Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hat um Verständnis für die zögerliche Haltung bei Kinderimpfungen gegen Corona geworben. Zugleich sprach er mahnende Worte in Richtung Politik. "Den Kindern bietet man ja kein Lakritzbonbon an, das ist ein medizinischer Eingriff, und der muss eben entsprechend indiziert sein", sagte Mertens im NDR-Podcast "Das Coronavirus-Update".
Die Entscheidung, ob die Stiko empfehle, alle Kinder zwischen zwölf und 16 Jahren gegen das Coronavirus zu impfen, müsse "auf der besten verfügbaren Evidenzbasis getroffen werden". Die Daten aus der Zulassungsstudie des Herstellers reichten dafür nicht aus: "Die Zahl der in der Studie geimpften Kinder ist einfach zu gering, um eine belastbare Aussage über die Sicherheit in dieser Altersgruppe zu machen." Immerhin 1,3 Prozent der 1100 in der Studie geimpften Kinder hätten schwere Reaktionen gezeigt.
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Empfehlung müssten aber auch andere Faktoren berücksichtigt werden, etwa das Krankheitsrisiko oder die Frage der Herdenimmunität. Dass Kinder schwer an Covid-19 erkranken, sei "wirklich eine ausgesprochene Rarität", sagte Mertens. Dass die Stiko empfehlen werde, Kinder mit Vorerkrankungen zu impfen, "daran kann eigentlich kein vernünftiger Zweifel bestehen". Strittig sei nur die Frage, ob es eine generelle Empfehlung gebe.
Der Nutzen für die Herdenimmunität sei gering: "Man sollte die Hoffnung auf den epidemiologischen Effekt nicht übertreiben." So lange der Impfstoff knapp sei, müsse man sich entscheiden, ob man lieber Jugendliche oder Erwachsene impfe. Die Idee einer großen Schulimpfkampagne nannte Mertens "wirklich von der Logik her meines Erachtens grenzwertig".
Nach einer entsprechenden Empfehlung der Arzneimittelbehörde EMA erteilte die EU-Kommission am Montag offiziell die Zulassung für die Impfung von Kindern ab zwölf Jahren mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer. Die Stiko hat aber bereits mehrfach angedeutet, dass sie möglicherweise keine allgemeine Impfempfehlung für alle Kinder geben will, sondern nur für vorerkrankte Kinder.
RKI stuft Gefahrenlage für Deutschland herunter
Das Robert-Koch-Institut stuft die Gefahrenlage in Deutschland in seiner aktuellen Risikoeinschätzung von "sehr hoch" auf "hoch" herunter. Das kündigte RKI-Chef Lothar Wieler in der Bundespressekonferenz an. "Die Möglichkeit, dass sich Menschen in unserem Land anstecken, ist geringer geworden", erläuterte er. Das wirke sich auch auf mögliche Öffnungsschritte aus.
Angesichts der zurückgehenden Infektionszahlen und der Entspannung auf den Intensivstationen in Deutschland sei dieser Schritt möglich, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. "Die Lage wird besser, sie wird deutlich besser, aber wir sind noch mitten in dieser Pandemie".
Wieler skizzierte zwei durch die Ergebnisse der RKI-Modellierungen gestützte Entwicklungen, die derzeit zusammenwirkten:
- "Mit kontrolliertem Öffnen erwarten wir kein weiteres exponentielles Wachstum."
- "Die Intensivbettenbelegung wird über die nächsten acht Wochen immer niedriger werden."
Allerdings werde das Virus nicht aus Deutschland verschwinden. Noch immer würden annähernd 1000 Menschen pro Woche sterben. Das Wettrennen zwischen Durchimpfung und Durchseuchung, müsse die Impfung gewinnen, so Wieler. Momentan seien etwa 18 Prozent der Menschen in Deutschland vollständig geimpft. Um weitgehend auf Maßnahmen verzichten zu können, müssten das aber 80 Prozent sein. Spahn sagte, die Entwicklung sei derzeit so, dass bis Mitte Juli weite Teile jener, die das wollten, eine Erstimpfung bekommen haben könnten. Inzwischen seien etwa 80 Prozent der über 60-Jährigen mindestens einmal geimpft und insgesamt mehr als 50 Prozent aller Erwachsenen.
