Search

Umweltministerin Lemke: Unvorstellbar, „wie teuer Öl und Gas werden“ - BILD

Bei den Grünen brennt es. Das Heizungsgesetz sorgt für mächtig Ärger.

Deutschland streitet darüber, wie viel Klimaschutz wir brauchen. Viel zu tun für Umweltministerin Steffi Lemke (55, Grüne), die ihre Partei im BILD am SONNTAG-Interview vor Kritik nicht verschont.

BILD am SONNTAG: Was ist Ihr persönlicher Klimaschutz-Trick?

STEFFI LEMKE: „Privat und dienstlich fahre ich Bahn, sooft es geht. Zu Hause in Dessau nutze ich viele kleine Stellschrauben, die ja jeder in seinem Alltag hat. Und ich setze so gut es geht auf saisonale Produkte, am liebsten aus dem eigenen Garten – ich baue Gurken und Tomaten an.

Ein großer Luxus. Aber seit ich Ministerin bin, übernimmt mein Partner da die meiste Arbeit, sonst wären die Pflanzen schnell hinüber.

Als Ministerin kann ich leider nicht immer so nachhaltig leben, wie ich es gern würde, weil ich zu Konferenzen fliegen muss und es nicht immer ohne meinen Elektro-Dienstwagen geht.“

Fahren Sie privat nur Bahn und Fahrrad?

Lemke: „Wer wie ich in Ostdeutschland in einer ländlichen Region wohnt, wird wohl auch in den nächsten Jahren nicht komplett ohne Auto auskommen. Wir fahren privat einen Benziner, der ist schon 20 Jahre alt und ich nutze ihn nur gelegentlich. Viel mehr Kilometer fahre ich mit der Bahn.“

Macht die Bundesregierung genug für Umwelt- und Klimaschutz?

Lemke: „Als erste Regierung überhaupt hat die Ampel Klimaschutz als Aufgabe für alle Ministerien definiert. Aber ich wünsche mir an vielen Stellen mehr.

Wir brauchen zum Beispiel mehr Klimaschutz im Verkehrssektor, und wir wollen deutlich mehr gegen die Vermüllung unserer Städte und der Natur tun.“

Was genau?

Lemke: „Ein Beispiel: Für Cafés, Bistros und Restaurants ist seit Januar vorgeschrieben, dass sie neben Einwegkunststoff auch Mehrwegverpackungen für To-go-Essen und Getränke anbieten müssen. Das funktioniert noch nicht überall gut genug.

Die Gastronomen sind gefragt, ihre gesetzliche Mehrwegpflicht auch zu erfüllen, und Kommunen und Länder sollten deutlich besser kontrollieren. Das spart wertvolle Rohstoffe und es wird weniger Müll in der Landschaft landen. Der Müll nervt doch alle.“

Die Inflation haut bei den Menschen rein. Können wir uns Klimaschutz bald nicht mehr leisten?

Lemke: „Leider ist es so, dass wir es uns nicht leisten können, keinen Klimaschutz zu betreiben. Es wird richtig teuer werden, wenn wir auf Klimaschutzmaßnahmen verzichten. Fluten, Starkregen, Dürren, Waldbrände nehmen zu, und sie richten massive Schäden an.

Extremwetterereignisse, die durch die Klimakrise wahrscheinlicher und intensiver werden, haben laut einer Studie von 2000 bis 2021 Schäden von fast 145 Milliarden Euro verursacht, davon allein 80 Milliarden seit 2018.

In Norddeutschland müssen die Deiche wohl um ein bis zwei Meter erhöht werden. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es für unsere Enkel und Urenkel unbezahlbar.“

Für die Volkswirtschaft mag das gelten. Aber das nützt dem Hausbesitzer nichts, der die 20.000 Euro extra für die Wärmepumpe nicht hat.

