Nicht nur auf der Straße kleben, sondern auch ins Parlament streben – mit diesem Gedanken spielt gerade die „Letzte Generation“. Während eines digitalen Vernetzungstreffens hatten Mitglieder der Gruppierung entsprechende Bestrebungen offenbart. „Jetzt bemühen wir uns, eine politische Partei zu gründen“, sagt auf den WELT vorliegenden Videoaufnahmen die Aktivistin Caris Connell – sie ist eine der bekanntesten Personen der Bewegung. Der Grund demnach: Parteien seien im deutschen Recht sehr gut gestellt.
Nachdem sich die Klima-Aktivisten auf eine erste Anfrage zunächst nicht geäußert hatten, präzisierten sie am Dienstag ihre Ambitionen. Es gebe „aktuell“ keine „konkreten Planungen“ für eine Gründung. Zugleich aber macht die „Letzte Generation“ in der Stellungnahme deutlich, wie ernsthaft dieser Schritt erwogen wird. So sei „die Idee, eine Partei als Organisationsform zu nutzen“ im vergangenen halben Jahr mehrfach aufgekommen. Bis jetzt sei sie immer wieder verworfen und „auf Eis“ gelegt worden, weil man nicht den Eindruck erwecken wolle, dass Parteien allein das Problem „des absoluten klimapolitischen Versagens der Regierung“ lösen würden.
„Nichtsdestotrotz wäre es grundsätzlich als politische Kampagne nicht fernliegend, sich als Partei zu strukturieren oder sich von solchen auf mancher Ebene unterstützen zu lassen, auch wenn man die Lösung – wie wir – nicht in Wahlen sieht.“ Dabei gehe es nicht um Spenden, sondern um den verfassungsgemäßen „Rang und Schutz“ politischer Arbeit, der nur Parteien zuteil werde. Da man derzeit anstelle von Parteien „gesellschaftliche Verantwortung“ übernehme, erscheine es nur fair, wenn man die gleichen Vorteile hätte.
„Ihnen fehlt Respekt gegenüber unserem Rechtsstaat“
Bei FDP und Union gibt es allerdings große Zweifel an einer Parteitauglichkeit der Straßenblockierer. „Die ‚Letzte Generation‘ hat mit ihren bisherigen Aktionen und Positionen immer wieder unter Beweis gestellt, dass ihnen die grundsätzlichen Prozesse und Strukturen innerhalb unserer repräsentativen Demokratie wenig bis gar nichts bedeuten“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai WELT.
Kennzeichnend sei für die Gruppierung zudem, „dass ihre Handlungen und ihre Vorgehensweise häufig den Eindruck vermitteln, dass ihnen der Respekt gegenüber unserem Rechtsstaat fehlt“, so Djir-Sarai. „Sie müsste lernen, dass destruktive Aktionen allein nicht dazu beitragen, politische Mehrheiten in einer Demokratie zu schaffen.“
Härter im Ton äußerte sich der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm. „Es steht jedem frei, eine Partei zu gründen. Ich habe allerdings erhebliche Zweifel, ob eine Partei der ‚Letzten Generation’ auf dem Boden des Grundgesetzes stehen würde“, sagte er. „Die ‚Letzte Generation‘ fällt vor allem als Plattform zur Organisation von Straftaten wie Eingriffen in den Luftverkehr, Straßenblockaden und Vandalismus in Museen auf. Für mich drängt sich eher das Bild einer kriminellen Vereinigung auf als das einer neuen Partei, die sich dem fairen demokratischen Wettstreit stellt.“ Eine etwaige Partei müsste sich „klar von allen extremistischen Tendenzen in ihrem Umfeld“ abgrenzen.
Die Grünen gaben sich gelassen: Der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter sagte dem Fernsehsender WELT, eine radikale Öko-Partei mit nur einem einzigen Thema werde es schwer haben. „Es ist sehr, sehr kompliziert, wirklich eine Partei großzumachen.“ Auch die Gefahr neuer Flügelkämpfe innerhalb der Grünen oder von Überläufern sieht Hofreiter nicht. Beim Thema Klimaschutz gebe es bei den Grünen keinen internen Dissens. „Beim Thema Klimaschutz sind wir Grüne uns absolut einig. Da ist vollkommen klar, dass die Dinge schneller gehen müssen. Da ist das Problem eher Olaf Scholz – und manchmal auch die FDP.“
Grundsätzliche Sympathie für die Bestrebung der Gruppe, eine neue Partei zu gründen, zeigt die AfD. „Wenn man sich von den bisherigen Parteien nicht vertreten fühlt, muss man eine eigene gründen. Das nennt man Wettbewerb“, so der stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner. „Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass die ‚Letzte Generation‘-Partei als Sprachrohr der jungen, hysterisierten Klima-Apokalyptiker wirklich Fahrt aufnimmt.“
Dass eine Partei der „Letzten Generation“ viele Wählerstimmen gewinnen könnte, bezweifelt jedenfalls der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner: „Ich glaube, eine Partei der ‚Letzten Generation‘ hat äußerst geringe Chancen, da es sich um eine ganz kleine Gruppe handelt“, sagte er. „Die große Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Protestaktionen ab und hat kein Verständnis dafür.“
Zudem habe sich gezeigt, dass es reine Klimaparteien generell schwer hätten. „In Baden-Württemberg ist bei der vergangenen Landtagswahl die Klimaliste angetreten – das Ergebnis war mit 0,9 Prozent sehr mäßig.“ Um von einem zentralen Vorteil von Parteien zu profitieren, müsste die „Letzte Generation“ allerdings auch nur ein wenig Erfolg haben: Erreicht eine Partei bei Europa- oder Bundestagswahlen mindestens 0,5 Prozent der Stimmen, wird sie vom Staat finanziell bezuschusst.
Mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr lässt sich Deutschland seine Parteienfinanzierung kosten. Rein zeitlich wäre es möglich, dass die Klimakleber bei der Europawahl im kommenden Frühjahr antreten. Und Forsa-Chef Güllner sagt: Ausschließen könne man nicht, dass sie die benötigten 0,5 Prozent holen könnte.
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