
Exklusiv
Stand: 07.11.2022 18:00 Uhr
Bei der Suche nach dem Vermögen sanktionierter Oligarchen sind deutsche Fahnder nach Recherchen von NDR, WDR und SZ auch auf zahlreiche Kunstwerke in Hamburg gestoßen. Nun soll deren Wert ermittelt werden.
Ende September rückten Fahnder des BKA und der Steuerfahndung bei der Lürssen-Werft in Bremen ein. Ihr Ziel war die Luxusjacht Dilbar, die dem sanktionierten Oligarchen Alisher Usmanow zugeschrieben wird. Usmanow gilt als enger Vertrauter Putins, die Europäische Union verhängte im Februar 2022 Sanktionen gegen ihn. Eigentlich suchten die Fahnder bei der Razzia, bei der auch eine Spedition in Hamburg durchsucht wurde, Hinweise darauf, wem das Schiff tatsächlich gehört.
Nun wird klar, dass die Polizistinnen und Polizisten bei ihrer Aktion auch noch auf etwas anderes stießen, das im weiteren Verfahren gegen Usmanow von Bedeutung sein könnte: Die Fahnder stellten kistenweise Kunstschätze sicher, darunter 30 Gemälde bedeutender Maler. Ersten Schätzungen zufolge soll sich der Wert der Bilder auf etwa fünf Millionen Euro belaufen.
Die Bilder sollen sich auf der Megajacht "Dilbar" befunden haben, und wurden offenbar eingelagert als das Schiff Ende 2021 zur Generalüberholung zur Werft Blohm+Voss nach Hamburg kam. Unter den Gemälden befindet sich auch ein Werk des französisch-russischen Expressionisten Marc Chagall. Auf Nachfrage teilte ein Sprecher Usmanows mit, die fraglichen Kunstgegenstände würden nicht Herrn Usmanow gehören und hätten deshalb auch nicht deutschen Behörden angezeigt werden müssen.
Ermittlungen wegen Geldwäscheverdachts
Gegen den Oligarchen ermittelt die Staatsanwaltschaft München II wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, sie geht davon aus, dass der von der EU sanktionierte Milliardär in Deutschland steuerpflichtig war. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main ermittelt zudem wegen des Verdachts der Geldwäsche. Bereits im Frühjahr wurde in Norddeutschland die rund 500 Millionen Euro teure Luxusjacht "Dilbar" festgesetzt, die Usmanow zugerechnet wird. Usmanow selbst bestreitet das.
Bereits Ende September durchsuchten Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Steuerfahndung im beschaulichen Rottach-Egern in Bayern mehrere Anwesen, die die Fahnder ebenfalls Usmanow zurechnen.
Kunstschätze - oder billige Souvenirs?
Dabei entdeckten sie offenbar vier Fabergé-Eier. Die kunstvoll verzierten, oft mit Edelsteinen und Perlen besetzten, goldenen Schmuckeier wurden zwischen 1885 und 1917 von dem Hofjuwelier des russischen Zaren gefertigt. 52 solcher Eier soll Peter Carl Fabergé in St. Petersburg angefertigt haben, die meisten befinden sich heute in Museen und Privatsammlungen, sechs jedoch gelten als verschollen.
Mittlerweile soll der Oligarch mitgeteilt haben, dass es sich bei den Eiern aus seinem Tresor in der bayerischen Seevilla nicht um Originale aus der Zarenzeit handeln soll, sondern um Repliken, angeblich gekauft als Geschenk für Freunde in seinem Heimatland Usbekistan. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch laut Gutachten davon aus, dass die prunkvollen Eier dennoch "einen nicht unerheblichen Wert haben" und daher - ebenso wie die nun in Hamburg sichergestellten Gemälde - gemäß Außenwirtschaftsgesetz hätten gemeldet werden müssen.
Echte Fabergé-Eier - wie dieses aus dem Metropolitan Museum of Art in New York - sind extrem selten und wertvoll. Bild: picture alliance / newscom
Ein Sprecher von Usmanow zweifelte den Wert der gefundenen Eier an. Er verwies auf ein Foto einer Fabergé-Kopie, die 2015 für weniger als 400 US-Dollar verkauft wurde. Entsprächen die gefundenen Eier diesem Muster seien es "billige Souvenirs, die im Internet frei erhältlich sind." Ein Kunstsachverständiger soll den genauen Wert der Eier ermitteln, und zahlreiche Gemälde schätzen, die in der bayrischen Villa des Oligarchen sichergestellt wurden.
Schon in der Vergangenheit trat Alisher Usmanow gern als Kunstliebhaber auf. Er ersteigerte er die Sammlung des 2007 verstorbenen russischen Cellisten Mstilaw Rostropowisch und dessen Frau beim Auktionshaus Sotheby's für rund 70 Millionen US-Dollar und schenkte die Werke schließlich dem Kreml. Außerdem kaufte Usmanow das Gemälde "St. Mark" des niederländischen Porträtmalers Frans Hals und überließ es dem staatlichen Puschkin-Museum in Moskau.
Beschlagnahmungen auch in Frankreich und den USA
Auch in anderen Ländern wurden bereits Kunstwerke von sanktionierten Russen konfisziert. So stellten französische Behörden etwa im April ein Selbstporträt des Malers Pjotr Kontschalowski sicher, das in einer Ausstellung der Stiftung Louis Vuitton in Paris gezeigt worden war. Das Gemälde stammt aus der Privatsammlung des russischen Oligarchen Petr Aven der sich auf der EU-Sanktionsliste befindet und bis zum Frühjahr die Alfa-Bank führte, Russlands größter Privatbank.
Im Oktober vergangenen Jahres hatte außerdem die US-Bundespolizei FBI mehrere Wohnungen des russischen Milliardärs Oleg Deripaska durchsucht. Der Putin-Vertraute war von den US-Behörden bereits vor dem Ukraine-Krieg als Reaktion auf eine mutmaßliche Einflussnahme Russlands auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 und aufgrund von Geldwäschevorwürfen sanktioniert worden. Bei den Razzien soll das FBI mehrere wertvolle Gemälde beschlagnahmt haben, darunter auch ein Bild des mexikanischen Künstlers Diego Rivera. Der Ehemann von Frida Kahlo gilt als einer der bedeutendsten Maler der Moderne in Mexiko.
Milliardenwerte aufgespürt
In Deutschland wurde kurz nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine eine Task Force begründet, um hierzulande Vermögen von Russen aufzuspüren, die durch die EU sanktioniert wurden. Mit dabei sind mehrere Ministerien, darunter auch das Wirtschaftsministerium, das Finanzministerium sowie das BKA, Zoll und auch der Bundesnachrichtendienst (BND). Rund fünf Milliarden Euro konnten bereits ausfindig gemacht "eingefroren" werden, darunter neben Geld- und Aktienvermögen auch Jachten, Flugzeuge und Wohnungen.
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