Lemke: „Um es nochmals zu betonen: Niemand wird gezwungen, seine Heizung jetzt rauszureißen. Erst wenn ohnehin eine neue Heizung ansteht, greift das Gesetz. Und der Staat wird diesen Austausch der Heizungen großzügig unterstützen und damit die Mehrkosten weitgehend ausgleichen.

Ich finde es richtig, dass wir uns da auf die Menschen konzentrieren, die es sich nicht oder nur schwer leisten können. Dazu kommt: Mittel- und langfristig ist eine Wärmepumpe günstiger als eine Gasheizung.

Noch können sich viele Menschen nicht vorstellen, wie teuer Öl und Gas sein werden. Gleichzeitig wird mit dem Ausbau von Wind und Solar der Strom günstiger. Wir sind gerade in einer Phase, wo wir das Alte verlassen müssen, aber das Neue noch längst nicht alle überzeugt.

Über diese Schwelle müssen wir. Was nicht mehr geht, ist zu behaupten, wir hätten noch viele Jahre Zeit, wie Friedrich Merz es tut. Das ist verantwortungslos gegenüber unseren Kindern und Enkeln. Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen, brauchen wir diese Wärmewende.“

Warum stürzen die Grünen in den Umfragen ab?

Lemke: „Weil es jetzt nicht mehr reicht, als Regierung in Paris ein schickes Klimaabkommen zu unterschreiben, zu Hause aber politisch nicht zu handeln. Wir erleben doch spätestens seit 2018 wiederkehrende Dürre-Sommer.

Wir sind an dem Punkt, an dem wir handeln müssen. Und jetzt spüren wir die Klimaschutzmaßnahmen in unserem Alltag, damit steigen die Sorgen vor diesen Veränderungen, das ist ja ganz normal.

Und ja, das ist auch die Phase, wo wir als Grüne nicht sofort den richtigen Ton getroffen haben, mehr und besser hätten erklären müssen.“

Und dann hievt Habecks Staatssekretär Graichen seinen Trauzeugen auch noch auf einen wichtigen Job. Wie groß ist der Schaden?

Lemke: „Dazu hat Robert Habeck alles gesagt. Der Fehler wurde korrigiert, der Geschäftsführer-Posten bei der Deutschen Energie-Agentur wird neu besetzt. Bei den Umfragen wirkt doch, dass diese Regierung Schluss macht mit den reinen Lippenbekenntnissen beim Klimaschutz.

Sie handelt und räumt Probleme weg, die Vorgängerregierungen liegen ließen. Grüne sind immer, wenn sie in Regierungsverantwortung waren und Veränderungen durchsetzten, in Umfragen gesunken.

Die Frage ist doch: Entwickeln wir die Überzeugungskraft, dass bei den Menschen ankommt: Veränderung ist notwendig, wir sichern damit unsere Zukunft, und wir machen es so, dass es funktioniert und für den Einzelnen machbar ist.“

Von Melkerin zur Umweltministerin

Steffi Lemkes Kindheit in Dessau war geprägt von stinkender Luft und vergifteten Flüssen. Wegen der Umweltzerstörung schloss sich die gelernte Melkerin und Agrarwissenschaftsstudentin der DDR-Opposition an, gründete 1989 die Grünen im Osten mit.

Später wurde sie in Berlin Geschäftsführerin von Partei und Fraktion. Sie hat einen erwachsenen Sohn und lebt noch immer mit ihrem Partner in Dessau. Sie fährt leidenschaftlich gerne Paddelboot auf den inzwischen sauberen Flüssen ihrer Heimat.

Teaser-Bild

Foto: BILD

Dieser Artikel stammt aus BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe gibt es hier.

Adblock test (Why?)

Artikel von & Weiterlesen ( Umweltministerin Lemke: Unvorstellbar, „wie teuer Öl und Gas werden“ - BILD )
https://ift.tt/98LXI1P
Deutschland

Bagikan Berita Ini

0 Response to "Umweltministerin Lemke: Unvorstellbar, „wie teuer Öl und Gas werden“ - BILD"

Post a Comment

Powered by Blogger.