Stand: 30.08.2023 05:00 Uhr
Forscherinnen aus Geesthacht haben im Hamburger Hafen hohe Lachgas-Konzentrationen gemessen, die elbabwärts nach Schleswig-Holstein treiben. Das klimaschädliche Gas gelangt auch durch die Landwirtschaft in die Gewässer.
Wissenschaftlerinnen des Helmholtz-Zentrums Hereon haben hohe Mengen an Lachgas in der Elbmündung gemessen. Das Problem: Das Gas ist rund 300-mal so klimaschädlich wie CO2. Wie das Treibhausgas in den Fluss gelangt, haben die Wissenschaftlerinnen aus Geesthacht in einer neuen Studie erforscht. Eine große Rolle spiele dabei auch die Landwirtschaft.
"Nur wenige Luftblasen heute", ruft Gesa Schulz, als sie ein braunes Fläschchen gegen die Sonne hält und zu den anderen Proben des kleinen Messlabors stellt. Die 28-Jährige öffnet das nächste Fläschchen. Mit einem dünnen Plastikschlauch füllt sie jede Menge solcher Probefläschchen mit Elbwasser, das unter dem Forschungsschiff "Ludwig Prandtl" zu den Wissenschaftlerinnen an Deck gepumpt wird. Gemeinsam mit ihrem Team vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg) erforscht Gesa Schulz das Wasser der Elbmündung auf ein Gas, das viele aus der Narkose in der Medizin kennen: Distickstoffmonoxid. Das ist besser bekannt als Lachgas - und vielleicht weniger bekannt als ein Treibhausgas, das 300-mal klimaschädlicher ist CO2.
Zu viele Nährstoffe führen zu Algenblüten in Elbe
Dass in Flussmündungen Lachgas austreten kann, ist der Wissenschaft schon länger bekannt. Was jedoch weniger bekannt ist, unter welchen Bedingungen das Treibhausgas entsteht - ein Grund, warum die Forscherinnen und Forscher des Institutes seit 2015 die Ursprünge des klimaschädlichen Gases erforschen. Heute ist eine der zahlreichen Forschungsfahrten, auf der sie für Wasserproben durch die Flussmündung von Cuxhaven bis nach Hamburg fahren.
Gesa Schulz zieht ihre Handschuhe aus und geht zu dem Monitor in dem kleinen Messcontainer, der kontinuierlich die gemessenen Treibhausgase anzeigt. Das Schiff ist mittlerweile kurz vor Wedel (Kreis Pinneberg). "Wir fahren gerade auf einen Hotspot zu", sagt Schulz und deutet auf die steigende Kurve in den Messwerten. Je näher wir dem Hamburger Hafen kommen, desto mehr steigen die Lachgas-Konzentrationen an.
Dass der Hamburger Hafen ein Lachgas-Hotspot ist, hängt mit der hohen Nährstoffdichte in der Elbe zusammen. Gelangen etwa hohe Mengen an Stickstoff - ein wichtiger Nährstoff für Pflanzen - in Gewässer, begünstigt dies das Wachstum von Algen, wie Schulz erklärt. Wenn die Algen flussabwärts dann tiefere und dunklere Bereiche erreichten, würden die Algen wieder absterben. Wenn Mikroorganismen die Algen dann abbauten, verbrauchten diese viel Sauerstoff. "Und wenn viel Sauerstoff verbraucht wird, aber viel Stickstoff zur Verfügung steht, dann kann Lachgas gebildet werden", so Schulz. Das heißt: Gelangen zu viele Nährstoffe wie Stickstoff in einen Fluss, kann dies in Verbindung mit tiefem Wasser in der Flussmündung die Lachgasproduktion begünstigen. Und tiefes Wasser gibt es in der Elbe durch die künstliche Vertiefung viel - rund 15 Meter tief ist die Fahrrinne zum Hamburger Hafen.
Jährlich mehr als 100.000 Tonnen verkaufter Stickstoffdünger in Schleswig-Holstein
Woher der viele Stickstoff in der Elbe kommt, der das Algenwachstum und die Lachgasproduktion überhaupt erst begünstigt, ist der Wissenschaft laut Schulz bekannt: Relevant sind demnach Klärwerke und urbane Gebiete. "Aber Landwirtschaft ist da auch eine große Quelle", so die Küstenforscherin. "Sehr viel Stickstoff wird aus der Landwirtschaft eingetragen."
Setzten Bäuerinnen und Bauern etwa übermäßig viel Stickstoffdünger ein, könne der Nährstoff nicht komplett von den Pflanzen auf dem Feld aufgenommen werden. Die Folge: Der Stickstoff gelangt in das Grundwasser oder wird - etwa bei Regen - in Gewässer wie die Elbe hineingespült.
In Schleswig-Holstein wurden laut Angaben des Ministeriums für Landwirtschaft jährlich mehr als 100.000 Tonnen Stickstoffdünger verkauft. In den letzten Jahren habe sich die Menge an verkauftem Stickstoff-Dünger aber reduziert. "Heute haben wir eine Düngeverordnung, die die Landwirte und Landwirtinnen sehr stark eingrenzt", sagt Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU). Die neue Düngeverordnung - die der Bund auf Druck der EU beschlossen hatte - setzte Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr um. "Ich glaube, dass wir in einem Zeitablauf eine deutlich bessere Bilanz bekommen, und auch damit dann weniger Eintrag in die Gewässer," sagt der CDU-Politiker, der früher Präsident des Bauernverbands in Schleswig-Holstein war.
Naturschutzverbände kritisieren Überdüngung
Dass die Politik bereits ausreichend Düngemittel beschränke, sehen Naturschutzverbände anders. "Wir sind eines der Bundesländer mit extrem wenig Öko-Landwirtschaft", sagt Ole Eggers vom BUND Schleswig-Holstein. Die Belastung der Böden durch Düngemittel sei daher sehr hoch. Ein Hauptkritikpunkt: Die erlaubten Grenzwerte seien auch nach der neuen Düngeverordnung zu hoch angesetzt für ein ökologisches Gleichgewicht. Derzeit seien nach EU-Vorgaben 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr erlaubt. "Wir sind da weit, weit im Überdüngungsbereich", sagt Eggers.
Eine mögliche Folge der hohen Nährstoff-Einträge in der Elbe sieht man sogar mit bloßem Auge: Das Forschungsschiff ist mittlerweile im Köhlfleet des Hamburger Hafens angekommen, als Gesa Schulz auf einige kleine Luftblasen deutet, die in dem Hafenbecken auf der Oberfläche treiben. Die Wissenschaftlerinnen messen auf dieser Höhe der Elbe seit Jahren Höchstwerte an Treibhausgasen. Doch um solche Lachgas-Hotspots besser zu verstehen, brauche es noch "viel mehr Daten". Damit wollen Gesa Schulz und ihr Team - gemeinsam mit Landwirten an der Elbe - Maßnahmen entwickeln, um die Stickstoffmenge und damit die Produktion von Lachgas in der Elbe langfristig zu reduzieren.
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