Das RKI meldete am Dienstagmorgen eine Sieben-Tages-Inzidenz von 35,2, am Vortag betrug dieser Wert 35,1, am Dienstag der Vorwoche 58,4. Deutschlandweit wurden binnen 24 Stunden 153 neue Todesfälle verzeichnet, vor einer Woche waren es 33 Tote.
In der Bundespressekonferenz ging es auch um Betrug in Corona-Testzentren. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern planen schärfere Vorgaben, um dagegen anzugehen. "Betrug is' 'ne Sauerei", sagte Spahn. Wer falsch abgerechnet habe, müsse mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Wer etwa für ein Testkit 3,50 Euro bezahlt und dafür 6,00 Euro abgerechnet habe, habe betrogen. In der Teststrategie sei es immer um die richtige Balance gegangen "zwischen pragmatisch schnell und alles im Detail im Einzelfall kontrolliert". Die Überarbeitung der Testverordnung müsse jetzt "eine Frage von Tagen sein". (01.06.2021)
Berlin öffnet Innengastronomie
Berlin lockert eine Reihe von Corona-Regeln früher als geplant. Teile des vorgesehenen Stufenplans werden vorgezogen. So dürfen Restaurants in der Hauptstadt voraussichtlich von Freitag an wieder ihre Innenräume für Gäste öffnen, wie Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Dienstag sagte. Dabei gelte eine Testpflicht. In der Außengastronomie und im Einzelhandel soll die Testpflicht hingegen entfallen.
"Das sind große Schritte, die wir hier gehen", sagte Pop. Der Senat beschloss zudem, Veranstaltungen im Freien mit bis zu 500 Teilnehmern wieder zuzulassen. In Innenräumen sollen es maximal 100 Menschen sein, bei technischer Belüftung der Räume auch 500. Außerdem soll es schon von diesem Freitag an mehr Präsenzveranstaltungen an den Hochschulen in Berlin geben. Touristische Übernachtungen in Hotels sind wie in Brandenburg vom 11. Juni an wieder möglich. Dabei soll es keine Belegungsgrenzen geben, Hygienekonzepte aber weiter gelten. Private Treffen sind in Berlin künftig wieder mit mehr Menschen erlaubt als zuletzt. In geschlossenen Räumen dürfen sich dann bis zu sechs Menschen aus drei Haushalten treffen, draußen bis zu zehn Menschen aus fünf Haushalten. (01.06.2021)
Hamburg empfängt wieder Touristen
Gut zwei Wochen nach Schleswig-Holstein heißt auch Hamburg wieder Touristen willkommen. Mit Inkrafttreten einer neuen Corona-Verordnung am Dienstag um 0 Uhr dürfen Betreiber von Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätzen privat reisende Gäste empfangen. Voraussetzung sind die Einhaltung strenger Hygiene-Auflagen und die Vorlage eines negativen Corona-Tests. Ein PCR-Test darf höchstens 48 Stunden alt sein, ein Schnelltest nur zwölf Stunden. Die Betriebe dürfen nur 60 Prozent ihrer Kapazität nutzen. Verboten ist weiterhin, privaten Wohnraum an Touristen zu vermieten.
