, vor allem zwischen Russland, der Ukraine und der EU und damit auch Deutschland.“ Der Vorschlag könne in die Verhandlungen über die Verlängerung des Transits über das Jahr 2024 hinaus eingebracht werden. Am Montag habe man vereinbart, dass die Ukraine ihren Vorschlag im Detail übermitteln solle, dann werde man ihn prüfen. Bei erwartungsgemäß längeren Gesprächen darüber mit Russlands Beteiligung „ist Deutschland bereit, zu vermitteln“.

Die amerikanische Botschaft in Kiew sagte zu den dreiseitigen Gesprächen, dass „wir weiterhin entschlossen sind, Versuchen des Kremls, Energie als geopolitische Waffe zu benutzen, entgegenzuwirken“. Allerdings muss die neue Erdgasleitung noch von der Bundesnetzagentur zertifiziert werden, ein Verfahren, das nach dem Stand von letzter Woche noch nicht begonnen wurde und vier Monate dauern kann. Zugleich läuft „begleitend“ bereits ein Prozess zwischen Nord Stream 2 und der Bundesnetzagentur, in dem das Oberlandesgericht Düsseldorf am Mittwoch das Urteil sprechen soll.

Der Kiewer Krim-Gipfel fand am Vortag der 30-Jahr-Feier der unabhängigen Ukraine statt, die sich 1991 aus dem zerfallenden Staatsverband der Sowjetunion löste. Die Präsidenten Polens, Ungarns und der baltischen Staaten erinnerten in Kiew an die eigenen Erfahrungen mit Besatzung und Fremdherrschaft. Regierungsmitglieder aus vielen westeuropäischen Staaten bekräftigten das Versprechen, die Annexion der Krim „niemals anzuerkennen“. Die amerikanische Energieministerin Jennifer Granholm sagte, die wegen der Annexion gegen Russland verhängten Sanktionen „bleiben in Kraft“, solange das russische Eingreifen „auf der Krim und in der Ostukraine“ fortdauere. Auch der EU-Ratschef Charles Michel bekräftigte, „dass wir als EU die Annexion der Krim nicht anerkennen, weder heute noch morgen“. Die Krim-Plattform habe „unsere stärkstmögliche politische Unterstützung“.

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