Stand: 19.10.2023 20:07 Uhr
Weil der Wind stark von Osten bläst, müssen sich die Menschen an der Ostseeküste auf Hochwasser einstellen. In den nächsten Tagen besteht Sturmflutgefahr, an der Nordsee sind die Folgen des Sturms ganz andere.
Schleswig-Holstein muss sich auf eine schwere Sturmflut an der Ostseeküste einstellen. In der Flensburger Förde werden bis Sonnabendmittag laut Vorhersage des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Wasserstände von bis zu zwei Metern über dem Normalwert erreicht. "Zuletzt gab es dort ein solches Hochwasser im Jahr 1904", sagte Ines Perlet-Markus vom BSH. Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) appellierte an die Küstenbewohner, sich gut zu informieren und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Mit einer möglichen Dauer von bis zu 40 Stunden könnte die Sturmflut deutlich länger anhalten als ähnliche Unwetterereignisse 2017 und 2019.
Das BSH rechnet mit zwei kritischen Höchstständen in Flensburg: Der erste in der Nacht zum Freitag mit Pegelständen von 1,40 bis 1,50 Metern, der zweite in der Nacht von Freitag auf Sonnabend mit einem Wasserstand von zwei Metern oder sogar höher. Am Donnerstagmittag wurden die vom Hochwasser betroffenen Straßenzüge am Hafen gesperrt. Bereits am frühen Nachmittag kletterte das Wasser über die Kaikante. Die Stadt rief dazu auf, in Wassernähe abgestellte Fahrzeuge unbedingt zu entfernen. Für die Nacht zum Sonnabend wurden die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, das Haus nicht zu verlassen: Wegen des Sturms müsse mit herabstürzenden Dachziegeln oder abbrechenden Ästen gerechnet werden, so die Stadt.
Überflutungen auch an den Ostsee-Stränden
Auch in der Lübecker Bucht wird mit einem Wasserstand von bis zu 1,70 Meter über dem Normalwert gerechnet. Und für die Kieler Bucht prognostiziert das BSH Werte von bis zu 1,80 Meter. Überflutungen drohen ebenfalls an den Ostsee-Stränden. Spaziergänger sollten besonders vorsichtig an den Steilküsten sein - dort könnte es bei starken Wellen und hohen Wasserständen zu Abbrüchen kommen.
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Orkanartige Böen an den Küsten möglich
Der Wind nimmt über Nacht weiter zu - ab Freitagvormittag ist dann an der Ostseeküste, auf Helgoland, den Ostfriesischen Inseln und auf Rügen mit orkanartigen Böen um 110 Kilometern pro Stunde zu rechnen. "Wir haben es mit einem stabilen Windfeld zu tun, das bringt die gesamte Ostsee in Bewegung", erklärt BSH-Expertin Perlet-Markus. In Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen ist laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) am Freitag mit teils kräftigem Dauerregen zu rechnen. Es werden Niederschlagsmengen zwischen 25 und 40 Litern je Quadratmeter in Schleswig-Holstein erwartet. Erst in der Nacht zu Sonnabend flauen Wind und Regen ab.
Wismar warnt seine Hafenanwohner
Auch an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns soll es zu einer außergewöhnlichen Hochwasser-Lage kommen. Westlich von Rügen muss bis Sonnabendmittag mit Wasserständen von bis zu 1,50 Metern über dem Normalwert gerechnet werden. An der östlichen Küste Rügens werden Werte bis zu 1,20 Meter erwartet. Auch an den inneren Küstengewässern ist laut BSH mit erhöhten Wasserständen bis zu 1,10 Meter zu rechnen. Im Greifswalder Bodden können Werte bis zu 1,50 Meter erreicht werden, am Stettiner Haff bis zu 1,10 Meter.
