Das Abwehrsystem "Arrow 3" soll eine Lücke in der deutschen Luftverteidigung schließen. Es kann weitreichende Raketen außerhalb der Erdatmosphäre durch einen direkten Treffer zerstören. Wo wird es stationiert, was kann es - und was nicht?
"Wir müssen uns alle darauf vorbereiten, dass wir einen Nachbarn haben, der gegenwärtig bereit ist, Gewalt anzuwenden, um seine Interessen durchzusetzen", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vor einigen Wochen in der ARD-Sendung Anne Will. Er meint damit Russland unter der Führung von Wladimir Putin. Der russische Präsident hat mit seinem Überfall auf die Ukraine auch in Deutschland und anderen europäischen Staaten die Sorgen vor einem Angriff geschürt.
So sind etwa in der russischen Exklave Kaliningrad ballistische Kurzstreckenraketen vom Typ "Iskander" stationiert, die mit ihren 500 Kilometern Reichweite umliegende Länder erreichen können - auch Teile Nord- und Ostdeutschlands.
Russische Marschflugkörper könnten Ziele beinahe überall in Europa treffen. Zudem verfügt Russland über ballistische Mittelstreckenraketen und nuklear bestückte Interkontinentalraketen.
"Lücke in der Verteidigung unseres Landes"
Diesem Bedrohungspotenzial hat die Bundeswehr, Stand heute, nur wenig entgegenzusetzen. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, spricht gar von einer "Lücke in der möglichen Verteidigung unseres Landes". Würde Deutschland mit Raketen großer Reichweite angegriffen werden, würden diese in einer Höhe weit oberhalb der Erdatmosphäre fliegen. "Nur ein System wie 'Arrow 3' kann dann solche Raketen abwehren, weil nur diese Flugkörper des Systems 'Arrow 3' diese Höhe erreichen", sagt Gerhartz.
Zwar verfügt die Bundeswehr über das Raketenabwehrsystem "Patriot", das gegen Marschflugkörper und ballistische Kurzstreckenraketen eingesetzt werden. Jedoch schießt es Abfangraketen nur bis zu 60 Kilometer weit und auch nur bis zu 40 Kilometer hoch. Noch geringer sind Reichweite und Höhe beim Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM. Und auch wenn sich der Flugabwehrpanzer "Gepard" in der Ukraine im Einsatz gegen Marschflugkörper bewährt hat, ist sein Einsatzradius stark begrenzt.
"Arrow 3": Höher, schneller und weiter
"Mit Patriot kann ich in Berlin das Regierungsviertel schützen, mit 'Arrow 3' ganz Berlin-Brandenburg", sagt Gustav Gressel, Militärexperte beim European Council on Foreign Relations (ECFR). Die Vorteile von "Arrow 3" bestehen aus seiner Sicht in der besseren Manövrierfähigkeit, denn die Raketen sind größer, haben mehr Treibstoff und erreichen eine höhere Endgeschwindigkeit. "Das heißt, ich kann schnellere, höhere und in der Flugbahn komplizierte Geschosse abfangen als mit Patriot", sagt Gressel. Deshalb sei es aus seiner Sicht auch das beste derzeit verfügbare System.
Laut Hersteller kann "Arrow 3" Abfangraketen auch in große Höhen von bis zu 100 Kilometern schießen und hat eine Reichweite von bis zu 2400 Kilometer. Ähnlich wie "Patriot" agiert "Arrow 3" in einem Zusammenspiel aus einer mobilen Startvorrichtung, einem mobilen Leitstand und einer mobilen Radarstation.
Erfasst das Radar einen feindlichen Flugkörper, wird im Leitstand die Flugbahn für die Abwehrraketen berechnet. Von hier aus können selbst nach dem Start noch Steuersignale übermittelt werden, um so die Flugbahn gegebenenfalls zu korrigieren. Der Sprengkopf soll dann durch den Aufprall den Sprengkopf der feindlichen Rakete zerstören.
Allerdings hat eine Abfangrakete laut Statistik nur eine Erfolgsquote von 55 Prozent. Es müssen also immer mehrere Raketen gegen ein Ziel abgefeuert werden, um die Wahrscheinlichkeit eines Abschusses zu erhöhen. Das erhöht den Aufwand beim Verteidiger im Vergleich zum Angreifer.
Militärexperte Gressel weist zudem darauf hin, dass sich "Arrow 3" im Einsatz gegen Interkontinentalraketen "schwertun" würde, weil diese schneller fliegen. Zudem könne das System nur bedingt Hyperschallwaffen abwehren, da diese erst spät vom "Arrow 3"-Radar erfasst würden.
System soll in NATO-Verteidigung integriert werden
"Arrow 3" wird in Deutschland an drei Standorten aufgebaut: bei Berlin, in Schleswig-Holstein und in Bayern. Geschützt werden soll damit aber nicht nur deutsches Staatsgebiet. "Wir möchten das System in die NATO-Luftverteidigung integrieren. Darüber hinaus unterstützt Deutschland damit auch die Sicherheit unserer Nachbarländer", sagt Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Deutschland will damit seinen Beitrag zum Aufbau des europäischen Raketenabwehrschirms "Air Shield" leisten - eine Art unsichtbare Kuppel, die ganz Europa schützen soll.
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