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CDU-Vorsitz: Wer schafft es nach oben? | ZEIT ONLINE - ZEIT ONLINE

Wer schafft es nach oben? – Seite 1

Es war ein wenig peinlich, was Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident am vergangenen Sonntag mit seinen Parteifreunden aus Ostdeutschland erlebte. Armin Laschet, einer der drei Bewerber um den Posten des CDU-Vorsitzenden, hatte zu diversen Videoschalten eingeladen. Er wollte den Landesverbänden seiner Partei Rede und Antwort stehen. Wahlkampf in eigener Sache würde das sein, na klar. Andererseits auch die Chance für Delegierte, ihren möglicherweise künftigen Vorsitzenden etwas besser kennenzulernen. Ihm Botschaften mit auf den Weg zu geben.

Die Botschaft, die Laschet mitnehmen musste, lässt sich aber am ehesten so zusammenfassen: Wir haben Besseres zu tun. Denn er fand sich in diesen Konferenzen jeweils in Runden wieder, die kleiner waren als eine Schulklasse. In Sachsen waren Hunderte Mitglieder, vor allem Abgeordnete und Funktionäre, eingeladen worden. Tatsächlich zugeschaltet haben sich nicht einmal 20 Personen. In Thüringen waren es ähnlich wenige. Mecklenburg-Vorpommern hatte sich mit Brandenburg und Berlin zusammengetan, so kam man immerhin auf um die 50 Teilnehmer. Am unangenehmsten aber muss die Video-Runde mit den Sachsen-Anhaltern gewesen sein. Denn da schalteten sich ganze zwei Parteimitglieder zu.

Liegt das am Kandidaten, an Armin Laschet? Oder am Desinteresse an der Vorsitzendenwahl?

Es hat sich eine merkwürdige Schläfrigkeit eingeschlichen in die ostdeutsche CDU – keine zwei Wochen vor dem Digitalparteitag, auf dem nicht nur der Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer gesucht wird, sondern auch derjenige, der möglicherweise Nachfolger der ostdeutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel werden könnte.

Dabei waren es relevante Teile der ostdeutschen CDU gewesen, die ihre Unzufriedenheit mit Angela Merkel in den vergangenen Jahren besonders laut artikuliert hatten. Dabei war es zudem die Rolle der CDU bei der Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten, die am Ende zu Kramp-Karrenbauers Rücktritt geführt hatte. Unions-Abgeordnete gaben Kemmerich damals ihre Stimme – gemeinsam mit der AfD.

Man könnte annehmen, dass die Ost-Verbände so etwas wie einen gemeinsamen Plan haben. Oder zumindest eine Idee davon, welcher der drei Kandidaten am meisten dem entgegenkäme, was sie sich politisch wünschen. Friedrich Merz, Armin Laschet oder Norbert Röttgen – wem wird am ehesten zugetraut, im oder am Osten nicht zu scheitern? Doch wenn man sich umhört, ist da vor allem Ratlosigkeit.

Bei der CDU-Vorsitzenden-Wahl vor zwei Jahren waren die Präferenzen klar: Eine Mehrheit der sächsischen Delegierten wünsche sich Merz, sagte damals CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer. In Thüringen war es ähnlich. Der Landesverband in Sachsen-Anhalt machte sogar eine Abstimmung unter seinen Parteimitgliedern: 56 Prozent wollten Merz. Sie versprachen sich von ihm, dass er der CDU ein neues Koordinatensystem geben, den Merkel-Weg der Mitte erkennbar korrigieren würde.

Nun, da Merz wieder zur Wahl steht, könnten die Ost-Delegierten versuchen, ihren Wunschkandidaten von einst endlich durchzudrücken. Und auch Merz selbst hofft darauf, den Osten sicher auf seiner Seite zu haben. Wer sich aber durch die CDU telefoniert, mit Landesministern und einfachen Abgeordneten spricht, der stellt fest, dass die Lage ein bisschen anders geworden ist.

Die Auffälligkeiten beginnen damit, dass sich gerade prominente Politiker kaum zu einem Kandidaten bekennen. Die Ministerpräsidenten umschiffen das Thema. Michael Kretschmer und der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), haben sich gegenseitig versprochen, öffentlich nicht klar zu sagen, wen sie zu wählen gedenken. Denn sie wollen nicht den Eindruck erwecken, als gäbe es eine einheitliche sächsische Linie. Aber vielleicht wollen sie auch nicht so offensichtlich machen, dass sie jemand anderen bevorzugen als die Mehrheit der Partei.

Er habe den Eindruck, sagt Sachsens Unions-Generalsekretär Alexander Dierks, dass die meisten Mitglieder nach wie vor Friedrich Merz präferierten. Michael Sack, Chef der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, nimmt es in seinem Land auch so wahr. Ebenso Thüringens neuer CDU-Chef Christian Hirte. Hirte aber sagt: "Ich selber weiß noch nicht, für wen ich stimme." Brandenburg ist das einzige Ost-Land, in dem ein anderer als Merz zumindest die Sympathien der meisten Mitglieder haben dürfte. Jan Redmann, Fraktionschef im Potsdamer Landtag, sagt jedenfalls, seine Parteifreunde würden eher Laschet vorziehen. "Aber genau weiß ich es natürlich auch nicht."