Zudem darf in der Hansestadt vom Wochenende an die Innengastronomie öffnen. Im beliebten Schanzenviertel und Teilen von St. Pauli wird aber zugleich ein Alkoholverbot eingeführt. Das hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Dienstag angekündigt. Besucher bräuchten dann in Restaurants einen negativen Test, ab 23 Uhr gelte eine Sperrstunde. Der Außenbereich kann länger öffnen. Außengastronomie war in Hamburg bereits zuvor möglich.Auch Hafen- und Stadtrundfahrten sind wieder erlaubt. (01.06.2021)
DGB-Chef gegen baldiges Ende der Homeoffice-Pflicht
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, lehnt trotz sinkender Corona-Inzidenzen ein baldiges Auslaufen der Homeoffice-Pflicht für Unternehmen ab. Es wäre unverantwortlich, "jetzt alle wirkungsvollen Mechanismen des Infektionsschutzes über Bord zu werfen", sagte Hoffmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag. Ein wirksamer Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen beinhalte neben klaren Hygienekonzepten auch die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Solange nicht ein Großteil der Beschäftigten vollständig geimpft sei, dürften sich die Arbeitgeber "nicht aus der Verantwortung ziehen", betonte er.
Die seit dem 27. Januar geltende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verlangt von Arbeitgebern, ihren Beschäftigten Homeoffice-Angebote zu machen, es sei denn, dem stehen "zwingende betriebliche Gründe" entgegen. Sie läuft nach aktuellem Stand Ende Juni aus.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will die geltende Homeoffice-Pflicht nicht vorzeitig beenden. Auch beim Arbeitsschutz müsse Umsicht gewahrt werden, sagt der SPD-Politiker. "Auch hier dürfen wir nicht leichtsinnig werden." Es könne nicht sein, dass einige Interessenverbände einen frühzeitigen Ausstieg forderten. Von der Wirtschaft erwarte er zudem, dass sie über den gesamten Sommer hinweg ihren Beitrag zur Teststrategie leiste. Lothar Wieler, der Chef des Robert-Koch-Institutes, hält es hingegen für möglich, die Homeoffice-Pflicht bei sinkenden Corona-Fallzahlen aufzuheben. "Wenn sich die Inzidenzen so entwickeln, wie wir hoffen, ist das ein folgerichtiger Schritt", sagt Wieler. Die einzelnen Öffnungsschritte sollten aber koordiniert werden und nicht parallel stattfinden. (01.06.2021)
Wacken-Festival abgesagt
Das Heavy-Metal-Festival im schleswig-holsteinischen Wacken wird erneut abgesagt. Ursprünglich für Ende Juli geplant, soll die 31. Ausgabe des Open-Air-Festivals nun Anfang August 2022 stattfinden. Besucher können ihre Tickets entsprechend umtauschen oder das Geld zurückbekommen.
"Uns blutet das Herz", sagte Festival-Chef und Mitbegründer Thomas Jensen. Besucher, Musiker und die komplette Crew hätten gehofft, es bleibe aber keine Wahl. "Gesundheit und Sicherheit gehen vor, da gibt es keine zwei Meinungen", sagte Jensen. Mitbegründer Holger Hübner verwies auf andauernde Reiseeinschränkungen. "Wir sind ein internationales Festival, aus über 80 Nationen reisen die Leute nach Wacken an." Nötig seien dafür offene Grenzen ohne Quarantäne und Sicherheit für alle Beteiligten - "insbesondere auch für die Menschen, die in der Region Wacken leben". Die von der Landesregierung geplanten Öffnungsschritte bei Veranstaltungen kämen für das Festival zu spät.
Bereits 2020 war das Heavy-Metal-Festival mit seinen rund 75 000 Fans wegen der Corona-Pandemie abgesagt und durch eine Online-Veranstaltung ersetzt worden. In diesem Jahr fallen auch mehrere andere Open-Air-Festivals in Deutschland aus, darunter "Rock am Ring" am Nürburgring und das "Hurricane Festival" in Niedersachsen. (01.06.2021)
Merkel: Bundesnotbremse kann wie geplant auslaufen
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angekündigt, die Bundesnotbremse nach jetzigem Stand nicht über den 30. Juni hinaus verlängern zu wollen. Merkel mahnte aber dennoch zur Vorsicht: "Sollte sich etwas entwickeln durch Mutationen, was wir alles nicht hoffen, dann können wir das jederzeit reaktivieren." Gesundheitsminister Jens Spahn betonte, wegen des Infektionsgeschehens um Ostern sei die Notbremse ein "notwendiges Instrument" gewesen. Nun müsse aber alles dafür getan werden, dass sie auslaufe.