In Wismar waren für Donnerstag bis zu 1,80 Meter über dem Normalwert vorhergesagt, für Freitag gar bis zu zwei Meter. Die Stadt Wismar fordert die Menschen, die am Hafen leben, deshalb auf, Schutzmaßnahmen zu treffen. Sie sollen Fahrzeuge aus dem hochwassergefährdeten Gebiet bringen. Außerdem werden seit Donnerstagmittag Sandsäcke zur Verfügung gestellt.
Dänemark: Urlauber sollen Küstengebiet verlassen
Auch in Dänemark und Schweden bereiten sich die Menschen auf den Sturm vor. Anwohner und Urlauber an der Ostseeküste im Süden und im Osten Dänemarks sollen spätestens am Freitagmorgen das Küstengebietverlassen. Dazu forderte die dänische Polizei am Donnerstag auf. Betroffen seien demnach unter anderem die auch bei deutschen Urlaubern beliebten Sommerhausgegenden an den Südküsten der Inseln Lolland, Falster und Fünen sowie in den Förden von Haderslev, Aabenraa und Flensburg. Das Dänische Meteorologische Institut (DMI) warnte vor Überschwemmungen in den betroffenen Küstenabschnitten von Freitagmorgen bis Samstagmittag. Der Wasserstand könne bis zu 2,40 Meter über den Normalwert steigen, teilte das DMI mit. Auch für die schwedische Südküste prognostizierte die zuständige Behörde Überschwemmungen.
Insulaner und Herbst-Urlauber an der niedersächsischen Nordseeküste müssen sich in den kommenden Tagen dagegen auf Verschiebungen und Ausfälle bei Fähren von und zu den Ostfriesischen Inseln einstellen. Dort werden wegen des Ostwindes deutlich niedrigere Wasserstände erwartet. In Cuxhaven etwa soll es am Freitag Wasserstände von mehr als 1,50 Meter unter dem sonst üblichen mittleren Niedrigwasser geben, wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am Donnerstag mitteilte. Den Angaben zufolge sank der Wasserstand an der deutschen Nordseeküste in den vergangenen 25 Jahren nur drei Mal unter den Wert von 1,50 Metern unter dem mittleren Niedrigwasser - nämlich zwei Mal im März 2018 und ein Mal im November 2022. Deswegen können die Fähren zum Teil nicht mehr fahren. Zu den Inseln Juist, Baltrum und Spiekeroog etwa wird der Fährverkehr am Freitag komplett eingestellt. Fähren von und nach Wangerooge fahren bis einschließlich Sonnabend nicht. Auch für Sonntag sei wegen des kräftigen Ostwindes mit weiteren Einschränkungen zu rechnen, teilte der Betreiber Deutsche Bahn mit. Geänderte Abfahrten oder Ausfälle melden Fährgesellschaften entlang der Küste auch für die Inseln Borkum, Norderney und Langeoog. Sie Elbfähre Glückstadt-Wischhafen stellt am Freitag ebenfalls ihren Betrieb ein.
Auch an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste sollen die Wasserstände bis Sonnabend deutlich unter den Normalwerten liegen. Daher haben die Reedereien für die Verbindungen zu Inseln und Halligen Ausfälle und Verschiebungen angekündigt.
An der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns kündigte die Reederei Hiddensee an, am Freitag den gesamten Fährbetrieb einzustellen. Auch auf der Linie Rostock-Gedser der Fährreederei Scandlines fallen Freitag zahlreiche Abfahren bis einschließlich Sonnabendmorgen aus.
Wetterbesserung erst am Montag in Sicht
Eine deutliche Wetterbesserung ist in den nächsten Tagen kaum in Sicht. Zwar lässt der Wind zum Sonnabendmorgen nach, "allerdings zieht immer wieder Niederschlag auf", prognostiziert Tobias Schaaf vom DWD. Die Sonne werde kaum eine Rolle spielen, es wird aber milder mit Temperaturen von 14 bis 16 Grad. Ein etwas freundlicheres Intermezzo gibt es erst am Montag. Viel Hoffnung auf dauerhafte Besserung macht der DWD aber nicht: Kommende Woche soll es wechselhaft bleiben.
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