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Bundesverfassungsgericht: NPD-Urteil könnte „Blaupause für die AfD“ sein, sagt Söder - WELT

Nach Ansicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) könnte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Stopp der staatlichen Parteienfinanzierung der NPD eine „Blaupause für die AfD“ sein. Söder hatte dies schon vor dem Urteil ins Spiel gebracht. „Unterhalb der Schwelle des schwierigen und langwierigen Verbotsverfahrens gibt es jetzt eine neue Möglichkeit, verfassungsfeindlichen Organisationen den Geldhahn zumindest abzudrehen – und ihnen nicht die Chance zu geben, mit Steuergeld gegen unsere Verfassung zu hetzen und zu agieren“, sagte Söder. „Das könnte am Ende auch eine Blaupause für die AfD sein und gegen die AfD.“

Jetzt sei wichtig, „dass die Verfassungsschutzbehörden akribisch genau dokumentieren und sammeln, ob es eine Verfassungsfeindlichkeit der AfD als Gänze gibt“, sagte Söder. „Dafür spricht sehr vieles, auch jüngste Ausfälle.“ Unter anderem der Umgang der bayerischen AfD-Landtagsfraktion mit dem umstrittenen Abgeordneten Daniel Halemba zeige: „Es ist tief auf dem Weg in die Rechtsextreme hinein“, sagte Söder. „Und sowas dürfte eigentlich auf Dauer kein Steuergeld von Menschen bekommen, die hart arbeiten, jeden Tag aufstehen und dafür ihre Steuern zahlen – aber nicht, um so einen Unsinn zu finanzieren.“

Lindner zurückhaltend

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hingegen reagierte zurückhaltend auf Vorschläge, perspektivisch auch Finanzmittel der AfD aus der staatlichen Parteifinanzierung zu streichen. „Man sollte beim Umgang mit der AfD ganz exakt auf das verfassungsrechtlich Notwendige und Mögliche schauen“, sagte er WELT. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien des demokratischen Zentrums sich einer unliebsamen Konkurrenz erwehren wollen, indem sie auf Mittel des Parteienrechts zurückgreifen.“

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Das müsse alles rechtlich sauber erfolgen, so Lindner. Denn die Auseinandersetzung mit der AfD müsse eine politische sein. Man dürfe keine Angst haben, sondern müsse Antworten geben auf die Fragen, die die Menschen stellen, die sich der AfD zugewandt haben, insbesondere im Bereich der Migration, bei Bürokratie und auch bei der Freiheit der privaten Lebensführung.

Die Ampel müsse die Probleme lösen, die die Menschen bewegen. „Ich bin sicher, dass die Probleme gelöst werden müssen, die die AfD groß gemacht haben“, so Lindner. „Viele Menschen warten seit der Ära Merkel auf eine andere Migrationspolitik. Die kommt jetzt. Jetzt gibt es in Europa den Schutz der Außengrenze, Asylverfahren von außerhalb Europas, Abschiebegewahrsam in Deutschland. Wir schränken das Asylbewerberleistungsgesetz ein.“

Bundesverfassungsgericht streicht der Partei die staatlichen Gelder

Weil die rechtsextreme NPD verfassungsfeindlich ist, hat das Bundesverfassungsgericht die in „Die Heimat“ umbenannte Partei für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. „Die Antragsgegnerin missachtet nach wie vor die freiheitliche demokratische Grundordnung und ist nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet“, erklärte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König, am Dienstag in Karlsruhe. Es war das erste Verfahren dieser Art am höchsten deutschen Gericht (Az. 2 BvB 1/19). Die Partei selbst zeigte sich unbeeindruckt und kündigte an, ihre Arbeit fortzusetzen.

Die Möglichkeit zum Finanzierungsausschluss hatte der Gesetzgeber nach dem zweiten erfolglosen NPD-Verbotsverfahren 2017 geschaffen. Ein Verbot hatte das Verfassungsgericht damals abgelehnt, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchsetzen könne. Der Gesetzgeber schuf daraufhin die Möglichkeit zum Ausschluss von der Parteienfinanzierung. Mit dem Urteil entfallen auch steuerliche Begünstigungen der Partei und der Zuwendungen an sie.

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Das politische Konzept der Partei sei weiterhin nicht mit der Garantie der Menschenwürde im Sinne des Grundgesetzes vereinbar, erläuterte König die einstimmige Entscheidung des Senats. So halte sie am ethnischen Volksbegriff und der Vorstellung von der deutschen „Volksgemeinschaft“ als Abstammungsgemeinschaft fest. Zur Verwirklichung der „deutschen Volksgemeinschaft“ fordere sie die Trennung von Kulturen und Ethnien, eine umfassende rechtliche Besserstellung aller dieser Gemeinschaft Zugehörigen und die Abwertung des rechtlichen Status‘ aller nicht Zugehörigen.

„Die Propagierung der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ hat eine gegen die Menschenwürde und das Gebot elementarer Rechtsgleichheit verstoßende Missachtung von Ausländern, Migranten und Minderheiten zur Folge“, sagte König. Vorgelegte Belege ließen erkennen, dass die rassistische, insbesondere antimuslimische, antisemitische und antiziganistische Grundhaltung der Partei sowie ihre ablehnende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten wie zum Beispiel transsexuellen Personen unverändert fortbestehe.

Darüber hinaus wende sich die Partei gegen das Demokratieprinzip. „Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der „ethnischen Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen“, sagte König. Das bestehende parlamentarische System mache sie verächtlich und rufe zu dessen Überwindung auf.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Entscheidung. Von ihr gehe ein klares Signal aus, sagte Faeser. „Unser demokratischer Staat finanziert keine Verfassungsfeinde.“ Faeser sagte: „Kräfte, die unsere Demokratie zersetzen und zerstören wollen, dürfen dafür keinen Cent an staatlichen Mitteln erhalten – weder direkt noch indirekt durch steuerliche Begünstigungen.“ Die verfassungsrechtlichen Hürden für künftige Verfahren blieben zwar hoch, so Faeser. Doch „haben wir jetzt ein weiteres Instrument zum Schutz unserer Demokratie“. Die Entscheidung falle in eine Zeit, die zeige: „Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie – und für Menschen in unserem Land“, sagte Faeser mit Blick auf Gedankenspiele von Rechtsextremen, Menschen massenhaft aus Deutschland zu vertreiben.

Wie die Parteienfinanzierung funktioniert

Parteien können gemäß Parteiengesetz Geld vom Staat für ihre Arbeit – etwa den Wahlkampf – bekommen. Andere Einnahmequellen sind Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die Summe der staatlichen Teilfinanzierung wird nach einem bestimmten Schlüssel berechnet, wobei unter anderem Wählerstimmen eine Rolle spielen. Um berechtigt zu sein, müssen Parteien Mindestanteile bei den jeweils jüngsten Wahlen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene erreichen.

Da das der NPD zuletzt nicht gelang, bekam sie nach Zahlen des Bundestags seit 2021 kein Geld mehr. Ein Jahr zuvor waren es rund 370.600 Euro gewesen – zugutekamen ihr damals 3,02 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl 2016 in Mecklenburg-Vorpommern. Zum Vergleich: Im Jahr 2016, als der Partei mehr Wahlerfolge angerechnet wurden, standen ihr mehr als 1,1 Millionen Euro zu. Zur Einordnung: Die höchste Summe mit fast 51 Millionen Euro bekam damals die SPD.

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