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Kann Taurus den Krieg entscheiden? Hersteller längst im Austausch mit Ukraine - Merkur.de

Der Taurus, über den die Ampel-Koalition streitet, ist eine der gefährlichsten Waffen der Bundeswehr. Zu gefährlich, um ihn an die Ukraine zu geben? Ein Besuch beim Hersteller.

Schrobenhausen – Das Ding, das Kriege entscheiden soll, hat eine sanfte Hundeschnauze. Und große Augen. Doch nichts ist niedlich daran. Hinter den Augen verbergen sich hochauflösende Kameras, die gnadenlos ihr Ziel ausspähen, hinter der dunklen Nase ein GPS-Sensor, und hinter beidem 500 Kilogramm Sprengstoff. Es ist eine todbringende Waffe, eine, über die jetzt der ganze Kontinent spricht. „Nicht berühren“, steht auf der Taurus-Schnauze. Nein, lieber wirklich nicht.

Wer diese Waffe sehen oder gar verstehen will, muss nicht weit fahren. Eine Stunde Richtung Augsburg, durch Kühbach, vor Malzhausen in einen Forst. Mitten im Wald geht eine Stichstraße weg, kein Firmenschild. Auf diesem unscheinbaren Waldstück, aber bei näherem Hinsehen mit hohen Zäunen und sehr aufmerksamen Wachleuten umgeben, hat der Rüstungskonzern MBDA bis 2019 hunderte der Hightechwaffen gebaut. Hier stehen noch die Produktionsstraßen für Nachschub, hier ist das Know- how der Programmierer.

Ein Ausstellungsstück eines Taurus-Marschflugkörpers im Showroom des Rüstungsunternehmens MBDA.

Ukraine-Krieg brachte Zeitenwende – auch für den Hersteller des Taurus

Thomas Gottschild umrundet den liegenden Taurus in seiner Firmenzentrale. Unbeeindruckt, er ist keiner, der noch über die Schnauze staunen würde oder über die enormen Dimensionen. Aber der MBDA-Geschäftsführer weiß, wie sich der Blick auf seine Arbeit, seine Produkte, gewandelt hat. „Wir haben immer über sehr abstrakte Bedrohungen und Szenarien gesprochen“, sagt er. Jetzt, mit dem Ukraine-Krieg, erlebe man plötzlich eine reale „Zeitenwende“: die Notwendigkeit, sich konkret verteidigen zu können, Rufe nach mehr Waffen, mehr Munition. „Wir brauchen mehr von allem.“

Weil es nun darum geht, das System an die Ukraine zu liefern oder eben auch nicht, richten sich plötzlich viele Blicke auf MBDA, ein europäisches Unternehmen mit Milliardenumsatz und allein bei Schrobenhausen gut 1000 Mitarbeitern. Gottschild will sich nicht einmischen in die politische Debatte, sagt er höflich, und tut es dann doch ein bisschen.

Er sagt, dass MBDA bereitstehe, Taurus nachzuproduzieren. Dass man längst auch mit der Ukraine im Gespräch sei, einen möglichen Einsatz jederzeit unterstützen könne. Und auf Nachfrage sagt er auch: Ja, man könne Taurus im Ausland betreiben, ohne deutsche Soldaten mitsenden zu müssen. Man werde „den Kunden so schulen, dass er alleinstehend technisch in der Lage ist, Taurus einzusetzen“.

Das ist spannend, denn es nimmt den Gegnern ein Argument: Soldaten ins Kriegsgebiet Ukraine schicken zu müssen, damit irgendwie Kriegspartei zu werden. Die zweite Sorge aber bleibt: Welche Ziele kann das System anfliegen, wie tief auch nach Russland hinein darf eine – deutsche – Waffe töten?

Taurus ist eine der gefährlichsten Bundeswehr-Waffen – Ukraine könnte Russland und Krim treffen

Wer sich von Gottschild und seinen Leuten den Taurus erklären lässt, bekommt darauf keine Antwort. Aber lernt viel. Es ist ja ein Waffensystem, von dem letztes Jahr nur Experten gehört hatten. Nun wälzen Halblaien die Fachbegriffe „Marschflugkörper“, die Typbezeichnung KEPD-350, oder eben „Taurus“ – einen dieser Kunst-Kosenamen, mit denen die Branche ihre dem Zweck nach nun mal tödlichen Produkte („Leopard“, „Puma“, „Tiger“) versieht. Dabei ist das nur die Abkürzung für „Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System“. Und klingt mächtig, das lateinische Wort für Stier (und griechisch: Tauros).

Jetzt ist der Taurus eine der gefährlichsten Waffen der Bundeswehr. Es sind Drohnen, die unter ein Flugzeug geklinkt und von dort abgeschossen werden. Weil sie bis zu 500 Kilometer fliegen, können sie etwa aus dem Luftraum der Ukraine abgeschossen werden und russische Ziele oder jene auf der besetzten Krim erreichen.

Bundeswehr spielte Taurus-Angriff auf Krim-Brücke durch

Die fünf Meter langen und fast 1400 Kilogramm schweren Flugkörper steuern mit einem eigenen Triebwerk auf ihr Ziel zu. Vier voneinander unabhängige Navigationssysteme leiten sie im autonomen Tiefflug in einer Höhe von weniger als 50 Metern – da kann die gegnerische Flugabwehr sie schwer treffen.

Beim Aufschlag explodiert ein fast 500 Kilo schweres Sprengkopfsystem („Mephisto“). Das entfacht so viel Wucht, dass große Bunker durchbrochen werden können, zum Beispiel russische Munitionslager. Schritt eins: eine erste Ladung sprengt eine Lücke in den Beton. Schritt zwei: Ein Metallstab mit 400 Kilo Sprengstoff dringt in die Lücke ein und explodiert. Was die Bundeswehr auch schon durchgespielt hat (etwa im von den Russen belauschten Militär-Telefonat), ist ein Angriff auf die Pfeiler der Krim-Brücke.

„Zerstört jedes Hochwertziel“, so locken die MBDA-Experten. Der Preis dafür ist hoch. Pro Taurus rund eine Million Euro. Die Bundeswehr hat seit 2004 rund 600 Stück davon bestellt. Bis zu 100 Stück davon würde man abgeben, sagte ein Soldat in der belauschten Konferenz.

Markus Söder besucht Taurus-Hersteller - und plädiert für Ukraine-Lieferung

Was nun wird aus der Hightechwaffe aus dem oberbayerischen Wald, entscheidet die Politik. Gottschild hatte gestern auch Markus Söder bei sich, den CSU-Chef, inzwischen ein Befürworter einer Lieferung. Taurus, sagt Söder, sei das Abschreckendste, was Deutschland zur Verteidigung habe. Es sei unverständlich, sie nicht an die Ukraine zu senden. „Ohne das gibt es womöglich keine Chance für die Ukraine, sich zu wehren.“ Die Gegner der Lieferung, also Kanzler Scholz, verhielten sich „bockbeinig“.

Auch Söder läuft um den Taurus herum, berührt sogar die wundersame Schnauze. Es mache ihm keinen Spaß, sagt er dann, die Lage sei ernst. Und: „Diese Waffe muss zum Einsatz kommen.“

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