Manche wünschen sich offenbar, vor ihrer eigenen Courage geschützt zu werden

Meinungsumfragen gibt es dieses Mal nicht, auf Abstimmungen innerhalb der Landesvorstände wurde meistens verzichtet. Es gilt: offensive Zurückhaltung. Absprachen gibt es auch nicht, versichern Vertreter mehrere Landesverbände. Geschweige denn eine gemeinsame Willensbekundung. Der Osten taucht ab.

Nun ist es natürlich so, dass die Wahl frei und geheim abläuft; kein Delegierter wäre an Absprachen gebunden, selbst wenn es welche gäbe.

Wird auf dem Digitalparteitag die bessere Rede entscheiden?

Andererseits stellt sich doch die Frage, warum beispielsweise die sächsische oder die thüringische Union – Landesverbände, die in den zurückliegenden Jahren ziemlich genau wussten, was sie nicht wollen (den Merkel-Kurs) – nun offenbar nicht so genau wissen, was sie stattdessen wollen.

Je länger man mit CDU-Funktionären spricht, desto stärker fühlt man sich an einen Satz der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer erinnert: Protect me from what I want. Schütze mich vor dem, was ich will. Die CDU im Osten macht gerade den Eindruck, als wolle sie sich hüten vor dem, was die Mitgliedermehrheit hier eigentlich möchte, nämlich einen Vorsitzenden namens Friedrich Merz.

Die Befürchtung besteht darin, dass Merz vielleicht in den Provinzen des Ostens überzeugt, anderswo aber zu viele Wähler verschreckt. "Mit einem konservativeren Kurs würden wir einige Wähler an der rechten Flanke gewinnen", sagt Marco Wanderwitz. "Aber an anderer Stelle verlieren wir sie doppelt und dreifach."

Hinzu kommt, dass die ganz große Verbundenheit zwischen Merz und zum Beispiel den Rebellen unter den CDU-lern in Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Thüringen dann eben doch nicht entstanden ist. Inhaltlich wäre eine große Nähe da. Aber menschlich? Na ja. Am Ende, sagt ein CDU-Vertreter aus Mecklenburg-Vorpommern, sei Merz nicht viel anders als seine beiden Mitbewerber. Ein Katholik aus Nordrhein-Westfalen, der vom Osten wenig verstehe.

Die Partei-Prominenz hat sich Mühe gegeben, dem anderen Katholiken, nämlich Armin Laschet, ein paar nette Auftritte zu verschaffen. Er durfte im Sommer bei der großen Feier zum 30-jährigen Geburtstag Sachsens sprechen, umrahmt von Blasmusik im Stadion von Aue. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff wiederum kutschierte Laschet zwei Tage lang durch die touristischen Hotspots seines Landes inklusive größerer Pressebegleitung in Wittenberg, Naumburg und Dessau (auch die ZEIT berichtete). Zumindest die Ost-Ministerpräsidenten der CDU finden offenbar: Bei Laschet wisse man wenigstens, woran man sei. Gemeinsam rangen Kretschmer, Haseloff und Laschet dem Bund Millionen ab, als es darum ging, den Kohleausstieg abzufedern. Damals waren die Länderchefs zwar auch Konkurrenten. Aber sie bauten eine intensive Arbeitsbeziehung auf.

Für Frank Scheurell, einen Merz-Fan und CDU-Landtagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt, ist die Sache heute schon ausgemacht: "Ich bin überhaupt nicht gespannt auf das Ergebnis der Wahl, ich bin eher desillusioniert", sagt er. "Das wird Laschet und jut is." Die Schuldigen daran, dass aus seiner Sicht ein anderer als der von der Basis bevorzugte Mann Parteichef werden könnte, hat Scheurell auch schon ausgemacht: die Delegierten des Parteitages. Denn zu diesen Delegierten zählen mehrheitlich Funktionäre, und diese wählten linker als die breite Masse der Mitglieder, glaubt Scheurell. Er ist nicht der Einzige, der das so sieht. Sachsens Generalsekretär Alexander Dierks bekam vor zwei Jahren Probleme mit seinen Parteifreunden in Chemnitz, weil diese sich mehrheitlich für Merz aussprachen, Dierks als ihr Delegierter aber im ersten Wahlgang für Jens Spahn stimmte, im zweiten für Annegret Kramp-Karrenbauer.

Wird auch auf einem Digitalparteitag die bessere Rede entscheiden?

Norbert Röttgen übrigens, dem Underdog unter den Kandidaten für den Vorsitz, trauen einige im Osten einen Überraschungserfolg zu. Aber so richtig leidenschaftlich kämpft für ihn hierzulande bislang kaum einer. Bleibt derjenige, über den viele reden, obwohl er beim CDU-Parteitag nicht zur Wahl steht: Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder. Marco Wanderwitz spricht sich neuerdings dafür aus, möglicherweise ihn zum Kanzlerkandidaten zu machen. "Ich finde schon, dass wir im Zweifel mit dem ins Wahljahr ziehen sollten, der die höchste Resonanz bei der Wahlbevölkerung hat", sagt er. Aber selbst seinem Parteifreund Michael Kretschmer ist ein solcher Satz bislang nie über die Lippen gekommen. Söder können die meisten Spitzenpolitiker des Ostens nicht so recht einschätzen. Nun, und er steht ja auch nicht zur Wahl.

Es komme am Ende auf die Tagesform an, wer Parteichef werde, sagen gleich mehrere Vertreter der Ost-CDU. Sie wollen sich die Reden anhören und dann entscheiden, für wen sie votieren. Beim letzten Mal hat Friedrich Merz in dieser Disziplin verloren.

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