Erwin Rüddel, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses will die Bundesnotbremse dagegen verlängern. "Vor allem aufgrund der Virusvariationen halte ich es für sinnvoll", sagte der CDU-Politiker der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Wenn die Inzidenzen so niedrig bleiben, greift die Notbremse nicht, und wir alle genießen wieder größtenteils unsere Freiheiten. Wenn die Inzidenzen allerdings wieder ansteigen, ist es wichtig, dass schnell reagiert werden kann, um die Zahlen im Griff zu behalten."
Die Notbremse gilt seit 23. April. Erstmals wurde damit bundeseinheitlich geregelt, dass in Städten und Landkreisen ab einem Inzidenzwert von 100 zahlreiche Kontaktbeschränkungen gelten. Besonders umstritten war die Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 5 Uhr. Schulen müssen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 geschlossen werden. Als die Notbremse beschlossen wurde, lag die Inzidenz bundesweit im Durchschnitt bei gut 160. Aktuell sind es etwa 35 - entsprechend sind bereits viele Lockerungen in Kraft. (31.05.2021)
Gericht in Berlin ordnet Präsenzunterricht an
Nach einer Schlappe vor dem Verwaltungsgericht will Berlin nun doch noch vor den Sommerferien zum Regelbetrieb in den Schulen zurückkehren. Das gab Bildungssenatorin Sandra Scheeres am Montagabend bekannt. "Die Richter sehen das Festhalten am Wechselunterrichten als nicht mehr verhältnismäßig an", sagte die SPD-Politikerin in einer Mitteilung.
Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Berlin zwei Eilanträgen von Eltern stattgegeben, deren Erstklässlerkinder im Wechsel bei halbierter Klassenstärke unterrichtet werden. Sie können Vollbeschulung beanspruchen. Der Spielraum bei der Wahl der notwendigen Schutzmaßnahmen sei im Verlauf der Pandemie wegen fortschreitender Impfungen und Testmöglichkeiten geringer geworden, so das Gericht. Wechselunterricht dürfe nur angeboten werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Schwellenwert von 100 überschreite. Der Bund habe damit Maßstab und Schwellenwerte bestimmt, das Land Berlin habe seinen Spielraum überschritten. (31.05.2021)
In Verruf geratene Testfirma muss Stationen abbauen
Die Baumarktkette Hellweg, die dem Bochumer Unternehmen MediCan kostenlos Parkplatzflächen für deren Testzentren zur Verfügung gestellt hatte, zieht die Konsequenzen aus den Betrugsvorwürfen gegen das Testunternehmen: MediCan sei "mit sofortiger Wirkung die Erlaubnis entzogen" worden, die Parkplätze zu nutzen, teilte eine Hellweg-Sprecherin der SZ mit. An einigen Testzentren sei der Betrieb bereits am Montag eingestellt worden.
Auch das Universitätsklinikum Düsseldorf hat MediCan den Nutzungsvertrag für ihre Räume gekündigt. "Gerade im Bereich eines Krankenhauses muss ein tiefes Vertrauen in die Testangebote vor Ort bestehen. Dies ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen nicht mehr gewährleistet", heißt es in einer Mitteilung des Klinikums, die am Montagabend herausgegeben wurde.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Verantwortliche von MediCan und hat in der vergangenen Woche Arbeitsräume durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. Die Behörde reagierte damit auf Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, die ans Licht gebracht hatten, dass wesentlich mehr Schnelltests an die Behörden gemeldet als tatsächlich durchgeführt wurden. (31.05.2021)
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